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Frauensache
Von Roberto Becker /
Fotos von
Wilfried Hösl
Man braucht schon gute Gründe, um heute für Gaetano Donizettis Favoritin den ganzen Apparat eines Opernhauses anzuwerfen. Allzu sehr ist diese Melange aus Belcanto und Grand Opera Schmachtfetzen dem Geschmack und Geist der Entstehungszeit um 1840 verhaftet. Aber das Münchner Publikum mag es gerne auch mal betont stimmkulinarisch. Außerdem ist auch die frühere Popularität eines Stückes ein Argument, es heute wirken zu lassen und erneut zu hinterfragen. Und wenn schon ein Star wie Elīna Garanča Lust hat, sich mit den Vorgängerinnen-Legenden zu messen - welcher Intendant sollte da nein sagen! Noch dazu wenn das Repertoire so breit gefächert ist wie an der Bayerischen Staatsoper in München.
Heilige gibt es hier nur auf den Bildern: Elina Garanca in der Kirche
Also ist die Garanča jene Favoritin des Königs, die sich von ihrem Macho-Lover an der Staatsspitze allerhand bieten lassen muss. Konzertant hat sie diese Lèonor schon vor zwei Jahren in Salzburg gesungen. Jetzt hat Nikolaus Bachler aus dem Wunsch der Sängerin nach einer szenischen Version und der Tatsache, dass die Oper vor über 100 Jahren in München das letzte Mal auf dem Programm stand, die Tugend einer luxuriös besetzten Ausgrabung gemacht. Wie bei Superstar-Kollegin Anna Netrebko neuerdings auch üblich, im Kombipack mit dem Ehemann. Nur das der im Falle der Lettin nicht singt (wie Annas Yusif), sondern dirigiert. Und das macht Karel Mark Chichon mit dem Bayerischen Staatsorchester ganz wunderbar. Mit Feeling für den großen Opernton, der gleichwohl den Sängern genügend Raum lässt, um sich zu entfalten. Das Bayerische Staatsorchester jedenfalls war in seinem (auch) italienischen Element. Die Mätresse und der König Da die Besetzung der übrigen Rolle in München nie nach dem Motto erfolgt, das es Nacht sein muss, wo Friedlands Sterne strahlen, sondern eher danach, dass ein kostbarer Rahmen den Edelstein noch besser zur Geltung bringt, stimmt auch das Drumherum auf beglückende Weise. Joshua Owen Mills ist ein Klosteroberhaupt Don Gaspard, das wie ein Fels in der Brandung tönt und dem König gegenüber die fordernde Autorität des Papstes (dem das Lotterleben dieses Christenkönigs über die Hutschnur geht) glaubwürdig verkörpert. Mika Kares hat die darstellerische und vokale Überzeugungskraft für den fiesen Intriganten Balthazar. Und Elisa Benoit die emphatische Leuchtkraft für die Freundin von Leonor Inèz. Das passt alles zusammen. Jesus sieht zu: Leonor in den Armen der Kirche Der Clou ist aber Matthew Polenzani als der naive Klosterschüler, der sich in die geheimnisvolle Fremde wie vom Blitz getroffen verliebt, als er sie in der Kirche sieht. Er scheint der einzige zu sein, dem entgangen ist, dass es sich dabei um die offizielle Geliebte des Königs handelt. Und so wird er zum strahlenden Tenorrivalen des Baritons Mariusz Kwiecień. Stimmgewaltig und mit einem guten Schuss Machoattitüde ist er der König Alphonse XI., dessen Lebenswandel sich bis zum Papst nach Rom rumgesprochen hat. El?na Garan?a behauptet sich zwischen diesen beiden Männern als begehrte, getriebene aber auch sich wehrende und zu sich selbst findende Frau. Etwas unterkühlt, wie es zu ihrem Markenkern gehört, dabei mit höchst präziser Eloquenz. Musikalisch und vokal ist diese Produktion also bestens ausgestattet. Mit ihrer szenischen Interpretation umgeht Regisseurin Amélie Niermeyer den opulenten Kostümschinken, hält sich aber auch bei der Vergegenwärtigung der kruden Story voller jäher Wendungen zurück. Mit der maßvollen Eleganz bleiben auch Kirsten Dephoffs Kostüme im Rahmen. Alexander Müller-Elmau hat die Bühne mit einigen verschiebbaren transparenten Wänden begrenzt. Dahinter scheinen ziemlich atmosphärisch mal ein (lebendiger) Jesus am Kreuz oder Heilige und diverse Lichter auf. Ansonsten genügen der Regisseurin ein paar Stühle. Hier sitzen der König und seine Geliebte und schauen sich einen Film an, von dem man nur an ihren Reaktionen ahnen kann, worum es dabei geht. Vermutlich hat er das Programm ausgewählt. Manchmal sieht die Gesellschaft tatsächlich so chaotisch aus, wie sie wirklich ist Von der Personenführung bleibt die machohafte Überheblichkeit in Erinnerung, mit der der König sein Geliebte in der Öffentlichkeit behandelt. Das emotionale Hin-und-her, das Fernand durchläuft, demonstriert eher die begrenzte dramaturgische Haltbarkeit der Geschichte, an der immerhin Eugène Scribe seinen Anteil hatte. Sich auf den ersten Blick in die Geliebte des Königs verlieben, ohne zu wissen, wer sie ist, dann die Karriere als Mönch gegen die beim Militär aufgeben, als Preis für einen Sieg die Hand der Geliebten vom König bekommen (weil der vom Papst unter Druck gesetzt wird) und erst vor dem Altar erfahren, wen er da heiratet, dann zurück in die Arme der Kirche - das ist schon ziemlich starker Tobak, den man ohne die unfreiwillige Komik zu streifen nicht auf die Bühne bekommt. Das schafft auch Amélie Niermeyer nicht wirklich. FAZITBei den Sängern war sich das Publikum im Jubel einig. Bei der Regie gab es ein paar Buhs, was wohl auch am Stück selbst liegen mag. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Choreographische Mitarbeit
Chor
Dramaturgie
Solisten
Léonor de Guzman
Fernand
Alphonse XI
Balthazar
Don Gaspard
Inès
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