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Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Premiere im Musiktheater im Revier am 26. Mai 1996
Musikalische Leitung: Neil Varon
Choreinstudierung: Nandor Ronay
Inszenierung: Karin Mauksch
Bühnenbild: Dieter Richter
Kostüme: Renate Schmitzer
Violetta Valéry: Edith Lehr Alfredo Germont: Nikolai Andrej Schukoff Giorgio Germont: Adam Hollmann Annina: Eva Tamulénas und Cornelia Berger a.G. Flora Bervoix: Anke Sieloff Barone Douphol: Tom Erik Lie Gaston, Visconte di Letorières: Bernhard Schneider Marchese d'Obigny: Joachim Gabriel Maaß Dottor Grenvil: Krzysztof Klorek Giuseppe: Jerzy Kwika Ein Bauer: Helmut DeschPhilharmonisches Orchester der Stadt Gelsenkirchen
Die drei Akte werden in einem einzigen großen, eher unauffällig in blau
gehaltenen Raum dargestellt. Lediglich das Landschaftsbild
in den großen Fenstern macht den
Ortwechsel bemerkbar, sowie auch die Erinnerung der Personen auf diese Weise
sichtbar wird. Der Modus der Erinnerung steht ohnedies über dem ganzen Stück,
denn es wird als sehnsuchtsvoller Rückblick des Alfredo Germont geschildert
und so in stärkere Nähe zur literarischen Vorlage gerückt. Am Anfang sieht man
Alfredo in dem leeren Raum Violettas stehen, außer ihm nur tuchverhangene Möbel,
ganz wie im Roman von Dumas beschrieben. Violetta erscheint in Alfredos
Vorstellung, der Raum wird schließlich zum Festsaal -
die erinnerte Geschichte beginnt. Noch weitere Hinweise auf den Roman
und das Drama von Dumas finden sich im Verlaufe der Inszenierung.
Vereinnehmend wird das Bühnengeschehen aber
erst durch die außergewöhnlich dynamische Personenführung, die sich
entwickelt. Die Figuren wirken spontan und sind aufeinander eingespielt, wie
es wohl nur in Gelsenkirchen möglich ist! Auch der Chor wird stark in diesem
Sinne beteiligt. Besonderes Qualitätsmerkmal ist zudem die natürliche, moderne
Mimik und Gestik, durch die die Darsteller überzeugen.
Eine alberne Choreographie des von der
Partitur verlangten Opernballets, wie sie vor kurzen noch in einem anderen
Opernhaus zu sehen war, bleibt dem Publikum in dieser Inszenierung erspart. Es
wird vom Chor stattdessen eine Festgesellschaft gezeigt, die sich mit gängigen
Partyspielchen die Zeit vertreibt. Damit ist eine gute, der Handlung
entsprechende Lösung gefunden.
Wenn Alfredo schließlich seine Violetta vor allen Anwesenden kränkt, bekommt
dieser gehörig Ärger. Es geht plötzlich regelrecht handgreiflich zu,
Tenor und Chor zeigen schnelles, kraftvolles Spiel.
(Ohnehin läßt sich der junge neue Tenor sehr bühnenwirksam einsetzen
und ist häufig im Laufschritt zu sehen.)
Unterstrichen wird das spannende Bühnengeschehen außerdem mehrmals durch
Generalpausen des Orchesters, die elektrisierende Sekunden der Stille
offenhalten. Unglaublich.
Im dritten Akt ist Violetta endlich einmal wirklich elend krank und von
Halluzinationen bereits
geplagt. Der Karneval in Paris wird ihr zum Totentanz. Am Ende stürzt
sie dramatisch, sich selbst als ihre eigene Legende bereits erkennend, im
lebensgroßen Bilderrahmen tot zu Boden.
Nikolai Andrej Schukoff gab mit der Partie des Alfredo Germont ein
Debüt am Musiktheater im Revier, das sich hören lassen konnte. Er sang mit
ausgesprochen schönen Klang und Geschmeidigkeit und überzeugte als
Bühnengestalt. Edith Lehr beeindruckte in der Titelrolle. Sie ließ innigen,
versunkenen Gesang auf strahlende Koloraturen folgen und legte zudem auch
spannungsgeladenes Schweigen zwischen die Töne.
Es fiel ihr sehr deutliches Italienisch auf und sie erbrachte außerdem
ausgezeichnete schauspielerische Leistung.
Mit diesem großartigen Sängerpaar
konnte Adam Hollmann als Vater Germont nicht mithalten. Sein Gesang wirkte
bemüht, manchmal auch abgehackt. Das gleiche gilt für sein Spiel.
Eva Tamulénas als Annina spielte wegen Krankheit stumm und
wurde stimmlich von Cornelia Berger klangvoll vertreten. Auch
die anderen solistischen Nebenrollen waren gut besetzt. Der Gesang des Chores
erwies sich als äußerst sorgsam einstudiert, er klang sehr zusammen und federte
gut. Das Orchester spielte sehr sauber, begleitete spannungsvoll und impulsiv.
Nur einige wenige Male waren geringfügige Abweichungen bei gemeinsamen
Einsätzen von Solisten und Orchester zu vernehmen.
Das Publikum war restlos begeistert. Es gab standing ovations und nicht enden wollende Bravorufe für alle, besonders aber für die beiden Hauptdarsteller.
Diese Aufführung der
Traviata wirkt nicht, wie so häufig, bloß wie eine Darbietung beliebter Arien,
sondern die tragische Liebesgeschichte wird überzeugend, ja packend erzählt
und hervorragend musikalisch umgesetzt.