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Von Stefan Schmöe / Fotos von Christian POGO Zach
"Jeder nur ein Kreuz!"Mit dem Spielfilm Das Leben des Brian (1979, im Original Monty Python´s Life of Brian) hat die britische Komikergruppe Monty Python allen, die mit dem Film aufgewachsen sind, einen umfangreichen Zitatenschatz bereitgestellt. Die Vorlage später zur Bühnenshow umzuarbeiten, ist daher einerseits eine naheliegende Reverenz an alle Fans, die auf ein Stichwort hin die passende Pointe im Kopf haben; aber andererseits muss man ja etwas bieten, was der Film nicht kann. Eric Idle, Mitglied der Pythons und Verfasser der wichtigsten Songs in den Filmen, erstellte gemeinsam mit John Du Prez (der die Musik des Python-Films Der Sinn des Lebens geschrieben hatte) ein "komisches Oratorium" unter dem Titel Not the Messiah (He's a Very Naughty Boy!), das 2007 uraufgeführt wurde - bereits ein paar Jahre zuvor hatten die beiden das Musical Spamalot (nach dem Monty-Python-Film Die Ritter der Kokosnuss) auf die Bühne gebracht. Das Münchner Gärtnerplatztheater erprobt das Brian-Oratorium nun erstmals in deutscher Sprache. Um es vorwegzunehmen: Es funktioniert.
Für alle, die den Film nie gesehen haben, ein paar Worte zum Inhalt: Brian wird zeitgleich zu Jesus Christus geboren, einen Stall weiter, von einer keineswegs jungfräulichen Mutter und ohne jeglichen messianischen Anspruch. Durch eine Mischung aus Tollpatschigkeit und unglücklichen Zufällen hält ihn eine überaus erlösungswütige Volksmenge jedoch für den ersehnten Heiland, was letztendlich zur Kreuzigung Brians führt. Dabei ist der Film keineswegs eine Parodie auf das Neue Testament, auch nur ansatzweise auf Bibelverfilmungen, sondern zieht einen Großteil seines Witzes vor allem aus der persiflierenden Darstellung einer Gesellschaft, die auch im größten Unsinn noch ein vermeintliches Zeichen erkennt, die vor Fanatismus und Dogmatismus jeden klaren Blick verliert und sich in den eigenen "Überzeugungen" hoffnungslos verheddert (die Widerstandskämpfer gegen die römischen Besatzer wissen nie so genau, in welcher Splittergruppe sie sich gerade befinden und für welche Ziele sie überhaupt kämpfen). Und dann ist da der unvergleichliche Sinn der Pythons für das Absurde und unerwartete Brüche: Als Brian von einer römischen Wache dabei überrascht wird, wie er - grammatisch falsch - Widerstandsparolen auf die Mauern schmiert, muss er zur Strafe hundertmal den korrekten Satz aufpinseln. Aus einem Historienfilm wird da völlig unerwartet eine Schulparodie. Mutter und Sohn: Anna Agathonos und Maximilian Mayer
Die Fülle an Gags wie im Film kann und will das Oratorium nicht bieten. Stattdessen setzen Idle und du Prez auf akustische Dauerattacke nach aller Musical-Kunst. Dabei ist die Musik an allen Ecken und Enden der Musikgeschichte zusammengeklaut, manchmal direkt parodistisch, manchmal nur stilistisch. Wenn es um den vermeintlichen Messias geht, darf Händel nicht fehlen, und Idle und du Prez entwickeln einen hoffnungslos kitschigen und deshalb ganz großartigen Barockzauber, lassen Brian und seine Geliebte Judith Mozart-like zum Orgasmus kommen, um Brian später wie den armen Don Giovanni zu Gericht zu bitten. Dazwischen gibt es immer wieder sentimentale Ruhepunkte, in denen freilich das Pathos hochgehalten wird. Das ist in der coronatauglichen 90-Minuten-Version am Gärtnerplatz ausgesprochen unterhaltsam, und auch wenn das riesige Streichorchester aufgrund der Abstandsregeln notgedrungen vom Synthesizer ersetzt werden muss: Gespielt ist das großartig, und mit Howard Arman steht ein echter Barock-Spezialist am Dirigentenpult. Der gehobene Unfug wird mit heiligem Ernst musiziert und genau dadurch zur komischen Kunst. Julia Sturzlbaum und Alexander Gassauer mit Schaf (Peter Neustifter)
Das gilt auch für die Sängerinnen und Sänger. Maximilian Mayer mit charmant eingedunkeltem, elegantem und auch in der Höhe brillantem Tenor gibt den Brian, Julia Sturzlbaum mit Musical-geschultem Sopran die Judith. Dazu kommen in diversen Partien Alexander Grassauer mit schlagkräftigem Bassbariton, Altistin Anna Agathonos als Mutter Mandy und Erwin Windegger als singender Schauspieler vor allem in der Rolle des Erzählers. Ganz ausgezeichnet singt der Chor des Theaters, präzise und klangprächtig - dass entsprechend dem Hygienekonzept nur eine reduzierte Chorbesetzung auf der Bühne steht, fällt nicht ins Gewicht. Und weil die musikalische Umsetzung so eindrucksvoll gelingt und jeden noch so albernen Ton unbedingt wichtig nimmt, ist die Aufführung nie ein Warten auf den nächsten Witz, sondern jederzeit bei sich. Erwin Windegger
Ein bisschen Inszenierung gibt es bei diesem Oratorium auch. Regisseurin Nicole Claudia Weber setzt immer wieder ein paar Kostüm-Versatzstücke ein, ist aber keineswegs auf Aktionismus aus. Wohldosiert wechselt das strenge Konzert-Ambiente immer wieder zur durchaus bunten Show. Als besonderer Clou gibt es einen Tänzer (hinreißend: Peter Neustifter), mal als steppendes Schaf, mal als … besser nicht zu viel verraten. Das wirkt ebenso unpassend wie genial und ist dicht dran am Humor vom Monty Python. Unvermeidlich kommt es - nachdem sich eine abstruse Gruppe von Franken in das Stück verirrt hat - zur Kreuzigung ("Du bist an der frischen Luft; etwas besseres kann Dir nicht passieren."). Und natürlich endet das Stück - wie der Film - mit dem berühmtesten aller Monty-Python-Songs: "Always Look on the Bright Side of Life". Dafür wechselt die Aufführung aus der gelungenen deutschen Übersetzung von Thomas Pigor ins englische Original. Um dann auf unnachahmliche Weise vorzuführen, dass der britische Humor dem deutschen hoffnungslos überlegen ist.
Für eine der Pandemie wegen völlig verkorksten Opernsaison findet das Gärtnerplatztheater mit diesem bestens unterhaltenden "Oratorium" das ultimative Schlusswort. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Choreographie
Kostüme
Licht
Chor
Dramaturgie
Solisten
Evangelist u.a.
Judith, Sopran
Mandy, Alt
Brian, Tenor
Reg u.a. / Bass
Tänzer
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