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Beatrice Cenci

Oper in drei Akten
Libretto von Martin Esslin nach dem Drama The Cenci von Percy Bysshe Shelley
Musik von Berthold Goldschmidt

in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 15' (eine Pause)

Premiere im Opernhaus Dortmund am 26. Mai 2012
im Rahmen des Klangvokal Musikfestival Dortmund 
(rezensierte Aufführung: 01.06.2012)




Theater Dortmund
(Homepage)
Düsterer Renaissance-Krimi

Von Thomas Molke / Fotos von Thomas Jauk

Am diesjährigen Klangvokal Musikfestival Dortmund beteiligt sich auch die Oper Dortmund, die aus diesem Anlass eine Rarität auf den Spielplan gesetzt hat, die erst viele Jahre nach der Komposition in Magdeburg vor 18 Jahren ihre Uraufführung erlebte. Die Rede ist von Berthold Goldschmidts zweiter und letzter Oper Beatrice Cenci. Dieser Komponist war zunächst in doppelter Hinsicht vom Pech verfolgt. Nachdem seine Karriere in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts recht vielversprechend begonnen hatte und er 1932 mit der Uraufführung seiner ersten Oper Der gewaltige Hahnrei einen großen Erfolg in Mannheim verbuchen konnte, wurde mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten die Aufführung seiner Werke verboten. Nach dem Krieg galt sein Werk nicht mehr als zeitgemäß, so dass selbst seine zweite Oper Beatrice Cenci, die er anlässlich eines Wettbewerbs 1949 komponierte und mit der er diesen Wettbewerb sogar gewann, nicht zur Aufführung gelangte. Erst in den 80er Jahren nahm er im hohen Alter nach einer langen Schaffenspause seine Kompositionstätigkeiten wieder auf und wurde als Komponist rehabilitiert, so dass er zwei Jahre vor seinem Tod auch noch die Uraufführung seiner zweiten Oper erleben durfte.

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Lukrezia (Katharina Peetz, links), Beatrice (Christiane Kohl, Mitte) und Bernardo (Ileana Mateescu, rechts) leiden unter dem tyrannischen Francesco.

Die Handlung der Oper geht auf eine wahre Begebenheit aus dem 16. Jahrhundert zurück, die Percy Bysshe Shelley, der Ehemann der bekannten Autorin des Frankenstein-Romans, im 19. Jahrhundert dramatisierte. Der einflussreiche Graf Francesco Cenci ist ein grausamer Tyrann, der sich mit Geldzuwendungen an die Kirche jedweder Strafverfolgung für seine zahlreichen Missetaten entzieht. Seine Familie leidet stark unter seinen unberechenbaren Gewaltexzessen, die darin kulminieren, dass er seine eigene Tochter Beatrice zur Bestrafung vergewaltigt. Gemeinsam überlegen Beatrice und ihre Stiefmutter Lukrezia, wie sie dieser Hölle entkommen können, und heuern auf Anraten des Prälaten Orsino zwei Mörder an, die Francesco im Schlaf erwürgen. Doch der Plan, den Mord als Unfall zu vertuschen, schlägt fehl, da Francesco beim Sturz aus dem Fenster in einem Baum hängen bleibt. Einer der Mörder wird gefasst und beschuldigt Beatrice und Lucrezia, die verhaftet und für die Tat hingerichtet werden, so dass Cencis komplettes Vermögen der Kirche zufällt.

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Francesco (Andreas Macco, links) hat mit seinen finanziellen Mitteln den Kirchenstaat und Kardinal Camillo (Christian Sist, rechts) in seiner Hand.

Johannes Schmid, der die Regie relativ kurzfristig für die erkrankte Regula Gerber übernommen hat, hat sich entschieden, obwohl man die erzählte Geschichte als Reaktion des zur Emigration gezwungenen Komponisten auf das NS-Regime und Beatrices Mord am Vater letztendlich als Diktatorenmord lesen kann und die Parallelen mit den Themen "Gewalt in der Familie" und  "politische Unmoral", bei der man sich durch Schmiergelder vor den gerechten Strafen drückt, bis in die aktuelle Gegenwart reichen, die Handlung im 16. Jahrhundert zu belassen, um dem Zuschauer selbst diese Assoziationen zu überlassen, was in doppelter Hinsicht lobenswert ist. Zum einen billigt es dem Publikum die vorhandene Intelligenz zu, selbst diesen Transfer leisten zu können. Zum anderen gibt es die Möglichkeit, ein Rarität, die in keinem gängigen Opernführer enthalten ist, in ihrem ursprünglichen Charakter kennenzulernen. Die Kostüme von Andrea Schmidt-Futterer unterstützen in ihrem klassischen Schnitt diesen Ansatz und zeichnen in ihren hellen und dunklen Tönen eine Schwarz-Weiß-Gesellschaft ohne Schattierungen. Das weiße Kostüm der Titelfigur unterstreicht dabei ihren Anspruch, ihre Tat als gerechtfertigt und sich selbst als unschuldig zu betrachten. Lukrezia wirkt in ihrem schwarzen Kleid wesentlich passiver und wäre in ihrer Trauer eigentlich bereit, sich ihrem Schicksal zu ergeben, wenn ihr Mann mit der Vergewaltigung der Stieftochter nicht eine ultimative Grenze überschritten hätte. Jedenfalls überkommen sie sofort nach dem Tod ihres Gatten die Gewissensbisse.

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Der Richter (Hannes Brock) verlangt von Beatrice (Christiane Kohl) ein Eingeständnis ihrer Schuld.

Roland Aeschlimann hat ein recht abstraktes Bühnenbild entworfen, das vor allem mit unterschiedlichen Ebenen arbeitet. Einen wichtigen Bestandteil bilden dabei hohe, weiße und nach oben angeschrägte Quader, die in ihrer Form an Escher erinnern und entweder auf der Bühne eine Art Labyrinth darstellen können, das den Protagonisten jedweden Handlungsspielraum nimmt, oder drohend über der Szene schweben und damit ebenfalls andeuten, dass es aus dieser Hölle kein Entrinnen gibt. Die restlichen Bühnenelemente sind in bedrohlichem Schwarz gehalten. Im ersten Akt bilden diese geometrischen Figuren in der Mitte ein Loch, was andeutet, dass Beatrice, Lukrezia und Bernardo gewissermaßen von Francesco wie einem Käfig eingesperrt sind. Erst beim Fest im ersten Akt treten die drei quasi als Außenstehende hinter die Szenerie und beobachten mit Abscheu, mit welchen sexuellen Ausschweifungen sich die Gesellschaft in einem Sündenpfuhl bewegt, um zu erkennen, dass von dieser Gesellschaft keine Hilfe gegen den despotischen Vater und Ehemann kommen wird. Im zweiten Akt befindet man sich eine Ebene tiefer, gewissermaßen in der Hölle des Palastes, aus der man sich durch den Mord zu befreien sucht. Die Kerkerszene im dritten Akt befindet sich in einem engen Quader, der aus dem Bühnenboden emporgefahren worden ist. Wenn die beiden Frauen zur Hinrichtung geführt werden, versinken sie in den aus den Schnürboden herabgelassenen weißen Quadern, die beim abschließenden "Requiem" in gleißendem weißen Licht erstrahlen. Ist der Tod der beiden Frauen für sie die Erlösung?

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Lukrezia (Katharina Peetz, links) und Beatrice (Christiane Kohl, rechts) bereiten sich auf ihren letzten Gang vor.

Goldschmidts Musik ist recht dramatisch und überwiegend tonal, wobei sich Anklänge an den von ihm hoch verehrten Gustav Mahler heraushören lassen. Auch veristische Momente im Stile Puccinis lassen sich nicht leugnen. Man merkt, dass dieser Komponist als langjähriger Dirigent mit den zahlreichen Musikstilen sehr vertraut ist und sie in sein Werk umsetzt. Während die Musik bis zum zweiten Akt einen eher düsteren Charakter hat, hellt sie sich in lyrischen Passagen der Titelfigur im dritten Akt etwas auf. An dieser Stelle hört man Beatrices Hoffnung auf Gerechtigkeit regelrecht aufschimmern. Grandios ist auch das "Requiem" am Ende, nachdem die beiden Frauen hingerichtet sind, mit dem die Musik vermittelt, dass Lukrezia und Beatrice zwar Mörderinnen sind, deswegen aber vielleicht doch nicht als ewige Sünderinnen in die Hölle verbannt werden, sondern zumindest vor einem göttlichen Gericht die Gnade erfahren werden, die ihnen der durch und durch korrupte Kirchenstaat verweigert. Jac van Steen arbeitet mit den Dortmunder Philharmonikern all diese Facetten sorgsam aus der Partitur heraus und entwickelt einen Klangteppich, der bisweilen ein wenig laut ist und droht, die Stimmen der Sänger zu überdecken.

Gesungen wird auf recht hohem Niveau. Andreas Macco präsentiert mit kräftigem, aber kaltem Bariton Francesco Cenci als einen durch und durch boshaften Tyrannen, mit dessen Tod der Zuschauer nicht das geringste Mitleid empfindet. Katharina Peetz mimt die recht willensschwache Lukrezia mit warmem Mezzo. Ileana Mateescu stattet den jüngeren Bruder Bernardo mit jugendlichem Mezzo aus und überzeugt durch ihre naive Darstellung des Knaben. Höhepunkt des Abends ist erneut Christiane Kohl, die mit hellem leuchtenden Sopran die Titelfigur zu einer Heldin avancieren lässt. In ihrer großen Arie im dritten Akt kurz vor ihrer Hinrichtung präsentiert sie Beatrice in einer solchen Reinheit, dass sie musikalisch wahrscheinlich von jedem Gericht der Welt freigesprochen worden wäre. Auch der von Granville Walker homogen einstudierte Chor liefert eine musikalisch und darstellerisch überzeugende Leistung ab, wenn er sich im ersten Akt den Ausschweifungen auf Cencis Fest hingibt und im dritten Akt im anrührenden "Requiem" die Hinrichtung beklagt. Auch die weiteren Solisten überzeugen in den kleineren Partien, so dass einem lang anhaltendem Applaus nichts im Wege gestanden hätte, wenn der Zuschauersaal nicht so dünn besetzt gewesen wäre, was für einen Freitag und für eine solche Inszenierung nicht nachvollziehbar ist.

FAZIT

Auch wenn dieses Werk aufgrund seines mangelnden Bekanntheitsgrades vielleicht nicht gerade ein Kassenknüller werden kann, sollte man sich diese Produktion wirklich ansehen, um sich von der Qualität der Dortmunder Oper zu überzeugen und die Platzauslastung wieder etwas zu steigern. Das Theater hätte es mit seinem vielseitigen Programm wirklich verdient.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jac Van Steen

Inszenierung
Johannes Schmid

Bühne
Roland Aeschlimann

Kostüme
Andrea Schmidt-Futterer

Lichtgestaltung
Stefan Schmidt

Choreographische Mitarbeit
Adriana Naldoni

Choreinstudierung
Granville Walker

Dramaturgie
Georg Holzer

 

Opernchor des
Theater Dortmund

Statisterie des
Theater Dortmund

Dortmunder Philharmoniker

 

Solisten

Graf Francesco Cenci
Andreas Macco

Lukrezia, seine zweite Frau
Katharina Peetz

Beatrice Cenci
Christiane Kohl

Bernardo
Ileana Mateescu

Kardinal Camillo
Christian Sist

Orsino, ein Prälat
Christoph Strehl

Marzio, ein gedungener Mörder
Karl Heinz Lehner

Olimpio, ein gedungener Mörder /
2. Arbeiter

Wen Weih Zang

Richter
Hannes Brock

Ein Sänger bei Graf Cencis Fest /
1. Arbeiter
Lucian Krasznec

Colonna
Georg Kirketerp

Hauptmann
Christian Pienaar

Diener
Hans-Werner Bramer


Weitere
Informationen

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Theater Dortmund
(Homepage)



Da capo al Fine

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