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Münchner Opernfestspiele 2017

24.06.2017 - 31.07.2017

Oberon, König der Elfen

Romantische Feenoper in drei Aufzügen
Libretto von James Robinson Planché, ins Deutsche übersetzt von Theodor Hell
Musik von Carl Maria von Weber

in deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 20' (eine Pause)

Koproduktion mit dem Theater an der Wien

Premiere im Rahmen der Münchner Opernfestspiele im Prinzregententheater
am 21. Juli 2017

(rezensierte Aufführung: 27.07.2017) 

 

 



Bayerische Staatsoper München
(Homepage)

Laborexperiment mit Klappmaulpuppen

Von Thomas Molke / Fotos von Wilfried Hösl

Als Carl Maria von Weber 1825 bis 1826 sein letztes Werk Oberon komponierte, war er bereits von schwerer Krankheit gezeichnet. Die Mischform aus einem Schauspiel mit Musik und einer vorromantischen Nummernoper bereitete ihm von Anfang an große Sorgen, da ihm, wie er in einem Brief nach London äußerte, wegen der großen Anzahl an sprechenden und stummen Rollen und des Weglassens von Musik in für die Handlung entscheidenden Momenten das Stück für die Theater auf dem europäischen Kontinent ungeeignet schien. Zu einer Umarbeitung des Werkes für den deutschen Geschmack mit Reduzierung des Sprechtextes kam es allerdings nicht mehr, da Weber bereits knapp zwei Monate nach der erfolgreichen Uraufführung am 12. April 1826 im Royal Opera House Covent Garden verstarb. Auch spätere Bearbeitungen des Librettos führten nicht dazu, dass sich das Werk im Repertoire neben dem Freischütz etablieren konnte. Auch die 1986 von John Eliot Gardiner am Opernhaus Lyon erste szenische Aufführung der englischen Originalfassung außerhalb Großbritanniens blieb trotz des großen Erfolges Nachhall. Bei der Neuproduktion für die Münchner Opernfestspiele orientiert man sich mit einigen Kürzungen an der von Theodor Hell ins Deutsche übersetzten Bearbeitung für die deutsche Erstaufführung in Leipzig am 23. Dezember 1826.

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Hüon (Brenden Gunnell, rechts) und Scherasmin (Johannes Kammler, links) stellen sich dem Laborexperiment (im Hintergrund die drei Pucks (von links: Daniel Frantisek Kamen, Sebastian Mock und Manuela Linshalm)).

Die Handlung basiert auf dem gleichnamigen Versepos von Christoph Martin Wieland, das 1780 zum ersten Mal erschien und dessen Titelfigur heute noch vor allem aus Shakespeares Sommernachtstraum bekannt ist. Während es bei Shakespeare im Streit zwischen dem Elfenkönig Oberon und der Feenkönigin Titania um einen indischen Knaben geht, den beide für sich beanspruchen, dreht sich der Streit in der Oper um die Frage, ob unter den Menschen ein Paar gefunden werden kann, dass sich trotz widriger Umstände die Treue hält. Die Wahl fällt auf Hüon von Bordeaux, einen Ritter im Gefolge von Kaiser Karl dem Großen, und Rezia, die Tochter des Kalifen von Bagdad. Hüon erhält von Karl dem Großen den Auftrag, Rezia vor einer Vermählung gegen ihren Willen zu bewahren und mit ihr aus Bagdad zu fliehen. Auf der Flucht erleiden sie allerdings Schiffbruch und werden an einen einsamen Strand gespült, wo Rezia in die Hände von Piraten fällt, die sie an den Emir Almansor nach Tunis verkaufen. Hüon wird bei dem Versuch, Rezia aus dem Harem zu befreien, gefangen genommen und soll auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden. Da Rezia lieber mit Hüon sterben als dem Werben des Emirs nachgeben will, bricht Oberon kurz vor der Hinrichtung die Prüfung ab. Mit dem Verhalten der beiden hat er Titania überzeugt, dass es die ewige Treue bis zum Tod gibt, so dass einem glücklichen Ende nichts mehr im Wege steht. Hüon kehrt mit Rezia in seine Heimat zurück, und auch sein Diener Scherasmin und Rezias Vertraute Fatime finden zueinander.

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Oberon (am Kopf: Julien Prégardien, an den Händen links: Sebastian Mock und rechts: Daniel Frantisek Kamen) verspricht Hüon (Brenden Gunnell), ihm bei seiner Mission beizustehen (im Hintergrund: Extrachor).

Das Regie-Team um Nikolaus Habjan legt die Geschichte als Laborexperiment an, bei der die Treue an menschlichen Probanden getestet werden soll. Schon vor der Vorstellung laufen Mitglieder des Extrachors mit Klappbrettern durch das Foyer und nehmen auf der Suche nach geeigneten Probanden Daten von einzelnen Besuchern auf. Mit Rezia und Fatime scheinen sie dann auch bereits vor dem Beginn der eigentlichen Oper die ersten Versuchsteilnehmer gefunden zu haben, die in ihrer festlichen Garderobe geradewegs aus dem Publikum zu kommen scheinen. Bei Hüon und Scherasmin handelt es sich dann um zwei Besucher, die zu spät zur Vorstellung kommen und, während sie noch mit den Herrschaften diskutieren, die angeblich auf ihren Plätzen sitzen, von den Labormitarbeitern auf die Bühne geholt werden. Dort wird ihnen dann eine Injektion verabreicht, die dazu führt, dass sie in die Rollen von Hüon und seinem Diener schlüpfen. Die im Bühnenbild von Jakob Brossmann aufgestellten Apparaturen gehen dabei nicht gerade zimperlich mit den Probanden um, und so verwundert es nicht, dass das Experiment am Ende aus dem Ruder gerät. Nachdem man zunächst das Gefühl hat, dass Hüon und Rezia mit einer Art Gehirnwäsche ihres Verstandes beraubt worden sind, schlägt Hüon Oberon am Schluss nieder und feiert mit seiner Rezia ein fragwürdiges glückliches Ende.

Etwas unklar bleibt in der Inszenierung die Rolle der Titania, die im Stück eigentlich als stumme Rolle angelegt ist, hier aber teilweise Pucks Text und seine Gesangseinlagen erhält. Da Puck Oberons dienstbarer Geist ist, macht das eigentlich keinen Sinn, da Oberons Konflikt ja mit Titania und nicht mit seinem Diener besteht. Hinzu kommt, dass Alyona Abramowa in den deutschen Sprechtexten nicht gerade gut zu verstehen ist. Für die Besucher mit geringen oder keinen Deutschkenntnissen dürften die in recht altertümlichem Sprachstil gehaltenen Texte sowieso ein Problem darstellen, da nur die gesungenen Passagen in Deutsch und Englisch übertitelt werden. Hier hätte man bei den Sprechtexten für das internationale Publikum zumindest englische Übertitel einblenden sollen.

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Rezia (Annette Dasch, links) und Fatime (Rachael Wilson, rechts) erfahren durch die alte Namuna (Sebastian Mock und Manuela Linshalm) von der Ankunft des jungen Ritters.

Für die zahlreichen Sprechrollen werden Klappmaulpuppen verwendet, die von den drei Labormitarbeitern Manuela Linshalm, Daniel Frantisek Kamen und Sebastian Mock, die im Programmheft als "die drei Pucks" aufgeführt werden, mit großem Unterhaltungswert dargestellt werden. Hervorzuheben ist beispielsweise Linshalm als alte geschwätzige Namuna, die Hüon und seinen Diener stets mit den erforderlichen Informationen versorgt und dabei ihrem friedfertigen Mann stets herrisch das Wort verbietet. Der Einsatz der Puppen ermöglicht auch, dass Hüon dem unsympathischen persischen Prinzen Babekan nicht nur das Schwert in den Leib stoßen, sondern ihm auch noch kurzerhand den Kopf umdrehen kann, was Mock mit einer schmerzhaften Bewegung in der Hand, mit der er die Puppe geführt hat, kommentiert. Interessant ist auch die Idee die Puppe des Emirs von Tunis optisch Hüon ähneln zu lassen, um so Rezia doppelt auf die Probe zu stellen. Während diese Figuren alle in der Größe den Protagonisten der Oper angepasst sind, erscheint Oberon als überdimensional große Figur. Aus dem Schnürboden wird sein Körper in einem langen weißen Gewand herabgelassen. Zwei Pucks bedienen mit Stangen seine großen Hände, die mit zahlreichen kleinen Lichtern ausgestattet sind, während Julien Prégardien einen großen Kopf mit leuchtenden Augen auf den Rumpf der Figur setzt, wenn Oberon Hüon und seinen Gefährten erscheint. Wenn das Experiment am Schluss aus den Bahnen läuft, ergreift Rezia diesen Kopf und hält ihn wie eine Trophäe fest, während der Versuchsleiter von Hüon niedergeschlagen wird.

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Fragwürdiges glückliches Ende: Hüon (Brenden Gunnell) und Rezia (Annette Dasch), am Boden liegend: Oberon (Julien Prégardien)

Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf hohem Niveau. Brenden Gunell meistert die anspruchsvolle Partie des Helden Hüon mit kräftigem Tenor, der in den extremen Höhen an einzelnen Stellen leichte Intonationsschwierigkeiten hat. Zum Ende hin steigert er sich stimmlich allerdings immer mehr und begeistert mit Annette Dasch als Rezia in einem großartigen Finale. Dasch punktet mit hochdramatischem Sopran, wobei ihr Spiel stellenweise ein wenig übertrieben wirkt, was jedoch wohl eher Habjans Personenregie anzulasten ist. Besonders in ihrer großen Ozean-Arie nach dem Schiffbruch inszeniert er sie als extrovertierte Operndiva. Mit großartigem Ausdruck begeistert Dasch, wenn sie am Ende lieber neben ihrem Geliebten Hüon sterben als sich dem Emir zur Rettung Hüons hingeben will. Rachael Wilson und Johannes Kammler überzeugen als Buffo-Paar Fatime und Scherasmin mit großem Spielwitz. Wilson glänzt in ihrem Lied im dritten Akt mit beweglichem Mezzosopran, wenn sie als Sklavin in Tunis trotzdem den Mut nicht sinken lässt. Kammler punktet mit markantem Bariton. Prégardien gestaltet die Titelpartie mit großen lyrischen Bögen und tenoralem Glanz. Anna El-Kashem überzeugt in der kleinen Rolle des Meermädchens mit zartem Sopran. Der von Sören Eckhoff einstudierte Extrachor und das unter Ivor Bolton frisch aufspielende Bayerische Staatsorchester runden den Abend musikalisch wunderbar ab, so dass es am Ende verdienten Applaus für alle Beteiligten gibt, in den sich auch der Regisseur Nikolaus Habjan einreiht.

FAZIT

Habjans Umsetzung des Stückes als Laborexperiment geht im Großen und Ganzen auf und sorgt mit den Klappmaulpuppen für gute Unterhaltung. Für einen festen Platz im Repertoire ist das Stück jedoch auch in dieser Form zu sperrig.

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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Ivor Bolton

Inszenierung
Nikolaus Habjan

Bühne
Jakob Brossmann

Kostüme
Denise Heschl

Licht
Michael Bauer

Chor
Sören Eckhoff

Dramaturgie
Rainer Karlitschek
 

Extrachor der Bayerischen Staatsoper

Bayerisches Staatsorchester

Statisterie der Bayerischen Staatsoper


Solisten

Oberon
Julien Prégardien

Titania (Puck)
Alyona Abramowa

Rezia
Annette Dasch

Hüon von Bordeaux
Brenden Gunnell

Fatime
Rachael Wilson

Scherasmin
Johannes Kammler

Mehrmädchen
Anna El-Kashem

Die drei Pucks
Manuela Linshalm
Daniel Frantisek Kamen
Sebastian Mock


Weitere
Informationen

erhalten Sie unter 
Bayerische Staatsoper München
(Homepage)



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