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Musiktheater
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Die Zauberflöte

Oper von Wolfgang Amadeus Mozart
Text von Emanuel Schikaneder


Aufführungsdauer: ca 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Köln am 20. September 2008


Logo: Oper Köln

Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)

Die Vampire von der Shilo-Ranch

Von Stefan Schmöe

Ab in die Kiste: Kaum haben Pamina und Tamino die Prüfungen zwischen Feuer und Wasser überstanden, lassen sie sich sitzend in den bereit gestellten, mit Samt ausgeschlagenen Särgen nieder und basteln sich aus Pappe goldene Krönchen. Derweil besingt der Chor, mit Melone, aber ohne Schirm und Charme in schwarze Einheitskleidung gehüllt, das Reich der Sonne, in dem Sarastro und seine Priester als geschlechtslose Zombies herumgeistern – kahlköpfig mit irgendwie barocken Reifröcken, alle in schwarz gekleidet. Im Reich der Königin der Nacht sieht man nicht viel anders aus, nur das man hier in Umkehrung der Schikaneder-Mozartschen Tag-Nacht-Symbolik Weiß trägt. Diese Zauberflöte ist ein Gruselstück aus dem Reich der Vampire.

Tamino tritt gleich dreifach in Erscheinung: Ein Sänger, ein Tänzer (der allerdings nicht tanzt, sondern nur steht, sitzt oder liegt) und eine Sprecherin ( auch die Frauenstimme bildet hier ein Moment der Geschlechtslosigkeit) verkörpern ihn. Zunächst stehen Sänger und Sprecherin im Anzug am Bühnenrand, der Tänzer sitzt mit einem Kostüm zwischen Torero und Barockfürst in der Mitte. Im Verlauf des Stückes wechseln Sänger und Tänzer ihre Kleidung (schließlich geht's hier um eine Wandlung Taminos), und weite Teile des Textes sind der Sprecherin überlassen, die sie ins Mikrophon spricht, wodurch sie per Lautsprecher aus dem Off wie vom Himmel erklingen – und nicht nur Taminos originäre Textpassagen, sondern auch etliche der anderen Protagonisten, die hier Tamino mehr in den Sinn als in den Mund gelegt werden: Die Zauberflöte als Gedankengebäude Taminos. Ob das Element des Todes ein indirekter Verweis auf den todkranken Mozart, der kurz nach der Uraufführung starb, sein könnte, bleibt offen, konkrete Hinweise sind nicht erkennbar.

Das Problem dieser Inszenierung von Peer Boysen ist weniger, dass sie in ihrer nekrophilen Stimmung offensichtlich gegen Mozarts und Schikaneders Intentionen ausgerichtet ist – ein kontrapunktischer Regieansatz dürfte ja durchaus die Sehgewohnheiten hinterfragen – als vielmehr darin, dass weder ein klares Konzept erkennbar ist noch die Leitideen wirklich „funktionieren“. Die Verdreifachung Taminos wirkt aufgesetzt, wenig überzeugend und phasenweise unbeholfen, wenn Tamino irgendwie auf der Bühne agieren muss. Sarastro wie die Königin verlieren im Einheitskostüm, das auch die königlichen Damen wie die Priesterkaste tragen, ihre Individualität. Die Sphäre des Volkstheaters mit ihren komödiantischen Elementen will gar nicht in die düstere Atmosphäre passen, und so wird der clowneske Papageno (in schwarz, also eher der Sarastro-Sphäre zugeordnet) zu einer reichlich überflüssigen Figur. Monostatos ist sein Spiegelbild in Weiß (wie die Königin) – auch das ist reichlich aufgesetzt. Und Tamino wird eingangs der Oper nicht von einer Schlange bedroht, sondern Sarastro hält ihm Pamina vor – was nach reichlich verquerer Tiefenpsychologie riecht.

Boysen ist nicht nur für die Regie, sondern gleich auch noch für die komplette Ausstattung verantwortlich. Rätsel gibt auch das Bühnenbild auf: Der leere Bühnenraum ist von einem Holzzaun umgeben, drei Tore verweisen auf dessen Funktion als Weisheitstempel – sehen aber mehr nach der etwas zu sauberen Ranch in einem drittklassigen Western aus, wie auch die Holzwagen, die ab und zu benötigt werden. Diverse Wind- und Donnermaschinen auf der Bühne spielen auf barockes Maschinentheater an, ebenso die gestaffelten, in Schwarz-Weiß gehaltenen Prospekte, die gelegentlich vom Schnürboden gelassen werden. (Warum aber stellen diese die römische Piazza del Populo, kombiniert mit Konstantinsbogen, dar?) Mit dem Hinweis, die Zauberflöte selbst sei ja eine Collage aus heterogenen Elementen, gar ein „Machwerk“, ist es nicht getan – ein solcher Ansatz, also ein bewusstes Nebeneinander divergierender Zeichen- und Symbolcodes, ist auch nicht zu erkennen. Eher verstärkt sich der Eindruck, dass der Regisseur zunehmend den Überblick verloren hat.

Eines immerhin muss man der Regie lassen: Durch die Fokussierung der Textpassagen auf die Figur des Tamino ist die Inszenierung recht kompakt geworden. Wo sich andere Produktionen in der Vielzahl kleiner Szenen und langer Dialoge verzetteln, geht es hier bündig und konzentriert zur Sache. Mit weniger als drei Stunden Spieldauer (Pause eingeschlossen) liegt man in Köln gut in der Zeit: In Düsseldorf dauert die Oper eine halbe, in Essen eine ganze Stunde länger. Auch verschiebt sich, teils bewusst, teils durch die Unzulänglichkeiten der Regie ungewollt, der Schwerpunkt auf die Musik, die in der merkwürdigen Friedhofsatmosphäre weitgehend gut zur Geltung kommt.

Dirigent Markus Stenz findet mit dem insgesamt guten, in manchem Detail wie so oft ungenauen Gürzenich-Orchester einen kammermusikalischen, geradezu introvertierten Tonfall – eine Zauberflöte der leisen Töne zum genauen Hinhören. Die Tempi sind flott, fast unruhig, aber in sich schlüssig. Stenz arbeitet die spezifischen Klangfarben der einzelnen Szenen heraus; stellt die vom gesetzten Bläsersound getragenen Priesterszenen der hellen, fast unwirklichen Sphäre der Glockenspiel-Celesta gegenüber. Die Musik erscheint aufgerauht, von jeder konventionellen Behäbigkeit befreit. Mitunter geht das zu Lasten der Sänger, insbesondere der drei Knaben – die allerdings in erster Linie Opfer der Regie werden, die im Grunde nichts mit ihnen anzufangen weiß und sie vom Schnürboden weit im Bühnenhintergrund einschweben lässt. Premieren-Nervosität (immerhin sind die drei Knaben des Kölner Domchores die einzigen Musiker, die – noch – keine „Profis“ sind), des großen Abstand wegen fehlender Kontakt zum Dirigenten und risokoreiches Dirigat führten jedenfalls dazu, dass manche Passagen geradezu abstrus auseinander liefen.

Aufhorchen lässt Benjamin Bruns als lyrisch empfindsamer, gleichzeitig glanzvoller Tamino mit noch ganz leichten Schärfen in der Stimme – da könnte ein wirklich großer Tenor heranreifen. Der Pamina von Kristiane Kaiser kommt der zurückgenommene Orchesterklang entgegen, weil sich dadurch ihre schöne und leuchtkräftige, allerdings recht kleine Stimme gut entfalten und mit den Instrumentalfarben mischen kann. Pieksauber und scheinbar mühelos bewältigt Agnete Munk Rasmussen den stimmakrobatischen Anteil der Königin-Partie, wobei sie mit liedhaftem und sanften, jeder metallischen Schärfe entbehrendem Timbre kaum den Anspruch königlicher Macht einzulösen vermag – eher klingt das nach einer Rossini-Buffa. Kraft- und farblos (und dennoch – von wem eigentlich? – umjubelt) bleibt der Sarastro von Mischa Schelomianski, der zudem in den Arien, ganz gegen die Intention des Dirigenten, zum Verschleppen der Tempi neigt. Solide, wenn auch ein wenig brav ist der Papageno von Stephan Genz (gleiches gilt für sein Spiegelbild Monostatos, gesungen von Johannes Preißinger), jugendlich strahlend die Papagena von Csilla Csövári. Prägnant und gut mit dem fahlen Orchesterklang abgestimmt singen Sprecher (Wilfried Staber) und Geharnischte (Alexander Fedin, Jong Min Lim), uneinheitlich die königlichen Damen: Ordentlich bis unauffällig Ausryne Stundyte, präsent und strahlend Regine Richter, unscheinbar Viola Zimmermann. Tänzer Benito Marcelino zeigt gute Figur und Körperspannung zum aktionslosen Spiel, Corinna Beilharz spricht den Tamino-Text mit geheimnisvoller Entrücktheit. Sehr differenziert und mit vielen klanglichen Nuancen singt der von Andrew Ollivant einstudierte Chor.


FAZIT

Eine ziemlich wirre, wenig plausible Inszenierung, musikalisch immerhin mit mehr Höhen als Tiefen. Das Dirigat von Markus Stenz und das gute „hohe Paar“ trösten über manche Unzulänglichkeit hinweg.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Markus Stenz

Inszenierung,
Bühne und Kostüme
Peer Boysen

Licht
Hans Toelstede

Chor
Andrew Ollivant


Statisterie der Oper Köln

Chor der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

* Besetzung der Premiere

Pamina
Kristiane Kaiser

Tamino
* Benjamin Bruns /
Hauke Möller

Königin der Nacht
* Agnete Rasmussen /
Katharina Leyhe

Sarastro
Günther Groissböck /
Mischa Schelomianski

Papageno
* Stephan Genz /
Gerardo Garciacano

Papagena
* Csilla Csövári /
Susanne Niebling

1. Dame
* Ausrine Stundyte /
Machiko Obata

2. Dame
* Regina Richter /
Adriana Bastidas Gamboa

3. Dame
* Viola Zimmermann /
Christina Khosrowi

Monostatos
* Johannes Preißinger /
Andrés Felipe Orozco Martinez

Priester
Sprecher
* Wilfried Staber / Johannes Beck

Erster Geharnischter
Alexander Fedin

Zweiter Geharnischter
Jong Min Lim

1. Knabe
Herwig Hampl

2. Knabe
Anton Krings

3. Knabe
Peter Hofmann


Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Bühnen der Stadt Köln
(Homepage)





Da capo al Fine

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