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Im Bann von Marquez' DämonenVon Stefan Schmöe / Fotos: Paul LeclaireDer Titel täuscht. Liebe, ja - aber andere Dämonen, die sucht man vergebens. Es sei denn, man glaubt an Dämonen, die einen in wilde Zuckungen versetzen oder verkrampft auf der Opernbühne herumhopsen lassen (aber das sind dann doch wieder nur Bilder für den einen Dämon, die Liebe eben). Wenn die zwölfjährige Sierva Maria im Moment der totalen Sonnenfinsternis von einem tollwütigen Hund gebissen wird, dann ist das eine Initiation, das Ende der Kindheit, und fortan wird sie den Liebesdämon nicht mehr los. Etwas unklar bleibt in der Inszenierung von Silviu Purcarete allerdings, ob dieser Dämon für das Mädchen selbst oder für die Gesellschaft um sie herum oder speziell die Männer gefährlich wird. Jedenfalls soll ihr der Dämon im Kloster ausgetrieben werden (das tagesaktuelle Thema Pädophilie hinter Klostermauern bleibt, dem Regisseur sei Dank, ausgeklammert). Natürlich verliebt sich der junge Pater, der den Dämon austreiben soll, in das Mädchen, das am Ende dennoch stirbt, musikalisch sehr schön übrigens, zu zarten Celestaklängen. Im Himmel wird sie sicher auf Debussys ähnlich zart entschwebte Melisande treffen. Sierva Maria (Anna Palimina, rechts) und Sklavin Dominga (Jovita Vaskeviciute)
Peter Eötvös (geboren 1944) hat Liebe und andere Dämonen nach dem gleichnamigen Roman von Gabriel García Márquez geschrieben, in spanischer, lateinischer, in den allermeisten Passagen allerdings englischer Sprache (hinzu kommt noch Yoruba, eine afrikanische Sprache, die als Geheimsprache der Sklaven dient). Ganz plausibel ist die Dominanz des Englischen nicht, vom Klang her scheint das Spanische authentischer, zumal das Bühnenbild die Geschichte in einem schäbigen, offenbar lateinamerikanischen Kirchenbau verortet vielleicht war diese Entscheidung auch ein Zugeständnis an den Auftraggeber, das Glyndeborne Festival und die BBC. Die Kölner Oper hat jetzt die Uraufführungsinszenierung von Silviu Purcarete vom August 2008, die auch schon in Vilnius zu sehen war, übernommen (nachdem die Chemnitzer Oper mit einer eigenen Inszenierung die deutsche Erstaufführung auf die Bühne gebracht hat unsere Rezension). Ein bisschen schade ist es schon, dass hier keine neue Interpretation zu sehen ist, zumal Purcaretes dekorativer Ansatz zwar alles irgendwie richtig macht,a ber gerade deshalb ziemlich uninteressant bleibt: Der magische Realsimus der Romanvorlage mit seinem Bilderreichtum wird von Eötvös raffiniert mit musikalischen Bildern ausgefüllt, keineswegs anbiedernd, aber oft sehr suggestiv; wenn da auch noch die Inszenierung große passende Bilder beisteuert, die mit Musik und Text bestens korrespondieren, dann erscheint vieles redundant, ja gedoppelt oder verdreifacht. Einen wirklich berührenden Kern allerdings findet die Aufführung dadurch nicht. Don Ygnazio (René Kollo) Dabei hat Purcarete durchaus Maß gehalten. Unverstellt erkennt man in der halbwegs realistischen Ausstattung von Helmut Stürmer, dass alles nur Kulisse ist; eine leichte Verfremdung liegt über der Bühne, ein bisschen werkimmanente Symboldeuterei (wenn etwa Pater Delaura sich in Sierva verliebt und postwendend von dämonischen Zuckungen heimgesucht wird) alles nicht falsch und unter Aufbietung der aktuellen Bühnentechnik Video muss sein - auch handwerklich ordentlich gemacht. Aber es bleibt ein Unbehagen, dass hier alles zu sehr in sich kreist und trotz mancher szenischen Reduktion letztendlich dem kolumbianischen Sujet huldigt. Da bekommt der magische Realismus unfreiwillig eine Schlagseite zum Exotismus. Aber das ist wohl auch Geschmackssache: Vom überwiegenden Teil des Publikums wurde die Premiere mit großem Jubel aufgenommen, Regisseur wie Komponist eingeschlossen. Sierva (Anna Palimina) und Pater Delaura (Miljenko Turk)
Das liegt ganz sicher auch an der außerordentlich guten musikalischen Umsetzung. Anna Palimina gelingt es nicht nur bewundernswert, glaubwürdig die Partie einer Zwölfjährigen zu spielen, sondern sie brilliert mit strahlenden, punktgenau sitzenden Koloraturen. Es ist weniger das durchaus volle Timbre der Stimme als der kecke Gestus, der sie auch vokal mädchenhaft erscheinen lässt. Als Pater Delaura wirbt Miljenko Turk mit generösem Kavaliersbariton um sie, großformatig und elegant. René Kollo imponiert als Siervas Vater mit seinem immer noch strahlenden und vollen, nie angestrengten und immer kultivierten Tenor. Adriana Bastidas Gamboa ist eine im Kloster gefangene Mörderin von hoher Präsenz und zupackendem Ton. Jovita Vaskeviciute als Sklavin Dominga und Vladimiras Prudnikovas als Bischof, beide mehr als solide Besetzungen, haben schon in den Aufführungen in Vilnius mitgewirkt. Dalia Schaechter als Nonne Josefa singt ordentlich, der dünne Charaktertenor von John Heuzenröder als Arzt ist rollendeckend. Teufelsaustreibung: Sierva (Anna Palimina) Bestechend schön ist der flirrend-leuchtende Klang der acht Choristinnen, die ganz entscheidend zur Aura der Oper beitragen. Sehr gut präsentiert sich das Gürzenich-Orchester. Die Auffächerung in zwei räumlich getrennte Gruppen ist im seitlichen Bereich des Parketts allerdings kaum auszumachen. Dirigent Markus Stenz leitet die Aufführung mit viel Gespür für die Farbtöne des Werkes. Es gelingt ihm ausgezeichnet, Sänger und Orchester auszutarieren. Auch dass er die dramatischen Szenen wie die Teufelsaustreibung nicht über Gebühr plakativ angeht, trägt zum geschlossenen Eindruck bei, den die Komposition hinterlässt.
Musikalisch imponierend. Szenisch dürfte noch größere Strenge walten, auch mehr Wille zur eigenständigen Interpretation, um Gabriel García Marquez' Dämonen in den Griff zu bekommen. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Spielleitung
Bühne und Kostüme
Licht
Video
Dramaturgie
SolistenSierva MariaAnna Palimina
Don Ygnacio
Dominga
Pater Delaura
Don Toribio
Josefa Miranda
Martina Laborde
Abrenuncio
Choristinnen (Chor der Oper Köln)
Yoshiko Kaneko-Schüler Ewa Janulek Ibolya Nagy Martina Sigl Astrid Schubert Marie-Line Sandle Maria Dries
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- Fine -