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Die Entführung
aus dem Serail

Deutsches Singspiel in drei Aufzügen
Text von Christoph Friedrich Bretzner
Frei bearbeitet von Johann Gottlieb Stephanie D.J.
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

Aufführungsdauer: ca. 3h 00' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Bonn am 31. Oktober 1999

Homepage der Oper der Stadt Bonn
(Homepage)



Die Substanz fehlt

Von Ruth Schmüdderich / Fotos von Thilo Beu



Wenn sich der luftig flatternde Vorhang zu "Entführung aus dem Serail" hebt, wird der Blick auf ein Bühnenbild freigegeben, das befremdlich wirkt. Denn das Haus von Bassa Selim im Zentrum sieht aus wie ein eindimensionaler Iglu, in dessen Front beliebig Türen und Fenster eingefügt sind. Während dieses merkwürdige Haus im auch im 3. Aufzug die Szenen beherrscht, sind es im 2. Aufzug kleine unregelmäßig gezackte Häuser, die ebenfalls keine Tiefe haben. Da sich hinter diesem Bühnenbild kein Konzept erschließt, ist die Gestaltung zwar interessant, aber leider (im wahrsten Sinne des Wortes) zu flach. Das ist besonders schade, da Watanabe sowohl für die Inszenierung als auch für das Bühnenbild sowie die Kostüme verantwortlich war, und somit die besondere Möglichkeit hatte eine Einheit zu schaffen. Einzig die Beleuchtung korrespondiert mit dem Bühnengeschehen, da die Szenen in passendes farbiges Licht getaucht werden, wie beispielsweise die rot ausgeleuchtete Liebesszene zwischen Blonde und Pedrillo.

 Bonn: DieEntführung aus dem Serail (Foto 1) Foto 1:
Verzweifelt versucht Belmonte (Mineo Nagata) den gewaltätigen Osmin (Reinhard Dorn) auf Distanz zu halten.

Aufgelockert wird die Szenerie allerdings durch kleine amüsante Ideen am Rande. So ergänzt Osmin gleich zu Beginn die Reihe von abgeschlagenen Köpfen, die an der Rampe (zum Wohle des Zuschauers mit dem Hinterköpfen zum Publikum) aufgestellt sind, durch ein weiteres Exemplar. Sie verfolgen dann wie Zuschauer den Abend. Gleichzeitig versetzt dieser makabere Spaß in die Stimmung der märchenhaften Handlung. Eine zauberhafte (!) Idee ist es Diener und Herr, der ja als Baumeister getarnt ist, im dritten Aufzug mit riesigen Bauklötzen spielen zu lassen. Schließlich baut Pedrillo ein Boot daraus, in das er sich setzt um weg zu rudern, wobei es naturgemäß von Belmonte angeschoben werden muß, doch dann gleitet es wie von Zauberhand alleine über den Boden.

Bonn: Die Entführung aus dem Serail (Foto 3) Foto 2:
Augenscheinlich kann sich Pedrillo (Eberhard Francesco Lorenz) Blondes Charme (Natalie Karl) nicht entziehen.

Kazuko Watanabe behält sich natürlich die meisten witzigen Einfälle für das Buffo-Paar (Blonde und Pedrillo) vor, dagegen agiert gerade Belmonte sehr statisch (,was allerdings dem Naturell des Tenors sehr entgegen zu kommen scheint). Oftmals schreiten sowohl Konstanze als auch Belmonte bedächtig über die Bühne, was dann aber so lange durchgehalten wird, daß sich eher Langeweile breit macht, als daß es irgendeine künstlerische Intention verdeutlichte.

Bonn: Die Entführung aus dem Serail (Foto 2) Foto 3:
Blonde ( Natalie Karl) hat Osmin ( Reinhard Dorn) voll im Griff.

Auf diese Weise bleiben die Charaktere der Hauptdarsteller fremd, dagegen wächst einem Blonde nahezu ans Herz. Außergewöhnlich quirlig setzt sie sich den Männern gegenüber durch, wobei sie nicht mit anzüglichen Gesten oder Bewegungen spart, ohne dabei peinlich zu wirken. Auch ihr Kostüm unterstreicht noch ihren Charakter, denn sie trägt ein vom Barock inspiriertes Kleid, das allerdings außergewöhnlich kurz geraten ist. Wenn hier auch eindeutig das weibliche Geschlecht dominiert, wie so häufig in Mozart-Opern, gestaltet die Regisseurin die Rolle von Blondes Partner Pedrillo ebenso liebevoll aus. Mal sehr aktiv mal feige agiert er da und gerade an den komischen Stellen ist er sehr präsent. Was für Komödianten in Eberhard Francesco Lorenz (Pedrillo) und Reinhard Dorn (Osmin) stecken, zeigen die beiden bei dem Duett "Vivat Bacchus! Bacchus lebe!".

Bonn: Die Entführung aus dem Serail (Foto 4) Foto 4:
Beim Wein lassen es sich Osmin (Reinhard Dorn) und Pedrillo (Eberhard Francesco Lorenz) gut gehen.

Osmin hat von seiner Rolle her natürlich nicht die Sympathien auf seiner Seite, doch er verkörpert den Grobian mit Witz. Aber abgesehen von der ausgezeichneten schauspielerischen Leistung glänzt Reinhard Dorn mit einer Baßstimme, deren Tiefe in Erstaunen versetzt. Um so ärgerlicher war es, daß das Orchester auf diese von Natur aus weniger tragende Stimme keine Rücksicht nahm, und gerade am Anfang einfach zu laut spielte.

Bonn: Die Entführung aus dem Serail (Foto 4) Foto 5:
Bassa Selim (Peter Brombacher) im Kreise seiner Untertanen (Chor der Oper).

Stimmlich beeindruckte auch Simone Kermes als Konstanze. Sie meisterte mit bewundernswerter Leichtigkeit ihre schwierigen Arien, wobei sie besonders mit einer ausdrucksstarken Höhe glänzte. Während Natalie Karl in der Partie der Blonde durch eine starke und schöne Klangfarbe der Stimme überzeugte. Nur Mineo Nagator als Belmonte fiel mit seinem knödelnden Tenor gegen diese hervorragenden Stimmen ab. So erntete er am Ende nicht den stürmischen Applaus wie seine Kollegen.



FAZIT
Eine ganz interessante und amüsante Produktion, aber etwas flach.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Marc Soustrot

Inszenierung, Bühne und Kostüme
Kazuko Watanabe

Choreinstudierung
Sibylle Wagner

Licht
Jürgen Zoch

Dramaturgie
Paul Esterhazy, Stephanie Twiehaus



Chor der Oper der Bundesstadt Bonn

Orchester der Beethovenhalle


Solisten

Bassa Selim
Peter Brombacher

Konstanze
Silvana Dussmann / Simone Kermes*

Blonde
Natalie Karl* / Barbara Kilduff

Belmonte
Matthias Klink / Mineo Nagata*

Pedrillo
Erik Biegel / Eberhard Francesco Lorenz*

Osmin
Reinhard Dorn* / Hans-Georg Moser

Soloquartett
Edeltrud Kahn
Tiina Sahrio
Pedro Velazquez
Karl Valent

* Premierenbesetzung


Weitere Informationen
Oper der Stadt Bonn (Homepage)



Da capo al Fine

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