-
Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
|
|
Jüdisches Leben zwischen Knödeln und WagnerVon Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclaire
Wir feiern 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland - im Jahr 321 verfügte der römische Kaiser Konstantin, dass Menschen jüdischen Glaubens in der Kölner Stadtregierung hohe Ämter bekleiden dürfen. Mag diese Zahl selbst eher symbolischen Charakter haben - jüdische Kultur im weiteren Sinne ins Bewusstsein zu rücken in Zeiten erstarkenden Antisemitismus, das ist allemal angebracht. Die Kölner Oper steuert einen Abend mit Musik weitgehend aus jiddischen Operetten bei (dieses Genre entwickelte sich als Begleiterscheinung des jiddischen Theaters u.a. am Broadway). Das meiste ist so gut wie unbekannt; von Leo Fall gibt´s die Arie Heut´ könnt einer sein Glück bei mir machen aus Madame Pompadour. Rozhinkes mit Mandlen im Satz des jiddischen Theartermachers und Komponisten Abraham Goldfaden ist ein im Judentum populäres Wiegenlied. Nicht alle Nummern sind ganz große Kunst, aber sie dienen hier auch als Gebrauchsmusik, denn Christian von Götz hat eine Geschichte drumherum geschrieben, die er als "musikalische Farce" bezeichnet. Lea Singer, gealterte Opernsängerin, wohnhaft in Köln-Mühlheim
Da sinniert die nicht mehr junge Opernsängerin Lea in ihrer Mietswohnung in Köln-Mühlheim über ihre Vorfahren, die prompt aus dem Mobiliar hervorkriechen - und Lea selbst verwandelt sich in ihre eigene Ururgroßmutter. Verkörpert wird sie von Daliah Schaechter, in Israel geboren und seit einem Vierteljahrhundert an der Kölner Oper beschäftigt, und das Stück ist ganz auf sie fixiert. Die Idee ist ja ganz hübsch, es verweist auf Tradition und geht einigermaßen respektlos damit um, es nimmt die Figuren unernst und ernst zugleich. Auch das Erscheinen des Komponisten Abraham Goldfaden nimmt man einigermaßen gerne hin. Aber die Farce ist alles in allem leider arg schwerfällig geworden, verliert sich viel zu oft in angestrengten Frivolitäten und sucht vergeblich nach so etwas wie einer zündenden Geschichte. Lea hat sich verwandelt in Urgroßmutter Rahel; rechts die junge Lea, oben der Impresario und Komponist Abraham Goldfaden
Im Saal 3 des Köln-Deutzer Staatenhauses sitzt das Publikum rechts und links der Bühne, auf der Ausstatter Pascal Seibecke auf engem Raum eine etwas chaotische, aber mit Sinn für Farbgestaltung eingerichtete Mehrzimmerwohnung darstellt. Leider bleibt in der Unordnung zu wenig Platz für die Darsteller, die oft auf der Stelle herumtänzeln, dass man sich verschämt wegdrehen möchte. Wenn das Klo zum Urinieren wie zum Übergeben genutzt wird, erfordert das auch einen eher groben Sinn für Humor. Die gesprochenen Texte leiden darunter, dass sie mal zur einen, mal zur anderen Seite der Bühne gesprochen werden, und dadurch geht auch schon mal ein Satz verloren. Insgesamt viel szenisch-dramaturgischer Leerlauf um Belanglosigkeiten wie Knödel herum. Nun ja, auch das jüdische Leben hat halt seine banalen Seiten. Erst gegen Ende verdichtet sich die Farce, die bestenfalls ein harmloser Schwank ist, und balanciert Humor ("Witz" wäre zu viel des Guten) und Sentiment einigermaßen aus, sodass zum Applaus dann noch mitgeklatscht und von Grenzgängern mitgesungen wird. Der Geiger Leyser Janowski und die junge Lea
Im Programmheftchen sinniert Christian von Götz (der auch Regie führt), die Werke Richard Wagners sollten auf jiddisch aufgeführt werden, um "diese zu ironisieren und menschlicher machen zu können". Eher unwahrscheinlich, dass ein Opernhaus sich darauf einlässt, und so probiert er es eben hier aus, zumindest im Kleinstformat. Aber der Liebestod aus Tristan und Isolde eignet sich denkbar schlecht dafür, denn da gibt es nicht viel zu ironisieren. Aber vermutlich wollte Daliah Schaechter das einfach mal singen, macht sie auch ganz hübsch zur kammermusikalischen Begleitung. Prompt kommt im Stück der Anruf von der New Yorker MET mit dem Rollenangebot - nur nicht die Isolde, sondern Offenbachs Schöne Helena. Das hätte man tatsächlich zu einer gelungenen Pointe ausbauen können. Hier muss man sich diese irgendwie selbst denken. Uroma Gisse
Claudia Rohrbach gibt mit schöner Stimme die Uroma Gisse (die, wie man erfährt, im KZ ermordet werden wird - von Götz unterschlägt den Holocaust nicht, das ist ganz geschickt gelöst). Matthias Hoffmann spricht als Abraham Goldfaden ein wenig im Gestus von Marcel Reich-Ranicki, was man, sollte es beabsichtigt sein, als ein wenig geschmacklos empfinden könnte; der Darsteller hat aber Bühnenpräsenz. Dustin Drosdziok als Geiger potentieller Kindsvater und Stefan Hadzič als Essensbote klingen ein wenig angestrengt, und Tänzerin Verena Hierholzer als junge Lea sieht niedlich aus und bewegt sich, als wolle sie einer gestrengen Tanzlehrerin zeigen, dass sie alles richtig macht: Braver geht´s nicht. Unter der Leitung von Rainer Mühlbach begleitet die Kapelle unaufdringlich.
Ziemlich zäh schleppt sich der Abend dahin, der irgendwie sagen will: Ziemlich meschugge, aber doch ganz sympathisch, dieses jüdische Leben. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Musikalische Arrangements
Licht
Dramaturgie
Solisten
Lea, Sängerin / Urgroßmutter Rahel
Leyser Janowski, Geiger
Uroma Gisse
Israel Teitelbaum, Schächter /
Joseph, Regieassistent /
Lea 2
|
© 2021 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de