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P4ssions

Ein Ballettabend mit Werken von David Dawson, Jiří Kylián, Edward Clug sowie Ben Van Cauwenbergh und Armen Hakobyan

Aufführungsdauer: ca. 1h 05' (keine Pause)

Premiere im Aalto-Theater Essen am 19. Juni 2021




Theater Essen
(Homepage)
Passion von der Klassik bis zum modernen Ausdruck

Von Thomas Molke / Fotos: © Hans Gerritsen

Zwei Wochen nachdem die Ballettsparte am Aalto Theater mit der Ballettgala Tütü mit Schuss aus der Corona-Zwangspause zurückgekehrt ist, steht in Essen schon der nächste Ballettabend auf dem Programm, der unter dem Titel P4ssions die Leidenschaft für und durch den Tanz zum Ausdruck bringen soll. Dass das "a" dabei durch eine "4" ersetzt wird, mag daran liegen, dass an diesem Abend vier Kreationen von vier unterschiedlichen Choreographen präsentiert werden, die jeder für sich einen sehr individuellen Stil haben. Die einzelnen Stücke sind relativ kurz, so dass der Abend ohne Pause stattfindet. Nach der Sommerpause plant Van Cauwenbergh dann, bei der Wiederaufnahmen diesen Abend mit dem ersten Ballettabend dieser "Corona-Spielzeit", Keep Moving!, zusammenzulegen (siehe auch unsere Rezension dazu). Es bleibt zu hoffen, dass damit wieder etwas mehr Normalität in den Theaterbetrieb zurückkehren kann und hoffentlich wieder vor vollem Saal gespielt werden darf. Die Vorlage eines Negativtests oder einer vollständigen Immunisierung ist ja zumindest in Essen schon einmal weggefallen, und auch die Theatergastronomie ist bereits wieder geöffnet.

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A Million Kisses to My Skin: Adeline Pastor und Davit Jeyranyan im 2. Satz

Den Anfang macht das mit ca. 30 Minuten längste Stück des Abends: A Million Kisses to My Skin von David Dawson, der in Essen noch durch seine Deutung von Giselle in Erinnerung geblieben sein dürfte, die als Kooperation zwischen dem Aalto Ballett Essen und dem Ballett im Revier aus Gelsenkirchen zu erleben war, und in der die damalige Gelsenkirchener Ballettchefin Bridget Breiner teilweise selbst in die Titelpartie schlüpfte (siehe auch unsere Rezension). A Million Kisses to My Skin entstand 2000 am Het Nationale Ballett am Anfang von Dawsons Karriere, nachdem dieser seine Tänzerlaufbahn beendet hatte. In dem Stück verarbeitet er seine persönlichen Erfahrungen als Tänzer, da sich der Auftritt als Tänzer wie "eine Million simultane Küsse auf der Haut" anfühle. Wie bei seiner sieben Jahre späteren Choreographie A Sweet Swell of Oblivion, die 2016 und 2017 im Musiktheater im Revier zu erleben war, wählt er auch für A Million Kisses to My Skin Musik von Johann Sebastian Bach. In den drei Sätzen des Klavierkonzerts Nr. 1 d-Moll, BWV 1052, entwickeln die Tänzerinnen und Tänzer bei überwiegend klassischen Schrittfolgen auf Spitze einen Ausdruck, der trotzdem von Individualität und Freiheit zeugt. Zu Beginn des ersten Satzes sieht man zunächst eine in zartem Blau gekleidete Tänzerin allein auf der Bühne, der sich bald weitere Tänzerinnen und schließlich auch Tänzer in ähnlichem Blau anschließen. Der zweite Satz wird dann von mehreren Pas de deux dominiert, während im dritten Satz dann alle Tänzerinnen und Tänzer im Ensemble wieder zusammenfinden.

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Double You: Denis Untila im inneren Kampf

Es folgt das Solo Double You, das Jiří Kylián 1994 für den Tänzer Gary Chryst kreiert hat. Kylián hatte Chryst in den 80er Jahren in New York bei einer Aufführung eines Klassikers der Ballets russes kennengelernt und war so begeistert von ihm, dass er ihn Jahre später dazu einlud, Teil des NDT III (Kyliáns Compgnie für ältere Tänzerinnen und Tänzer) zu werden. Zu Johann Sebastian Bachs Partita Nr. 4 in D-Dur, BWV 828 beschäftigt sich die Choreographie mit den Themen Verlust, Tod und Trauerarbeit. Anlass dafür war der Tod eines engen Freundes von Chryst. Der Titel steht für den Buchstaben "W" (englische Aussprache) und versucht, im Tanz spielerisch Wörter einzubeziehen, die mit diesem Buchstaben beginnen. In Essen übernimmt der großartige Denis Untila das Solo. Zunächst sieht man ihn mit dem Rücken zum Publikum. Verzweifelt versucht er, den sich öffnenden Vorhang aufzuhalten. Der Verlust des Freundes hat vielleicht dazu geführt, dass er nicht mehr vor Publikum auftreten möchte. Im Hintergrund der Bühne sieht man zwei schwingende Pendel, die an eine Uhr erinnern. Der erste Teil findet ohne Musik statt. Mit ausdrucksstarken modernen Bewegungen macht Untila den inneren Kampf deutlich, in dem er sich gegen den Verlust zu wehren scheint. Dabei geht von den beiden schwingenden Pendeln eine gewisse Gnadenlosigkeit aus. Untila versucht, die Zeit aufzuhalten, sich ihr quasi entgegenzustellen, allerdings ohne Erfolg. Dann beginnt die Musik. Die Bewegungen werden fließender und schließlich scheint es Untila zu gelingen, seine Trauer zu bewältigen. Das Publikum goutiert dieses eindrucksvolle Stück mit großem Applaus.

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Mutual Comfort: Larissa Machado und Matheus Barboza de Jesus bleiben auf Abstand.

Das nächste Stück stammt von Edward Clug und stellte 2015 sein Debüt beim Nederlands Dans Theater und damit auch seinen künstlerischen Durchbruch dar. Mutual Comfort zeigt zwei Tänzerinnen und Tänzer, die gegenseitig versuchen, einander Trost zu spenden. Dabei wählt jeder von ihnen einen anderen Ansatz. Aber jeder einzelne Versuch ist zum Scheitern verurteilt. Die Musik stammt von dem slowenischen Komponisten, Pianisten, Cembalisten und Saxophonisten Milko Lazar, der sich vor allem im Bereich der zeitgenössischen klassischen Musik und der Jazzmusik einen Namen gemacht hat. "PErpeTuumOVIA" ist eine in Takt, Rhythmus und Tonfolgen fließende Komposition und geht nahtlos in die wechselnden Konstellationen der Tänzerinnen und Tänzer auf der Bühne über. Zu Beginn sieht man eine Frau und zwei Männer. Während die Männer nur lässig cool den Kopf bewegen, zeigt die Frau wesentlich mehr Aktion. Man hat den Eindruck, dass das Kopfnicken eine gewisse Form der Zustimmung zu ihren Bedürfnissen ausdrückt, sie dabei aber nicht wirklich ernst nimmt. Deswegen versucht die Frau auch immer wieder, diese Starre der Männer zu durchbrechen. Auch bei den weiteren Begegnungen der vier Tänzer*innen untereinander sind es die kleinen Details, die bestechen und deutlich machen, wieso die einzelnen Tänzerinnen und Tänzer nicht zusammenfinden können.

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Percussion: Ensemble

Den Abschluss bildet ein Stück, das schon in der Ballettgala Tütü mit Schuss vor zwei Wochen zu erleben war: Percussion. Diese Choreographie stammt von Ballettdirektor Ben Van Cauwenbergh, der eher für eine klassische Bewegungssprache bekannt ist, und Armen Hakobyan, der das moderne Tanzvokabular pflegt. Van Cauwenbergh hat dieses Stück bereits vor vielen Jahren mit einem reinen Männerensemble realisiert, um die technischen Möglichkeiten seiner Compagnie zu zelebrieren. Nun werden auch die Tänzerinnen einbezogen, und es kommt zu einem Kampf der Geschlechter. Die Musik stammt von Joji Hirota & Taiko Drummers. "Harvest" strahlt mit den perkussiven Klängen pure Energie und Kraft aus, die von den schwarz gekleideten Tänzerinnen und Tänzern mit kraftvollen Sprüngen umgesetzt werden. Zunächst sieht man nur die Tänzer auf der Bühne, die mit einer gewissen Lebensfreude ihre Freiheit zelebrieren. Es folgen die Tänzerinnen, die deutlich machen, dass sie sich von einer Männer dominierten Gesellschaft nicht in die Schranken weisen lassen. Im Anschluss werden dann Bühnenelemente mit eingerahmten Scheiben auf die Bühne gefahren, die ein wenig an den Ballettabend Moving Colours erinnern, den Hakobyan gemeinsam mit Denis Untila 2018 für das Aalto-Ballett auf Musik von Dirk Haubrich kreiert hat. Das Stück bietet einen rasanten Abschluss des Tanzabends, der vom Publikum mit teilweise stehenden Ovationen gefeiert wird.

FAZIT

Der Ballettabend bietet in der Musikauswahl und in den unterschiedlichen Tanzstilen ein breites Spektrum, das von der Klassik bis zur Moderne führt.


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A Million Kisses to My Skin

Musik von Johann Sebastian Bach

Produktionsteam

Choreographie und Bühne
David Dawson

Einstudierung
Christiane Marchant

Kostüme
Yumiko Takeshima

Licht
Bert Dalhuysen

Besetzung

1. und 3. Satz
Mika Yoneyama
Elisa Fraschetti
Yurie Matsuura
Adeline Pastor
Ekaterina Mamrenko
Yuki Kishimoto
Wataru Shimizu
Davit Jeyranyan
Ige Cornelis

2. Satz
Yurie Matsuura
Wataru Shimizu
Yuki Kishimoto
Ige Cornelis
Adelina Pastor
Davit Jeyranyan

 

Double You

Musik von Johann Sebastian Bach

Produktionsteam

Choreographie und Bühne
Jiří Kylián

Einstudierung
Urtzi Aranburu
Stefan Zeromski

Kostüme
Joke Visser

Licht und Technische Adaption
Kees Tjebbes

Besetzung

Denis Untila

 

Mutual Comfort

Musik von Milko Lazar

Produktionsteam

Choreographie, Bühne und Kostüme
Edward Clug

Einstudierung
Aya Misaki

Licht
Tom Visser

Besetzung

Larissa Machado
Matheus Barboza de Jesus
Yuki Kishimoto
Yegor Hordiyenko

 

Percussion

Musik von Joji Hirota & Taiko Drummers

Choreographie
Ben Van Cauwenbergh
Armen Hakobyan

Bühne und Kostüme
Ben Van Cauwenbergh

Besetzung

Tänzerinnen und Tänzer des Aalto Ballett Essen




Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Essen
(Homepage)




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