Die sündigen Engel
(The turn of the screw)
Oper in einem Prolog und zwei Akten
Libretto von Myfanwy Piper
nach der Novelle von Henry James
deutsch von Ludwig Landgraf
Musik von Benjamin Britten
Premiere am 25. Januar 1998
im Opernhaus Wuppertal
Von Anne-Kathrin Koch und Dietlind Koch
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Fotos von Rudolf Finkes
MYSTERIÖSES IN WUPPERTAL
Wen das Geschehen auf der Bühne noch nicht besonders berührte, den riß die Musik mit sich fort. Sie erzeugte nicht nur die jeweils passende Stimmung, sondern unterstrich außerdem die dramatische Handlung der Akteure.
In ihrer Funktion als „Filmmusik“ war sie exakt auf das Geschehen auf der Bühne abgestimmt, so daß der Eindruck entstand, daß Musik, Technik ( Licht ) und Handlung von einer Hand gesteuert wurden, jedenfalls lief alles dementsprechend synchron ab.
Ein dickes Lob geht an die Mitglieder des Sinfonieorchesters Wuppertal, die teils sehr anspruchsvolle Solopassagen meisterhaft ausführten.
Die äußerst cineastische Komposition B. Brittens unterstützte den mysteriösen Gesamteindruck und erzeugte eine derartige spannungsgeladene Atmosphäre, daß nicht wenigen eine Gänsehaut den Rücken hinunterlief.
Recht harmlos führt N. A. Schukoff das Publikum in das Stück ein: Gleich einem Minnesänger erzählt er uns die Vorgeschichte der Handlung und verschwindet sofort von der Bühne, als „wir“ mit der Gouvernante in Bly angekommen sind: Das Gruseln kann beginnen.
Das Kinderzimmer, in dem sich alles weitere abspielte, ist äußerst schlicht ausgestattet, doch ließen Spiele mit Licht und Schatten die Bühne sich immer wieder so verändern, daß sie sich jeder neu entstandenen Situation spielend anpaßte. Gerade diese Projektionen und Veränderungen der Lichtfarben erzielten beim Publikum eine eindrucksvolle Wirkung. So schufen solche Lichtreflexe mitunter auch den Eindruck, daß die Geister der verstorbenen Ms Jessel und des toten Peter Quint alias Elise Kaufman und N. A. Schukoff wahrhaftig durch die Wände gingen.
Auffallend gut überzeugte Anja Harteros in ihrer Rolle als Gouvernante: Es gab kaum jemanden im Publikum, der nicht mit ihr mitfühlte, ja sogar mitzitterte. Auch Claudia Visca als Haushälterin Mrs Grose ging völlig in ihrer Rolle auf. Besonders zu erwähnen ist außerdem Philip Goody (Miles), der es mit seinen „großen“ Schauspielerkolleginnen spielend aufnimmt, und das in so jungen Jahren.
Durch anscheinend mangelndes Interesse an neuer Musik blieben einige Reihen im Opernhaus leer. Somit wurden die Akteure mit unverdient schwachem Applaus belohnt.
FAZIT:
Ein Kriminalstück erster Klasse, welches mit seinem unterschwelligem Psychohorror tief unter die Haut geht. Ein Werk, das nicht nur eingefleischte Operngänger, sondern vor allem Krimiliebhaber und andere anspricht.