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"Weltnase": Jörg Immendorff trifft Nikolai Gogol und Dmitri Schostakowitsch
Von Nancy Chapple
Seit einigen Wochen spielt Dmitri Schostakowitschs Oper Nos aus dem Jahre 1928 in einer neuen Produktion an der Staatsoper Unter den Linden Berlin. Bei der Lektüre Gogols 1836 entstandener Novelle fragt man sich: was muss der Autor wohl gedacht haben, als er absurde Ereignisse aneinanderreihte wie andere Autoren erst hundert Jahre später? Eine zeitgemäße Interpretation dieses Werks setzt nicht mehr indirekte Ausdrucksmittel ein, sondern verarbeitet explizit die aufgeworfenen sexuelle Fragen. Wer denkt auch nicht sofort an Entmannung, wenn ein Mann eines Morgens aufwacht und zu seinem Entsetzen feststellt, dass ihm die "Nase" fehlt? Seine ganze Identität ist verloren, er möchte lieber sterben, als "ohne" weiterzuleben. Die Hauptrolle, Platon Kusmitsch Kowaljov, wurde an diesem Abend (dem 26. November) geteilt, da der Sänger Sten Byriel an den Stimmbändern erkrankt war: Byriel spielte, Tomas Möwes sang. Die szenische Interpretation der Rolle war für Möwes in der kurzen Zeit nicht erlernbar, da Kowaljow pausenlos in Bewegung ist. Die Staatskapelle saß auf der vorderen Hälfte der Bühne, kostümiert in goldfarbenen "Spaceman"-Anzügen mit Kopfhauben. Die Musiker wurden umringt und durchdrungen von den Schauspielern. Die Musik der Oper ist nicht sofort zugänglich. Trotz einiger schönen Stellen bleiben andere nicht lange in der Erinnerung. Sprechgesang, leicht ironische Umarbeitungen von Marsch- und Tanzmusik und komplexe instrumentale Passagen wechseln ab. Das Orchester unter Kent Nagano hatte die komplexe Partitur voll im Griff und sichtlich Spaß daran, teilweise ins Spiel mit einbezogen zu sein. Jörg Immendorffs Bühnenbild und Kostüme prägen das Stück. Hier wird alles interpretiert, ausgelegt, nichts stellt nur sich selbst dar. Oft sind die inszenierten Bilder spannend, wenn auch ins Manierierte neigend, gelegentlich weniger effektiv. Eine sehr spannende Szene fand in der Zeitungsredaktion statt, wo Kowaljow sich vergeblich bemüht, eine Anzeige wegen verlorengegangener Nase abzugeben. Alle Redakteure werden zu sensationsheischenden Bildjournalisten, jeder mit einem immensen phallischen Fotoapparat vor dem Bauch. Für das Publikum nicht sichtbar öffnet Kowaljov auf der Suche nach Mitgefühl seinen Anzug, um zu zeigen, was er nicht hat: "Die Stelle ist absolut glatt, als wäre sie ein frisch gebackener Pfannkuchen". In einem anderen Bild sind Kritikerzitate zu anderen Aufführungen Immendorffs groß auf der hinteren Bühnenwand zu sehen, rot auf schwarz und schwarz auf rot. Die intensiven Farben passen gut zu der Szene des Briefwechsels, musikalisch umgesetzt in einer komplexen Fuge. Aber die tatsächlichen Zitate vom Stern und Spiegel scheinen überflüssig. Im Verlauf des Abends wird alles noch extremer: 10 Fußballspieler in knallgrünen Shorts und Fußballschuhen lungern herum und geben den Männerchor. Das Stück enthält viele Rollen, und diese Anforderung wird auch als Grund für die seltenen Aufführungen mit angegeben. Fast alle wurden schön gesungen. Besonders herausragend waren Carola Höhn in der Rolle der Tochter von Podtotschina und die Brezelverkäuferin, gespielt von Adriane Queiroz.
Spannendes Theater und schöne Stimmen bei einer gewagten Interpretation von Schostakowitschs selten gespielter Oper Nos. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild und Kostüme
Chöre
Dramaturgie Orchester/ChorStaatskapelle BerlinStaatsopernchor SolistenPlaton Kusmitsch KowaljowSten Byriel Tomas Möwes
Iwan Jakowlewitsch, Barbier
Wachtmeister
Konrad Nachtigall
Iwan, Diener des Kowaljow
Die Nase (ein Staatsrat)
Alexandra Grigorjewna Podtotschina
Tochter der Podtotschina
Eine vornehme Matrone
Praskowja Ossipowna
Brezelverkäuferin
Beamter einer Anzeigenredaktion
Iwan Iwanowitsch
Bahnwärter
Lakai
Portier
Eine Mutter
Oberst
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