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Musiktheater
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Giulio Cesare (Julius Cäsar in Ägypten)

Oper in drei Akten
Libretto von Nicola Francesco Haym
Musik von Georg Friedrich Händel

in italienischer Sprache mit deutsch Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus im MiR am 11. Juni 2021

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Musiktheater im Revier
(Homepage)

Augenzwinkernde Geschichtsstunde mit dem Librettisten

Von Thomas Molke / Fotos:© Karl und Monika Forster

Knapp vier Wochen vor der Sommerpause öffnet auch das Musiktheater im Revier wieder die Pforten für das Publikum. Nachdem gerade erst das Musical Avenue Q und die Hindemith-Oper Hin und Zurück als Video-Stream herausgekommen sind, kann Georg Friedrich Händels große Barockoper Giulio Cesare in Egitto, von der es bis jetzt in Gelsenkirchen nur Stream-Einblicke in die Erarbeitung im Internet gab, doch noch in einer, wie Intendant und Regisseur Michael Schulz es vor der Vorstellung zur Begrüßung des Publikums bezeichnet, "corona-konformen" Fassung vor der Sommerpause Premiere feiern. Schulz gibt dabei einerseits seiner unbändigen Freude Ausdruck darüber, im Juni endlich wieder vor Publikum spielen zu dürfen, und bemerkt andererseits, dass es von dieser Produktion insgesamt vier Mal eine Generalprobe gegeben habe, da man immer wieder gehofft habe, dass eine Öffnung des Hauses möglich sei, was zeigt, wie die Pandemie auch die Kulturschaffenden in diesen Monaten der Ungewissheit belastet hat. Dass eine solche Planung überhaupt möglich ist, funktioniert nur mit einer umsichtigen Ensemble-Politik, die ja gerade in Gelsenkirchen großgeschrieben wird. Im Gegensatz zu anderen Bühnen wie beispielsweise Essen, Krefeld, Mönchengladbach und Münster wird in Gelsenkirchen sogar mit Pause gespielt, und die Gastronomie ist wieder geöffnet. Große Schritte zurück in die Normalität?

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Cleopatra (Dongmin Lee) verführt Cesare (Rina Hirayama).

Händels Oper handelt von der berühmten - wenn auch wahrscheinlich in großen Teilen fiktiven - Liebesgeschichte zwischen Gaius Julius Caesar (Giulio Cesare) und der ägyptischen Königin Kleopatra (Cleopatra) am Ende des römischen Bürgerkriegs in der Mitte des ersten vorchristlichen Jahrhunderts. Cesare hat seinen Gegner Pompeo besiegt und ist diesem nach Ägypten gefolgt. Tolomeo, der dort mit seiner Schwester Cleopatra um die Königskrone streitet, sucht in Cesare einen Verbündeten, indem er ihm das abgeschlagene Haupt Pompeos als Geschenk überreicht. Doch damit zieht er sich nicht nur den Hass von Pompeos Witwe Cornelia und ihrem Sohn Sesto zu, der Rache für den Mord am Vater nehmen möchte. Auch Cesare ist von diesem Umgang mit seinem Bürgerkriegsgegner entsetzt und wendet sich Cleopatra zu, die ihn obendrein mit ihren weiblichen Reizen verzaubert. Tolomeo verübt einen Anschlag auf den römischen Feldherrn, dem dieser jedoch mit einem Sprung ins Meer entgeht, und lässt seine Schwester einsperren. Doch Cesare entkommt den Fluten und fügt Tolomeos Truppen eine entscheidende Niederlage zu. Sesto tötet Tolomeo, und Cornelia und Cleopatra werden aus der Gefangenschaft befreit. Cleopatra und Cesare schwören sich ewige Liebe, und sie darf als tributpflichtige Königin von Roms Gnaden den ägyptischen Thron besteigen.

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Nicola Franceso Haym (Klaus Brantzen, 3. von links) präsentiert das Happy End: von links: Cornelia (Noriko Ogawa-Yatake), Sesto (Bele Kumberger), Cleopatra (Dongmin Lee), Cesare (Rina Hirayama), Achilla (Philipp Krunjc), Curio (Timothy Edlin) und Tolomeo (Etienne Walch).

Michael Schulz fügt in seine Inszenierung als neue Figur Händels Librettisten Nicola Francesco Haym ein, der einerseits als eine Art Spielleiter durch die Oper führt und andererseits kleinere Rollen wie beispielsweise Cleopatras Kammerdiener Nireno übernimmt. Zu Beginn betritt er mit drei Kammerdienern die Bühne und lässt sich ein Cello reichen, mit dem er Cleopatras berühmte Arie "Piangerò la sorte mia" anstimmt. Dabei erzählt er, dass er ein begnadeter Cellist gewesen sei und wie Händel Opern komponiert habe, allerdings mit weit weniger Erfolg. Ob seine anschließende Wut, die er auf den Hallenser Komponisten äußert, Realität oder Fiktion ist, lässt sich schwer beurteilen. Immerhin schrieb und bearbeitete er auch nach Giulio Cesare zahlreiche Libretti für ihn. Dass Händel jedoch die Partie der Cleopatra für Hayms Gattin, Barbara Turpini, komponiert und außerdem mit dieser eine heftige Affäre gehabt habe, dürfte hingegen genauso dem Bereich der Fiktion entstammen wie die verklärte Liebesbeziehung zwischen Caesar und Kleopatra. Die Partie der Cleopatra wurde für die legendäre Francesca Cuzzoni komponiert. Sieht man von diesen kleinen Eingriffen ab, bleibt Schulz in seiner Inszenierung der auf unter drei Stunden gekürzten Fassung dem Original relativ treu und präsentiert die Oper als unterhaltsame Geschichtsstunde mit wunderbarer Barockmusik.

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Achilla (Philipp Kranjc) bewacht Cornelia (Noriko Ogawa-Yatake) und Sesto (Bele Kumberger, unter dem Reifrock).

Klaus Brantzen, der als Haym im Stil des 18. Jahrhunderts auftritt, lässt zu Beginn einen riesigen roten Vorhang aus dem Schnürboden herabkommen, durch den die Figuren des Spiels zunächst in Alltagskleidung auftreten, bevor sie dann in ihre Rollen schlüpfen. Renée Listerdahl wählt für die Kostüme einen Mix aus antikem Touch gepaart mit Barockanspielungen. So trägt beispielsweise Cornelia einen ausladenden Reifrock, der bisweilen auch als eine Art Kerker fungiert. Den abgeschlagenen Kopf ihres Gatten Pompeo trägt sie wie einen wertvollen Schatz in ihrer großen schwarzen Handtasche immer bei sich. Dirk Becker deutet mit einzelnen Bühnenelementen die unterschiedlichen Szenen und Spielorte pittoresk an. Da dürfen vereinzelte Pyramiden in einer Art überdimensionalem Sandkasten, in dem Tolomeo und Cleopatra zu Beginn der Oper um die Herrschaft kämpfen, genauso wenig fehlen wie das riesige Bett und die Badewanne, wo Cesare Cleopatras Reizen erliegt. Wenn Tolomeo die Römer angreift, fallen riesige Säcke aus dem Schnürboden herab, die die ganze Bühne mit grobem Sand übersäen. Passend ist der goldene Käfig, in den Sesto wie ein kleiner Vogel gesperrt wird, während seine Mutter Cornelia in Tolomeos Haremsgärten die Blumen an einem riesigen Blumenkasten pflegen muss. Wenn die beiden in dieser Situation direkt vor der Pause zu ihrem berühmten Duett "Son nata a lagrimar" ansetzen, in dem Sesto von seiner Mutter Abschied nimmt, bewegt das nicht zuletzt durch Bele Kumbergers (Sesto) und Noriko Ogawa-Yatakes (Cornelia) Spiel sehr.

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Tolomeo (Etienne Walch) und Cleopatra (Dongmin Lee) streiten um die Herrschaft über Ägypten.

Musikalisch sind neben den regulären Ensemble-Mitgliedern auch Mitglieder des Opernstudios NRW und des Jungen Ensembles am MiR zu erleben. Da ist zunächst Rina Hirayama in der Titelpartie zu erwähnen. Während sie in Cesares erster großer Arie "Empio, dirò, tu sei, togliti" in den Koloraturen noch ein bisschen blass bleibt, wenn Cesare Tolomeo seine ganze Verachtung über den ihm präsentierten abgeschlagenen Kopf des Pompeo entgegenschleudert, gewinnt ihr Mezzosopran an Kraft in der Gleichnisarie "Va tacito e nascosto", wenn Cesare seinen Plan, gegen Tolomeo vorzugehen, mit einem Jäger vergleicht, der die Beute geschickt in die Falle lockt. Mit großer Komik punktet Hirayama, wenn sie beim Festhalten des überdimensionalen Schwertes die Unterstützung ihres Tribuns Curio (Opernstudio-Mitglied Timothy Edlin mit respektablem Bass Bariton und überzeugendem Spiel) benötigt. Mit weich angesetzten Tönen interpretiert sie "Quel torrente, che cade dal monte", wenn Cesare im letzten Akt aus den Fluten gerettet worden ist. Etienne Walch, ebenfalls Mitglied des Opernstudios, lässt als Tolomeo mit beweglichem Counter aufhorchen und spielt die Verrücktheit dieses kindlichen Monarchen großartig aus. Philipp Kranjc setzt als Achilla mit dunklem Bass Akzente.

Dongmin Lee wird nicht nur optisch der ägyptischen Königin mehr als gerecht. Auch stimmlich gelingt es ihr, mit ihrem glockenklaren Sopran die Faszination dieser Figur herauszuarbeiten. Das gilt sowohl für ihre Arie "V'adoro, pupille" im zweiten Akt, wenn sie in einer Theateraufführung mit wehendem Gewand ihre Reize spielen lässt und Cesare verzaubert, als auch in den zerbrechlich wirkenden Tönen in ihrer großen Klage-Arie "Se pietà di me non senti" am Ende des zweiten Aktes, wenn sie glaubt, dass Cesare in den Fluten ertrunken ist. Die gleiche Fragilität beweist sie auch in der berühmten Arie "Piangerò la sorte mia", wenn sie auf ihre Hinrichtung wartet. Bele Kumberger punktet als Sesto mit jugendlichem Sopran, der in den Höhen enorme Durchschlagskraft besitzt und die Rachegedanken des jungen Mannes spürbar macht. Gleichzeitig gelingt es ihr, die Unentschlossenheit dieser Figur und ihre Schwäche glaubhaft herauszuarbeiten. Noriko Ogawa-Yatake überzeugt als Cornelia mit dunkel gefärbtem Sopran und findet mit Kumberger in dem oben erwähnten Duett zu einer bewegenden Innigkeit. Giuliano Betta arbeitet mit der Neuen Philharmonie Westfalen Händels wunderbaren Klang detailliert heraus und rundet den musikalischen Genuss des Abend hervorragend ab.

FAZIT

Die Wiedereröffnung der Spielzeit vor Publikum nach siebenmonatiger Zwangspause kann in Gelsenkirchen als mehr als gelungen bezeichnet werden.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Giuliano Betta

Inszenierung
Michael Schulz

Bühne
Dirk Becker

Kostüme
Renée Listerdahl

Licht
Thomas Ratzinger

Dramaturgie
Anna Chernomordik

 

Neue Philharmonie Westfalen

Statisterie des MiR

 

Besetzung

*Premierenbesetzung

Giulio Cesare
Rina Hirayama

Cleopatra
Dongmin Lee

Tolomeo
Etienne Walch

Cornelia
Almuth Herbst /
*Noriko Ogawa-Yatake

Sesto
Lina Hoffmann /
*Bele Kumberger

Achilla
Timothy Edlin /
*Philipp Kranjc

Curio
*Timothy Edlin /
Philipp Kranjc

Nicola Francesco Haym
Klaus Brantzen

 

 


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