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Das Rheingold

Vorabend des Bühnenfestspiels Der Ring des Nibelungen
Text und Musik von Richard Wagner

in deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (keine Pause)

Premiere an der Deutschen Oper Berlin am 12. Juni 2021


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Deutsche Oper Berlin
(Homepage)
Volkreiches Rheingold

Von Christoph Wurzel / Fotos: Bernd Uhlig
 
Nun wissen wir, warum Wotan zu Beginn des 2. Akts der Walküre (siehe unsere Rezension) aus dem Souffleurkasten auf die Bühne steigt, denn im Rheingold klettert er am Schluss in eben denselben hinein - nämlich um die Spur Erdas zu verfolgen, die zu ihrem Auftritt in der letzten Szene in Gestalt der Souffleuse aus ihrer engen Behausung heraus die Bühne betreten hat. Das ist nur einer der zahlreichen Einfälle, mit denen Stefan Herheim auch an diesem Vorabend seiner Ring-Inszenierung das Publikum unterhält. Die allwissende Erda als mit der Opernhandlung bestens vertraute Souffleuse - ein Kniff, auf den man erst einmal kommen muss.


Wie diese Klammer, so lösen sich auch die anderen Rätsel auf, welche die pandemiebedingt vorgezogene Walküre im letzten Herbst dem Publikum aufgab. Wegen Corona war der Deutschen Oper ja die richtige Reihenfolge der Ring-Tetralogie durcheinadner gekommen. Wer sich seit der imponierenden Walküren-Premiere im Oktober Interesse und Neugier bewahrt hatte, wurde nun mit einem ebenso großartigen Rheingold belohnt.

Was sich bereits andeutete, bestätigte sich nun: Herheims Ring ist auf dem Weg zu einem Zyklus voll assoziationsreicher Bilder, gespickt gleichermaßen mit Witz wie tieferem Sinn. Kein bedeutungsschwangeres Großkonzept liegt hier zugrunde, dafür immerhin eine theatralisch effektvolle Inszenierung, die im besten Sinne unterhaltsam ist und dazu noch vielerlei Anstöße gibt, auch Querverweise zu Autor und Werk.


Mime etwa erscheint hier in Rheingold als kleiner Wagner-Clon mit Backenbart und Samtbarett. Er plagt sich gewaltig mit seiner Schmiedearbeit, schleppt aber gleichzeitig die Partitur mit sich herum. Eine hell glänzende Trompete wird zum Symbol des Goldes in der Tiefe des Rheins, wenn im Orchester der strahlende Ton dieses Instruments das Aufleuchten des Schatzes verkündet.


Brillant klingt das Trompeten-Solo an dieser Stelle, ansonsten hat das Orchester an diesem Abend aber nicht seinen besten Tag, es scheint musikalisch etwas entwöhnt nach dem achtmonatigen Entzug von Liveauftritten. Donald Runnicles, mittlerweile zum Sir geadelt, pflegt hier im Rheingold eher den plakativen Stil. In der Walküre klang alles differenzierter und tiefenschärfer. Dem symphonischen Rheingold hätte Gleiches auch gut getan. Etwas stockend beginnt das magische Vorspiel und kommt erst mit den wogenden Achteln der tiefen Streicher in Fluss. An anderen Stellen setzt der Dirigent eher auf grelle Effekte als auf einen erfüllten Klang, wie beim Auftritt der Riesen, deren musikalisches Motiv übermäßig grob dahertrampelt.


Den Beginn der Oper, damit der ganzen Tetralogie, gestaltet die Regie hier überraschend profan, wenngleich konsequent. Herheims Ansatz ist die Erfindung von Bühnenwirklichkeit als künstliches, kunstvolles Spiel auf der Bühne, womit er den Komponisten auf seiner Seite hat. So fängt der Abend nicht unmittelbar mit der Musik an, sondern die zahlreichen Menschen mit Koffern, über die man sich in der Walküre so mancherlei Fragen stellte, kommen von hinten langsam auf die nackte Bühne, die nur mit einem Konzertflügel möbliert ist. Einer von ihnen schlägt auf dem Instrument einen Ton an und erst jetzt beginnt (bei noch hell erleuchtetem Zuschauersaal) mit dem aus der Tiefe wachsenden Es-Dur des Wagnerschen Naturmotivs die musikalische Erschaffung der Opern-Welt dieses Rings. Die Menschen stellen in der ersten Szene dann gleichsam das Volk eines Urzustands dar, sie entkleiden sich bis auf die Unterwäsche, verlieren so ihre kulturbedingte Scheu, bewegen sich wie in Trance, berühren sich in völliger Freiheit, deuten Liebesspiele an, verkörpern das Reine, Unschuldige. Aus ihrer Mitte schälen sich nach und nach die Rheintöchter heraus, bevor mit dem Raub des Goldes der verhängnisvolle Kreislauf von Betrug, Verrat, Mord und Totschlag durch den Besitz des goldenen, Macht verleihenden Rings beginnt.



"Ein Tand ist's, zum Reife geschmiedet verhilft es zur höchsten Macht":
Andrew Harris (Fasolt), Thomas Blondelle (Loge), Tobias Kehrer (Fafner), Annika Schlicht (Fricka), Jacquelyn Stucker (Freia), Derek Welton (Wotan), Thomas Lehman (Donner) (von links)
 
Das Personal dieses Vorspiels in mythischen Zeiten zeigt Herheim durchaus sehr heutig: in Alberich als brutalen Gewaltmenschen, der mit der magischen Macht des Rings sein Volk tyrannisch beherrscht und es martialisch mit erhobenem Arm aufmarschieren lässt. In der Gestalt der Götter zeigt er es als selbst verliebte, teils naive, teils zynische Gesellschaft, denen Besitzgier und Hedonismus zu Kopf gestiegen sind. Zu Wotans wahnwitzigen Machtphantasien wird begeistert geklatscht.


Wotan ist hier ein Mann ohne Eigenschaften, geleitet allein vom Wunsch seine Bedürfnisse zu erfüllen. Derek Walton verfügt dafür über keine große Stimme, aber im Spiel und mit flexibler Stimmfärbung gibt er ein überzeugendes Rollenportrait. Alberich ist mit Markus Brück exzellent besetzt. Die Regie fordert ihm viel ab, darstellerisch und gesanglich geht er aufs Ganze, verheddert sich vielleicht deswegen mitunter etwas im Text. Neben ihm ist Thomas Blondelle als Loge der zweite Glanzpunkt dieser Produktion. Schon äußerlich (weiß geschminktes Gesicht, knallroter Mund, schwarze Kappe und Federn am Kopf-  ein Kostümzitat aus Gründgens Faust) gibt er einen Meister des Lug und Trug in mephistophelischem Format. Perlend eloquent und im Spiel gefährlich agil ist Blondelles Loge der absolute Mittelpunkt der Handlung.


Entmythologisiert ist auch der Bühnenaufbau. Lediglich weiße Tücher bilden die Kulisse, wechselweise geschickt beleuchtet als Wellen des Rheins, schneebedeckte Berge oder ein Garten mit Apfelbäumen. Dass allerdings die Bühnentechnik noch nicht ausgereift ist, zeigte am Schluss ein arg wackliger Regenbogen, über den die Götter nur zögernd gen Walhall zogen - eher eine unfreiwillige Vorahnung ihres kommenden Unglücks. Die vielen Menschen des Anfangs werden nun zu staunenden Augenzeugen solchen Geschehens.


"Dort das Gewirk, wirf auf den Hort":
Andrew Harris (Fasolt) und Jacquelyn Stucker (Freia)
 
Eine Stärke dieser Produktion liegt in der subtilen Personenführung, die allen Figuren markantes Profil gibt. Fricka (präsent dargestellt und gesungen von Annika Schlicht) ist ebenso zänkisch wie sie scharf auf das Gold ist, Freia (Jacquelyn Stucker mit jungem, hellen Sopran), permanent in Angst und Nöten, muss sich schließlich im Korpus des Klaviers mit dem Gold bedecken lassen. Donner (Thomas Lehman) fuchtelt hilflos mit Pistolen herum, während Froh (Matthew Newlin) sich einfach nur in Schönheit gefällt. Judit Kutasi gibt eine ruhige und sachlich gelassene Erda.

 

FAZIT

Dieses Rheingold macht nach der Walküre des letzten Jahres Lust darauf, welch kreative Ideen Stefan Herheim noch so für die beiden folgenden Teile entwickeln wird.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Sir Donald Runnicles

Inszenierung und Bühne
Stefan Herheim

Bühne
Silke Bauer

Kostüme
Uta Heiseke

Licht
Ulrich Niepel

Video-Design
Torge Møller

Dramaturgie
Alexander Meier-Dörzenbach
Jörg Königsdorf




Orchester der
Deutschen Oper Berlin


Solisten

Wotan
Derek Welton

Donner
Thomas Lehman

Froh
Matthew Newlin

Loge
Thomas Blondelle

Alberich
Markus Brück

Mime
Ya-Chung Huang

Fasolt
Andrew Harris

Fafner
Tobias Kehrer

Fricka
Annika Schlicht

Freia
Jacquelyn Stucker

Erda
Judit Kutasi

Woglinde
Valeriia Savinskaia*

Wellgunde
Irene Roberts

Flosshilde
Karis Tucker**

* Stipendiatin der Walter-Sandvoss-Stiftung

** Stipendiatin des Förderkreises
der DeutschenOper Berlin e.V.



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Deutschen Oper Berlin
(Homepage)



Da capo al Fine

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