![]() ![]() |
Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
![]() ![]() ![]() ![]() |
|
Eine Nymphe (fast) wie Du und Ich
Von Joachim Lange / Fotos gibt's nicht
Platée ist bei Jean-Philippe Rameau (1683-1764) eine eitle, mannstolle Sumpfnymphe. Also bestens geeignet, um zum Spielball einer göttlichen Intrige zu werden, mit der Jupiter die Zweifel von Ehefrau Juno an seiner ehelichen Treue zerstreuen will. Was ihm mit diversen Hilfstruppen und einigem barocken Theaterdonner und pyrotechnischem Aufwand, eingestreuten Tanzeinlagen und Zwischenrufen allegorischer Gestalten auch gelingt. Platée wird bei einer für Juno fingierten Hochzeit mit Jupiter als Braut ausstaffiert, ist aber wegen ihrer Hässlichkeit (in den Augen der anderen) für Juno so außerhalb jeder Diskussion und damit ernsthaften Eifersucht, dass sich die olympischen Herrschaften und ihr Publikum am Ende, wie geplant, vor Lachen ausschütten und der göttliche Ehefrieden zumindest kurzzeitig wieder hergestellt ist. Dass Platée dabei als Kollateralschaden des göttlichen Schabernacks zurückbleibt, interessiert in der Chefetage des Stückes und bei der Hochzeit am Hof von Versaille, für die die Oper 1749 geschrieben wurde, (noch) niemanden. Dass Händel ins Repertoire gehört, ist heute keine Frage mehr. An der Deutsche Oper am Rhein in Düsseldorf/Duisburg machen sind Konrad Junghänel und seine mit historischen Instrumenten bestückte Neue Düsseldorfer Hofmusik gerade zum Anwalt für Händels französischen Kollegen Rameau. Nach der von Arila Siegert im vergangenen Jahr inszenierten Comédie-Ballet Les Paladins und dieser Platée wird in der nächsten Spielzeit mit einer Produktion von Castor et Pollux ein kleiner Rameau-Zyklus komplettiert. Im Falle von Platée kommt aber zur unbestrittenen musikalischen Qualität noch etwas anderes hinzu. Man muss nämlich gar nicht allzu lange suchen, um aktuelle Beispiele dafür finden, wie sich auch heutzutage Menschen vor einem vergnügungssüchtigen Publikum und in der Regie skrupelloser Strippenzieher für ihre sprichwörtlichen paar Minuten Berühmtheit komplett zum Affen machen und oft mit einem Knacks zurückbleiben. Man muss sich nur die aktuellen TV-Programme zappen. Platées quaken da überall. Platée also darf man damit getrost auch jenseits seines absolutistischen Vergnügungs-Kontextes als Geschichte ernst nehmen. Die mit barocken Stoffen und auch Rameau vertraute Regisseurin Karoline Gruber und ihr Team haben genau das gemacht. Sie sind dabei aber nicht, auf dem kurzen Weg, in eine wohlfeile Trasch-Ästhetik oder die verfremdete Rekonstruktion barocker Opulenz ausgewichen, die in beiden Fällen nur auf Kosten einer schrill überzogenen Nymphen-Travestie-Show zu haben ist. Sie haben sich vielmehr auf den schwierigeren Weg begeben, in einer dezenten Melange aus psychologisierender Vergegenwärtigung und dem Spiel mit Versatzstücken des barocken Theaters nach einer sozusagen melancholischen Balance zu suchen. Die Prospekte mit den bröckelnden royalen Palastfassaden im Hintergrund hat Roy Spahn mit Fenstern für Einblicke in göttliche Morgentoilette versehen. Sie reißen mit pyrotechnischem Begleit-Effekt auf für einen überdimensionierten roten Damenschuh. Göttin Juno stampft hier nicht nur kräftig mit dem Fuß auf, sie schmeißt wohl auch mit etlichen Exemplaren unten auf der Erde regnet es jedenfalls Schuhe. Dass der Jupiter ausstaffiert ist wie der Sonnenkönig beim Theaterspielen und ein Teil der Rahmenhandlung um eine Bühne für die Werbeveranstaltung eines neuen Drinks aus Wodka und Champagner der Marke Jupiter gruppiert, dass bei den Balletteinlagen der Barock richtig zum Rocken gebracht wird, gehört ebenfalls in dieses gekonnte Spiel mit den Theater-Versatzstücken, die per se eine augenzwinkernde Kumpanei heutiger Fastfood-Optik mit ihren barocken Ahnen in Sachen "Vergnügung auf Teufel komm raus" haben. In diesem Rahmen verschiebt Gruber die inneren Gewichte des Stückes, indem sie aus ihrer / ihrem Platée keine absonderlich quakende Froschadaption macht, sondern einen allenfalls etwas exaltierten, verträumten jungen Mann, der halt gerne barfuß und in Frauenkleidern herumläuft und glaubt, dass andere das auch schön finden und darauf abfahren. Der stimmlich und auch sonst ziemlich bewegliche junge Schwede Anders J. Dahlin verführt dazu, seine Sicht einzunehmen und die Welt und ihre Zumutungen mit ähnlich melancholisch verschleiertem Blick zu sehen wie diese Platée. Am Ende sitzt er allein und verlassen auf der Bühne, mit einem roten Herzen in der einen und einer Pistole in der anderen Hand. Ausgang offen Botschaft verstanden. Dieser keineswegs risikofreie Perspektivenwechsel von der quakenden Gaudi zu einer eher gebrochenen, stillen Heiterkeit profiliert Musik und Darsteller. Anders J. Dahlin bewältig die Haute-Contre Partie, passend zu ihrer szenischen Anlage, mit großer Beweglichkeit und eloquenter Noblesse, ohne sie in die groteske Zuspitzung zu treiben. Aus dem die Handlung anhaltenden und den damaligen Opernstreit reflektierenden Auftritt der allegorischen "La Follie" (der Verrückten) macht Sylvia Hamvasi ein Kabinettstück. Stilisiert wie eine Domina mit Reiterhosen und mit Koloraturen gespickt, liefert sie einen der vokalen Höhepunkte der Produktion. Aber auch der darstellerisch kraftmeiernde, stimmlich markante Jupiter Salmi Luttinen sowie seine beiden Helfer bei der Intrige, der wie Hausmeister im karierten Hemd und Blaumann herumstapfende Kithéron (Tiomo Riihonen) und der als Mercure wie ein Variete-Showmaster agierende Thomas Michael Allen, profilieren ihre Auftritte in dem durchweg spielfreudigen Ensemble mit Verve.
Die Deutsche Oper am Rhein hat mit der neuen Platée eine szenisch gekonnt gemachte, eher melancholisch durchwehte zweite Rameau-Inszenierung auf dem Programm. Musikalisch entspricht auch diese Produktion den gängigen Standards, denen geglückte Barockproduktionen heutzutage glücklicherweise genügen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Chor
Choreographie
Dramaturgie
Solisten
Platée
La Folie
Thalie
Thespis/Mercure
Jupiter
Ein Satyr
Junon
Cithéron
Momus
Amour
Clarine
|
© 2011 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de