Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Verdrießliches "Zwischen Mitternacht und Morgen"
Von Peter Bilsing / Fotos von Thilo Beu Gleich zweimal wird in Essen Tschaikowskys Schwanensee gemeuchelt: im Orchestergraben und parallel auf der Bühne. Bei Dirigent Pietro Rizzo kam nun gar nichts mehr zusammen solche Interpretation hätte man auf dem Konzertpodium sicherlich von der Bühne gezischt. Schlimm, schlimm. Alles klang wie nie geprobt, zumindest nicht mit diesen paar Musikern.
Der Orchestergraben schien von oben nur halb gefüllt. Gibt es etwa eine Lessingsche Fassung für kleine Orchester? Aus dem Programmheft geht das nicht hervor. Aus meinen Lexika auch nicht. Alles in allem ein nerviges Tschingderassabum ohne Streicherwärme, ohne Herz und bar jeder Empathie für den großen musikalischen Bogen. Kann es vielleicht sein, daß der im Italienischen Fach hervorragende Rizzo (über den ich mich schon ausgiebig lobend geäußert habe) mittlerweile ein bißchen zuviel dirigieren muß? Oder ist das der übliche Schlendrian, wenn der Hausherr abwesen ist? Schlechter habe ich das Werk selten gehört. Auf der Bühne eine Neuinterpretation, die Choreograph Stephan Thoss allerdings schon in Hannover vorgestellt hatte. Worum geht es ihm. Zwischen Mitternacht und Morgen lautet sein Untertitel: Die jung verliebte Odette wird in ihren Gefühlen (der erste Akt spielt in einer Bar) vom charismatischen Macho Rotbart derart verletzt, dass sie sich in eine Traum-Welt (?) zurückzieht, in der sie zum Schwan mutiert Schutz zu finden glaubt. In diesem mit Schwanenfedern bedachten Raum (2.Akt) finden sich gleichgesinnt Enttäuschte; u.a. Siegfried, der echte Gefühle für Odette empfindet. Der 3./4. Akt lassen sich kurz zusammenfassen: Mit Hilfe der verführerischen Odile gelingt es Rotbart, die Beziehung zu zerstören. Im Triumvirat der Glücklosigkeit ernsthafter Liebe scheitern schließlich alle.
Was (wie verlautet) in Hannover begeisterten Beifall fand, rührt in Essen kaum Hände, geschweige denn Herzen. Was sollte auch zu Herzen gehen? Simpel gestricktes Diskogehampel, das zwar exakt rhythmisiert choreographiert wird, aber den großen Bögen der Musik geradezu diametral entgegenwirkt? Tänzerinnern, die permanent ihr hochgezogenes Schwanen-Tutu festhalten müssen, damit sie nicht barbusig dastehen?
Kann man überhaupt modernes Tanztheater auf ein klassisch-romantisches Ballett aufpfropfen? |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Choreographie
Bühne und Kostüme
SolistenOdetteTaciana Cascelli Yoo-Jin Jang
Siegfried
Rotbart
Odile
|
© 2006 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de