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Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Düsterer Saisonstart
Viel Unmut hatte es im Vorfeld um die Entscheidung des neuen
Opernintendanten Toshiyuki Kamioka gegeben, in der kommenden Spielzeit auf ein
festes Musiktheater-Ensemble zu verzichten und sämtliche Produktionen im
Stagione-Betrieb nur noch mit Gästen zu bestreiten. Mit großer Skepsis wurde
folglich die Eröffnungspremiere erwartet. Doch gemessen an den Reaktionen des
Premieren-Publikums lässt sich Kamioka ein gelungener Einstieg in die neue
Spielzeit und die neue Struktur des Opernhauses attestieren. Eine gewisse
Aufwertung des Sinfonieorchesters im Opernbetrieb erkennt man unter anderem auch
daran, dass jetzt im Programmheft auf dem Besetzungszettel die einzelnen Musiker
namentlich genannt werden. Viel wurde auch im Vorfeld darüber diskutiert, ob es nicht
einfallslos sei, einen kompletten Spielplan nur mit großen, gängigen Werken der
Opernliteratur zu bestreiten. Doch Kamioka will zunächst auf Nummer sicher gehen
und strebt in erster Linie eine hohe Platzauslastung an, was bei Stefano Podas
Inszenierung der Tosca durchaus gelingen dürfte. Denn Poda, der
gleichzeitig für das Bühnenbild, die Kostüme und die Beleuchtung verantwortlich
zeichnet, verschreckt das Publikum nicht mit einer radikalen Umdeutung, sondern
bleibt im Großen und Ganzen der Geschichte um die Sängerin Tosca treu, die durch den Mord an dem
skrupellosen Chef der Geheimpolizei, Scarpia, versucht, ihren Geliebten, den
Maler Cavaradossi, zu retten, der dann aber doch von dessen Schergen
hingerichtet wird, so dass Tosca mit einem Sprung von der Engelsburg den Freitod
wählt. Für die einzelnen Akte wählt er dabei recht
abstrakt gehaltene Bühnenbilder, die durch die gedämpfte Beleuchtung den
düsteren Charakter des Stückes trefflich einfangen. Tosca (Mirjam Tola, vorne
Mitte) verlässt die Kirche, beobachtet von Scarpia (Mikolaj Zalasinski, links
dahinter) (im Hintergrund: Chor). Für die Kirche im ersten Akt wählt er ein überdimensionales
schräg herabhängendes dunkles Kreuz, dessen grau-weiße
Streifen einerseits an eine kostbare Marmorierung erinnern, andererseits wie
Blitze an einem nachtschwarzen Himmel wirken. Die Bühnenseiten werden durch
riesige Setzkästen mit Grablichtern eingegrenzt. Ebenso dunkel wie die Bühne
sind auch die Kostüme gehalten. Der Einsatz der Drehbühne ermöglicht dabei
unterschiedliche Blicke auf das Kreuz und gibt auch die Sicht auf das Bild frei,
das Cavaradossi in der Kirche bearbeitet und das an einer quaderförmigen Säule,
die das Kreuz abzustützen scheint, in einer Höhe hängt, die der Maler ohne
Leiter gar nicht erreichen kann. Die Familienkapelle, in der sich Angelotti auf
der Flucht vor der Geheimpolizei versteckt, befindet sich unter einer Klappe im
Bühnenboden. Durch das riesige Kreuz ist die Bühne bereits so voll, dass der
komplette Opern-, Extra- und Kinderchor keinen Platz mehr auf der Bühne finden
würden. So werden Teile des Chors in die Seitenlogen der Ränge ausgelagert, was
musikalisch zu einem wunderbaren Gesamtklang im Opernhaus führt. Tosca (Mirjam Tola) und Scarpia
(Mikolaj Zalasinski, rechts) im Palazzo Farnese (in der Mitte: Spoletta
(Johannes Grau)) Szenisch bleiben allerdings ein paar Fragen offen. So wird
nicht verständlich, wieso ein Teil des Chores einen roten Streifen um die
Augenpartie trägt, der wie eine Binde wirkt. Soll hiermit angedeutet werden,
dass die Kirchenleute die Augen vor dem brutalen Regime verschließen?
Ebenfalls wenig nachvollziehbar bleibt, wieso der Mesner während seines Gebets in der
Kirche Liegestütze macht. Auch der Einsatz der Drehbühne wirkt im ersten Akt ein
wenig inflationär. Greg Ryerson hat als Angelotti stellenweise Schwierigkeiten,
mit seinem Bariton über das fulminant aufspielende Sinfonieorchester zu kommen.
Kamioka lotet zwar mit den Musikern die vielschichtige Partitur gefühlvoll aus,
nimmt dabei aber nicht immer Rücksicht auf die Solisten. Bei Mikolaj Zalasinski
als Scarpia ist das kein Problem, da dieser mit seinem kräftigen Bariton regelrecht
spielerisch über das Orchester kommt und die Figur dabei nichts von ihrer Diabolik einbüßt. Mikhail Agafonov kann sich als Cavaradossi ebenfalls mit
großem Volumen gegen das Orchester durchsetzen, klingt allerdings besonders in
den Höhen nicht immer sauber. Tosca (Mirjam Tola) und
Cavaradossi (Mikhail Agafonov) vor seiner Hinrichtung Der zweite Akt im Palazzo Farnese wird von einem langen Tisch
dominiert, auf dem zahlreiche Papiere liegen. Was das erotische Zwischenspiel
von Spoletta und Sciarrone mit der Kokserei zu Beginn des zweiten Aktes soll,
entzieht sich ebenfalls dem Verständnis. Mirjam Tola wirkt in der Titelpartie in
ihrem weiten schwarzen Kleid mit dem blutroten Mantel absolut mondän und
begehrenswert, so dass man Scarpias Verlangen nach ihr durchaus nachvollziehen
kann. Leider kann sich Tola stimmlich nicht immer gegen das auftrumpfende
Orchester durchsetzen, so dass ihre Verzweiflung und ihr innerer Kampf häufig
nur aus der Musik abgeleitet werden können. Im berühmten "Vissi d'arte" findet sie
zu einer bewegenden Innerlichkeit, die in den Spitzentönen allerdings noch ein
bisschen ausbaufähig ist. Dass Tosca Scarpia am Ende erschießt und nicht
ersticht, mag man hinnehmen, auch wenn die Übertitel im dritten Akt etwas anderes
besagen. Schlussbild: Tosca (Mirjam Tola)
in gleißendem Licht Für den dritten Akt findet Poda die eindrucksvollsten Bilder
des Abends.
Zunächst kommen zahlreiche silberne dünne Stäbe aus dem Schnürboden herab, die
Tosca und Cavaradossi auf der Bühne regelrecht einsperren. Unterstützt wird
dieser Eindruck noch von einer hervorragenden Lichtregie, die mit einem
Schattenspiel diese Stäbe in Schwarz vervielfacht. Der Mord an Cavaradossi
wird dann nicht auf der Bühne gezeigt, sondern findet unterhalb der Bühne ab.
Erst danach wird der tote Maler wieder aus dem Boden auf die Bühne hochgefahren.
Wenn Tosca dann erkennt, dass die Scheinexekution ihres Geliebten ein Betrug war
und Scarpias Anhänger sie festnehmen wollen, springt sie in Podas Inszenierung
nicht. Stattdessen fällt ein Schuss, der aber nicht Tosca, sondern die schwarze
Rückwand samt der Verfolger umkippen lässt. In gleißendem hellen Licht tritt
Tosca nun in einem weißen Mantel aus einem Loch in der Wand heraus, als
ob man sich nun vor dem Jüngsten Gericht befände, wo sich alle nun für ihre
Taten verantworten müssen. Ein großartiges Schlussbild, das vom Publikum auch
mit tosendem Applaus gefeiert wird.
FAZIT
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung, Bühne, Kostüme und Chöre
Opernchor und Extrachor der Statisterie der Kinderchor der Sinfonieorchester Wuppertal SolistenFloria Tosca Mario Cavaradossi
Baron Scarpia
Mesner
Angelotti
Spoletta
Sciarrone
Kerkermeister
Hirtenjunge
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- Fine -