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Ariadne auf Naxos

Oper in einem Aufzuge nebst einem Vorspiel
von Hugo von Hofmannsthal
Musik von Richard Strauss


in deutscher Sprache mit deutschen Übertiteln
Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Theater Krefeld am 19. Januar 2008


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Theater Krefeld-Mönchengladbach
(Homepage)
Was bitte verschlägt Rudolf Mooshammer auf eine wüste Insel?

Von Stefan Schmöe / Fotos von Matthias Stutte


Geplant war Ariadne auf Naxos ursprünglich als Einlage in Molières Komödie Der Bürger als Edelmann. Nach dem gemeinsamen Rosenkavalier entwarf Librettist Hugo von Hofmannsthal eine Kammeroper im Rückgriff auf Formen des Barock – schon Moliére hatte seine Komödie mit der Musik Lullys aufgeführt. Strauss komponierte eine Overtüre und einige Musiknummern als Schauspielmusik, dazu sollte der Einakter, die eigentliche Oper, als „Theater auf dem Theater“ eingeschoben werden. Die Kontrastierung von commedia dell'arte mit den hehren Idealen der mythologisierenden opera seria entspricht den gegensätzlichen Operntypen der Moliére-Zeit, und der historisierende Ansatz ist zumindest aus Sicht von Hofmannsthals eine bewusste Abkehr vom durchkomponierten und überpsychologisierenden Musikdrama. Durchsetzen konnte sich das 1912 uraufgeführte Gesamtkunstwerk aus Schauspiel, Oper und Tanz jedoch nicht; schon die überbordende Länge dürfte dem Grundgedanken des Kammerspiels entgegen gestanden haben. Widerum Hofmannsthal kam auf den Gedanken, die Oper aus dem Molliére-Kontext zu lösen und mit einem umfangreichen szenischen Vorspiel zu versehen, das die merkwürdige Handlung erklärt: Innerhalb dieses Vorspiels fordert der Auftrag- und Geldgeber der Oper Ariadne auf Naxos zum Entsetzen des Komponisten, dass Oper und Harlekinade gleichzeitig aufgeführt werden sollen.

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Ein tiefer, kaum möblierter und dürftig erleuchteter Raum im Hause eines großen Herrn.Links der Tanzmeister (Walter Planté) im Mooshammer-Look mit Schoßhund, in der Mitte der Haushofmeister (Reiner Roon) und rechts der Musiklehrer (Christoph Erpenbeck)

Für jede Inszenierung stellt sich da sofort die Frage, wie die drei Handlungsebenen verknüpft werden können: Die „wüste Insel“ der von Liebhaber Theseus verlassenen Ariadne, die sich in Liebestreue nur noch den Tod herbei sehnt; die venezianische Harlekinade um die (ganz zufällig auch auf der Insel weilende) „ungetreue Zerbinetta“ und die Rahmenhandlung im Hause eines schwerreichen Wiener Kunstmäzens. In Krefeld wischt Regisseur Wolfgang Lachnitt die Problematik kurzerhand vom Tisch: Aus drei mach eins ebnet er die Kontraste (aus denen heraus die Oper doch eigentlich entstanden ist) szenisch ein und verquirlt die Sphären bis zur Ununterscheidbarkeit. Das Bühnenbild von Rüdiger Tamschick zeigt eine Art Zirkusmanege oder säulenumstandene Rotunde, deren Hauptzweck es ist, zum Finale wie ein Sonnenkranz aufzuleuchten. Besonders eindrucksvoll sieht das nicht aus, zumal die Bühne mit Bauelementen für ein rundes Podest und allerlei Möbelstücken zugestellt ist. Jeder Zeitbezug wird vermieden (auch im Vorspiel). So wird aber den ohnehin zeitlosen Handlungsebenen um Ariadne und Zerbinetta die notwendige Verankerung genommen: Wenn sowieso alles mit allem verwoben ist, wird die „Spiel-im-Spiel“-Situation aufgehoben. Damit bricht aber auch das artifizielle Konstrukt Hofmannsthals und Strauss' in sich zusammen. Übrig bleibt eine ziemlich unsinnige Handlung ohne Motivation - also das, was von Hofmannsthal und Strauss gerade nicht wollten.

Vergrößerung in neuem Fenster Der Komponist (Kerstin Brix) mit fast trunkener Feierlichkeit: "Musik ist eine heilige Kunst, zu versammeln alle Arten von Mut wie Cherubim um einen strahlenden Thron!".

Diese Problematik setzt sich in den Kostümen von Elke König fort. Auch hier werden die Gegensätze aufgehoben; die Nymphen Ariadnes tragen bürgerliche Tracht, allerdings bewusst karikierend, was sie wiederum den Komödianten annähert. Der Tanzmeister des Vorspiels ist eine schrille Mooshammer-Parodie (mit Hündchen Daisy als Plüschtier). Das alles ist reichlich beliebig und ziemlich scheußlich anzuschauen. Irgendwie findet der Regisseur in dem von ihm initiierten Kuddelmuddel dann doch noch eine halbwegs erzählenswerte Geschichte, in der sich Komponist und Zerbinetta ineinander verlieben (und um Liebe geht es natürlich auch in der Ariadne-Handlung, was ja irgendwie dazu passt). Daher läuft der Komponist auch im Hauptteil, wo er laut Textbuch und Partitur längst ausgesungen hat, noch ausgiebig über die Bühne. Und man muss der Regie immerhin lassen, dass sie mit einer ausgefeilten Personenregie aufwartet. Mein weiß zwar oft nicht so genau, aus welchem höheren Sinn eine Figur gerade diese oder jene Geste macht oder Grimasse schneidet, aber das ungeheuer spielfreudige Ensemble tut dies mit bewundernswertem Engagement.

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Ariadne (Dara Hobbs) an der Erde "Wo war ich? tot? und lebe, lebe wieder / Und lebe noch? "

Überhaupt ist der Abend ungeachtet der wenig überzeugenden Regie ein Triumph des famosen Krefeld-Mönchengladbacher Ensembles, wozu auch das Orchester zu zählen ist. Wie man die scheinbar widersprüchlichen Sphären musikalisch unter einen Hut bringt, führt Graham Jackson am Pult der bestens disponierten Niederrheinischen Sinfoniker vor. Die Stimmungswechsel sind nie überrumpelnd, sondern immer fein vorbereitet. Trotz der kleinen Besetzung – Strauss hat das Orchester für diese Oper auf 36 Musiker reduziert – kommt die raffinierte Instrumentation hervorragend zur Geltung. Graham nimmt das Orchester im Vorspiel stark zurück, begleitet fast trocken den hier vorherrschenden Parlando-Tonfall, um dann die große Szene des Komponisten umso farbiger aufleuchten zu lassen. Die Ariadne-Welt wird in typisch Strauss'scher Schwelgerei zelebriert, ohne je in Sentimentalität abzugleiten.

Vergrößerung in neuem Fenster "Kam der neue Gott gegangen, Hingegeben war ich stumm! " Ariadne (Dara Hobbs, l.) und Zerbinetta (Jeanette Warnecke)

Kerstin Brix in der Rolle des Komponisten trifft den Tonfall zwischen Parlando und Arioso ideal. Mit knabenhafter Erscheinung singt sie mit jugendlicher Emphase, jederzeit beweglich und strahlend nicht nur in der Höhe. Szenisch hat sie die dankbarste Partie und spielt dies anrührend aus. Dabei gehen Musik und Spiel ideal ineinander über; dieser Komponist kämpft mit heiligem Ernst um sein Werk. Mit außerordentlicher Intensität gestaltet auch Dara Hobbs die Partie der Ariadne, geht bis an ihre stimmlichen Grenzen – dieser Frau nimmt man ab, dass sie mit großer Leidenschaft um Leben und Tod singt. Zielgerichtet phrasiert sie die Spannungsbögen mit langem Atem. Wenn der eine oder andere Spitzenton an Farbe verliert, dann deshalb, weil purer Schöngesang hier nur die halbe musikalische Wahrheit wäre. Die große und volle Stimme hat dramatische Kraft, ist zudem höhensicher. Nur schade, dass dem Regisseur zu dieser Figur nicht viel eingefallen ist – schon gar nicht im Vorspiel, wo sie als Primadonna ein unscheinbares Schattendasein fristet.

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Bacchus (Timothy Simpson): "Die Glieder reg' ich in göttlicher Lust!
Die Höhle da! Lass mich, die Höhle deiner Schmerzen
Zieh' ich zur tiefsten Lust um dich und mich!"

Als Bacchus verfügt Timothy Simpson über einen standfesten, in der hohen Lage etwas engen und nicht ganz unangestrengten Heldentenor, der in dieser ziemlich undankbaren „Schreipartie“ Durchhaltevermögen beweist. Jeanette Warnecke ist eine Zerbinetta mit heller, zarter und sehr leichter Stimme. Sie singt ihre große Szene makellos – mehr ein virtuoses Konzert für Stimme und Orchester denn eine Arie. Was man noch wünschen könnte sind die kleinen melancholischen Schattierungen, zu denen es der Stimme an Gewicht fehlt. Sehr schön harmoniert das nuanciert singende Nymphentrio (Debra Hays, Uta Christina Georg, Isabelle Razawi). Eindrucksvoll agiert Reiner Roon in der Sprechrolle des Haushofmeisters. Aber auch alle hier nicht genannten fügen sich bestens ein in ein durchweg überzeugendes, rollendeckendes und sehr engagiert spielndes und singendes Ensemble.


FAZIT

Pardon, aber was Herrn Mooshammer nun in dieses Stück verschlagen hat, das wissen wir auch nicht. Vor den dieser Oper Form gebenden Gegensätzen kapituliert die Regie widerstandslos – konzeptionell wie ästhetisch. So muss man sich an die Musik halten, und die wird auf sehr hohem Niveau zu Gehör gebracht.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Graham Jackson

Inszenierung
Wolfgang Lachnitt

Bühne
Rüdiger Tamschick

Kostüme
Elke König

Dramaturgie
Ulrike Aistleitner


Die Niederrheinischen Sinfoniker


Solisten

* Besetzung der Premiere

Der Haushofmeister
Rainer Roon

Ein Musiklehrer
Christoph Erpenbeck

Der Komponist
* Kerstin Brix /
Uta Christina Georg

Ein Tanzmeister
Walter Planté

Ein Offizier
Alexander Bächle /
* Rochus Triebs

Ein Perückenmacher
* Frank Rammelmüller /
Bernhard Schmitt

Ein Lakai
Jong-Ho Park /
* Zbigniew Szczechura

Tenor / Bacchus
* Timothy Simpson /
Hans-Jürgen Schöpflin

Primadonna / Ariadne
Dara Hobbs

Najade
Debra Hays

Dryade
* Uta Christina Georg /
Katharina Ihlefeld

Echo
* Isabelle Razawi /
Pia Melenk

Zerbinetta
* Jeannette Wernecke /
Isabelle Razawi

Brighella
Luis Lay

Scaramuccio
Markus Heinrich

Harlekin
Michael Kupfer

Truffaldin
Matthias Wippich



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