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Der Liebestrank (L'elisir d'amore)

Komische Oper in zwei Akten
Libretto von Felice Romani
Musik von Gaetano Donizetti, in einer Orchesterbearbeitung von Rodrigo Tomillo

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 40' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 12. Juni 2021


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Liebestrank als Stück im Stück

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Hagen zählt zu den Städten in NRW, in denen relativ hohe Inzidenzwerte in der Corona-Pandemie das öffentliche Leben etwas länger ausgebremst haben als anderswo. Dennoch sinken jetzt auch hier die Fallzahlen, und das Theater Hagen hat alles darangesetzt, den Spielbetrieb vor der Sommerpause vor Publikum wieder aufnehmen zu können. Zwar darf die Innengastronomie noch nicht geöffnet werden, und ein Theaterbesuch ist für das Publikum mit einem gewissen organisatorischen Aufwand verbunden. Aber die Sehnsucht nach den Brettern, die die Welt bedeuten, ist auch in Hagen groß, und so kann man sich am ersten Spieltag nach der über siebenmonatigen Zwangspause über eine nahezu ausverkaufte Premiere von Gaetano Donizettis Liebestrank freuen, auch wenn durch die Hygiene- und Abstandsregeln jede zweite Reihe komplett und in den besetzten Reihen ebenfalls mehrere Plätze frei bleiben müssen. Intendant Francis Hüsers bedankt sich vor der Vorstellung bei dem unermüdlichen Einsatz seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die geholfen haben, diesen organisatorischen Kraftakt in so kurzer Zeit zu stemmen, und lädt das Publikum als Dankeschön auf einen Gratissekt nach der Vorstellung im Innenhof ein. Eine Premierenfeier sei zwar noch nicht erlaubt, aber ein "gemeinsames Sekttrinken vor dem Nachhausegehen" durchaus. Dass auch hierbei die Abstands- und Hygieneregeln eingehalten werden, versteht sich natürlich von selbst.

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Quacksalber Dulcamara (Insu Hwang, mit Mitgliedern des Chors) preist seine Tränke an.

Donizettis L'elisir d'amore war eigentlich nur als Lückenbüßer für das Mailänder Teatro della Canobbiana gedacht und entstand in einer Rekordzeit von zwei bis vier Wochen. Die Geschichte übernahmen Donizetti und sein Librettist Felice Romani nahezu eins zu eins aus der ein Jahr zuvor uraufgeführten französischen Oper Le philtre, die Daniel-François-Esprit Auber auf ein Libretto von Eugène Scribe komponiert hatte und die heute in Vergessenheit geraten ist. Dass Donizettis Oper bereits bei der Uraufführung 1832 einen der größten Erfolge für den Komponisten markierte und sich bis heute als gängiges Stück im Opernrepertoire halten kann, mag nicht zuletzt an einer der populärsten Arien der Opernliteratur liegen: "Una furtiva lagrima", ein Stück, das jeder lyrische Tenor bei einem Konzert zumindest als Zugabe in petto haben dürfte. Dazu gab es in der französischen Fassung von Auber kein Pendant. Überhaupt zeichnen Romani und Donizetti die Figuren im Stück weniger scherenschnittartig und ermöglichen ihnen damit ein breiteres Spektrum von komischen und gefühlvollen Szenen, die den Charme des Werkes ausmachen.

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Nemorino (Anton Kuzenok) ist unglücklich in Adina (Penny Sofroniadou) verliebt.

Die Oper liest sich nahezu wie eine Parodie auf den fatalen Liebestrank in Wagners Tristan und Isolde, obwohl Donizettis Werk über 30 Jahre vor Richard Wagners Musikdrama entstand. Doch der in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts entstandene Tristan-Stoff erfreute sich auch zu Donizettis Zeiten großer Beliebtheit, dass es nicht verwundert, dass die schöne wohlhabende Pächterin Adina zu Beginn des Stückes den Arbeitern aus diesem Roman vorliest und der junge mittellose Bauer Nemorino, der unsterblich in Adina verliebt ist, davon träumt, mit einem solchen Trank ihr Herz gewinnen zu können. Da kommt der reisende Doktor Dulcamara ihm gerade recht. Denn er hat angeblich genau diesen Trank in seinem Gepäck. Eile ist geboten, da mittlerweile der selbstgefällige Sergeant Belcore Adina einen Heiratsantrag gemacht hat, den diese auch annehmen will. Da Nemorino nicht genug Geld besitzt, den Trank zu erwerben, verschreibt er sich kurzerhand dem Militär. Sofort scheint der Trank seine Wirkung zu zeigen, da Nemorino plötzlich von zahlreichen Frauen umgarnt wird. Was er allerdings im Gegensatz zu den Frauen nicht weiß, ist, dass er mittlerweile eine große Summe von seinem verstorbenen Onkel geerbt hat und damit eine gute Partie für die Frauen des Dorfes darstellt. Adina wird sich allmählich ihrer Gefühle für Nemorino bewusst. Als sie von Dulcamara erfährt, welchen Preis Nemorino gezahlt hat, kauft sie ihn vom Militär wieder frei und gesteht ihm ihre Liebe. So kann Dulcamara sich am Ende als Wunderheiler feiern lassen und den Erfolg seines Liebestranks anpreisen.

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Adina (Penny Sofroniadou) lässt sich von Belcore (Kenneth Mattice) umgarnen.

Francis Hüsers verlegt in seiner Inszenierung die Geschichte in den Probensaal einer Musikhochschule, in der sich die Studierenden auf eine Aufführung von Donizettis Oper vorbereiten. Der erste Akt wird dabei als Probe gezeigt, in der die Studierenden in Alltagskleidung auftreten und für einzelne Szenen in die Kostüme schlüpfen, die den Figuren der Commedia dell'arte entlehnt sind. Der zweite Akt spielt dann während der Premiere. Alfred Peter hat für diesen Ansatz eine Bühne auf der Bühne entworfen, die aus einem riesigen Holzpodest besteht, das wie bei fahrenden Schauspieltruppen ohne weiteres Bühnenbild auskommt. Im ersten Akt wird dieses Podest von dem Saal eingerahmt, in dem die Probe stattfindet. Im zweiten Akt ist dieser Saal mit schwarzen Vorhängen abgehängt. Als neue Figuren werden der regieführende Professor (Dan K. Kurland) und der "Handlanger" Sebastian (Sebastian Klug) eingeführt. Kurland unterbricht den ersten Akt stellenweise mit Regieanweisungen oder maßregelt die Darsteller*innen, wenn sie zu spät auftreten oder etwas vergessen. Im zweiten Akt versucht er, mit einer gewissen Komik scheinbare Patzer in der Aufführung des Stücks im Stück auszubügeln. So hat Belcore beispielsweise den Vertrag vergessen, mit dem sich Nemorino beim Militär verpflichten soll. Kurland bemüht sich verzweifelt, Belcore die erforderliche Requisite zukommen zu lassen, wobei die beiden sich aber immer verpassen.

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Adina (Penny Sofroniadou) erkennt, dass sie Nemorino (Anton Kuzenok) liebt.

Wieso Hüsers jedoch auf der Metaebene die Beziehung der Studierenden untereinander durchleuchtet, erschließt sich nicht. Dass der Darsteller des Nemorino auch in die Darstellerin der Adina verliebt ist, mag ja am Ende noch aufgehen, indem die beiden dann nicht nur in der gespielten Komödie sondern auch so zusammenfinden. Vielleicht schlüpft Adina deshalb am Ende aus ihrem Kostüm, um zu zeigen, dass auch die Schauspielerin ihre Gefühle für den Kollegen erkennt, den sie während der Probe immer barsch abgewiesen hat. Aber welchen Mehrwert es für das Stück haben soll, dass sich zwischen den beiden Darstellern des Belcore und des Dulcamara eine Beziehung anzubahnen scheint, erschließt sich nicht und ist auch in der Inszenierung nicht zu Ende gedacht. Zwar gelingt es Insu Hwang als Dulcamara-Darsteller, der sich wohl schon zu seinem Coming Out bekannt hat, sehr eindringlich, ohne Worte Kenneth Mattice als Belcore-Darsteller Avancen zu machen, vor denen Mattice hingegen, der als Darsteller anders als in der Rolle des Belcore große Unsicherheit zeigt, ein wenig ängstlich zurückweicht. Aber da dieser Handlungsstrang im weiteren Verlauf nicht wieder aufgegriffen werden kann, fragt man sich, was das soll.

Musikalisch lässt der Abend keine Wünsche offen. Alle Rollen sind mit Ensemble-Mitgliedern besetzt, was die Vorbereitung dieser Produktion sicherlich erleichtert haben dürfte, da man, ohne genau zu wissen, wann eine Aufführung wirklich möglich ist, kaum mit Gästen planen kann. Penny Sofroniadou begeistert als Adina mit leuchtendem Sopran, der in strahlenden Bögen fließt. Sehr glaubhaft gestaltet sie den Wandel von der kühlen und abweisenden zur liebenden Frau, die erkennt, wie viel ihr Nemorino bedeutet. Anton Kuzenok stattet den Bauernjungen Nemorino mit lyrisch weichem Tenor aus. Die berühmte Arie "Una furtiva lagrima" gelingt ihm mit tenoralem Schmelz und viel Gefühl. Stimmlich harmoniert er auch sehr gut mit Sofroniadou in den Duetten, auch wenn es im ersten Akt ein wenig schade ist, wenn das intensive Spiel von Mattice und Hwang am Rande der Bühne in einer Garderobe während des Duetts von Nemorino und Adina den beiden Liebenden ein wenig die Aufmerksamkeit stiehlt. Kenneth Mattice gestaltet den selbstherrlichen Belcore mit virilem Bariton und selbstbewusstem Spiel, zeigt den Darsteller hinter der Figur allerdings als sehr unsicheren Charakter. Insu Hwang punktet als Dulcamara mit großem Spielwitz. Sein Anpreisen der zahlreichen Tränke und die Barcarole mit Sofroniadou im zweiten Akt können als weitere musikalische Höhepunkte des Abends bezeichnet werden. Die kleine Partie der Gianetta ist mit Chor-Mitglied Kisun Kim ebenfalls gut besetzt. Wegen der Corona-Auflagen besteht der übrige von Wolfgang Müller-Salow einstudierte Chor aus nur acht Choristen, die zwar nicht die gleiche Wucht wie ein kompletter Chor entfalten. Aber man kann in diesen Zeiten eben nicht alles haben, und das Stück funktioniert auch mit einer kleinen Chorbesetzung gut. Rodrigo Tomillo hat für das Orchester eine "corona"-bearbeitete Fassung erstellt, die die Leichtigkeit des Stückes unterstreicht. So gibt es am Ende verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Auch wenn szenisch nicht alles nachvollziehbar ist, bietet diese Produktion musikalisch einen mehr als gelungenen Einstieg nach siebenmonatiger Theater-Abstinenz.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rodrigo Tomillo

Inszenierung
Francis Hüsers

Bühne
Alfred Peter

Kostüme
Katharina Weissenborn

Choreographie
Francesco Vecchione

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Licht
Martin Gehrke

Dramaturgie
Rebecca Graitl

 

Philharmonisches Orchester Hagen

Chor des Theaters Hagen


Besetzung

*Premierenbesetzung

Adina
Penny Sofroniadou

Nemorino
Anton Kuzenok

Belcore
Kenneth Mattice

Dulcamara
Insu Hwang

Gianetta
Nina Andreeva /
*Kisun Kim

Regieführender Professor
Dan K. Kurland

Sebastian
Sebastian Klug

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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