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Comic-Komödie mit Charme
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Matthias Stutte O welch´ ein Opernglück: Es darf wieder gespielt werden. Vor Publikum. Zwar bleiben wegen der geltenden Regeln zur Corona-Eindämmung die allermeisten Plätze leer und die Abstände entsprechend groß, aber etwa 200 (nachweislich geimpfte, genesene oder getestete) Besucher sind endlich, endlich wieder live dabei. Und, chapeau!, quasi über Nacht hat die Theatergemeinschaft Krefeld und Mönchengladbach ein formidables Mehrspartenprogramm mit sechs verschiedenen Produktionen wenn auch nicht auf die Beine gestellt (denn über Nacht lässt sich da ja nun doch nicht einstudieren), aber die aufführungsbereiten Produktionen für ein theaterreiches Pfingstwochenende und die Tage danach annonciert und lässt andere Theater wie etwa die Wuppertaler Bühnen, die ihr Publikum bereits für den kompletten Rest der Saison ausgeladen haben, ziemlich alt aussehen. Also: Auf zum Niederrhein! Malatesta (Mitte) preist Don Pasquale (links) die junge Witwe Norina als seine vermeintliche Schwester und potentielle Ehefrau an
Die Oper startet mit Donizettis Don Pasquale in einer gekürzten Fassung (90 Minuten ohne Pause) und in moderat reduzierter Orchesterbesetzung (Arrangement: Avishay Shalom), gesungen im italienischen Original mit gesprochenen Dialogen in deutscher Sprache, und weil das Orchester auf der Bühne sitzt (sicher zur Minimierung des Infektionsrisikos) und nur auf der Vorderbühne gespielt wird, spricht man (allzu) bescheiden von "szenischer Einrichtung" statt von "Inszenierung". Dem Vergnügen tut das wenig Abbruch, auch wenn Koordination und Klangbalance zwischen Orchestern und Sängern nicht immer optimal ist, aber da fehlt nach einem düsteren Pandemie-Jahr vielleicht auch das Quäntchen Routine, das eben nicht zu Schlamperei, sondern zur absoluten Sicherheit führt. Sei´s drum: Dirigent Yorgos Ziavras und die sehr gut aufgelegten Niederrheinischen Sinfoniker finden ganz ausgezeichnet Donizettis federleichten Buffo-Ton mit seinen wehmütigen Einsprengseln, die in der mechanisch abgespulten Komödie einen Hauch Tragödie erahnen lassen. Schade, dass der Orchesterklang ein wenig zu sehr im Hintergrund bleibt - im Graben wären die Musikerinnen und Musiker sicher besser aufgehoben. Pasquale ist mit den heiratsplänen seines Neffen Ernesto (rechts) unzufrieden
Den Don Pasquale gibt Hayk Deinyan, seit 2002 in unterschiedlichsten Partien am Haus. Die Stimme ist ein wenig matt, aber gesungen ist das durch und durch solide; ein gar nicht unsympathischer, in seinen Rollenklischees gefangener älterer Herr, dem (nicht ganz unverschuldet) übel mitgespielt wird. Seinen vermeintlichen Freund Malatesta singt Rafael Bruck mit trompetenhaft strahlendem Bariton, der keinen Zweifel lässt, wer hier die Fäden in der Hand hat. So verheiratet er zum Schein die attraktive junge Witwe Norina an den alten Junggesellen - Sophie Witte gestaltet die Figur mit nicht zu leichtem Sopran großformatig und mit exaltierter Würde. Heiraten wird sie am Ende Pasquales Neffen Ernesto, von Woongyi Lee mit strahlendem Tenor, aber nicht allzu vielen Zwischentönen gesungen. Robin Grunwald aus dem Opernstudio als Diener, Notar und Faktotum hat nur ein paar Töne zu singen (die immerhin neugierig machen auf größere Rollen) und agiert als omnipräsenter Diener mit formvollendeter Eleganz - womit wir bei der Szene wären. Vermeintlich verheiratet, wird Pasquale seiner plötzlich arg selbstbewussten Gattin schnell überdrüssig
Im Hintergrund und an der Seite werden großformatige Karikaturen (Peter Schmitz) eingeblendet, die einerseits als Bühnenbildersatz das ziemlich heutige und ziemlich spießige Ambiente von Pasquales kleinbürgerlichem Leben einfangen, andererseits die Handlung comichaft verdichten. Das ist ein durchaus gelungenes Konzept, das Ansgar Weigner sich für die "szenische Arrangement" ausgedacht hat, denn das mit wenigen Requisiten in einer, sagen wir mal: altmodischen Gegenwart angesiedelte Spiel führt mit bewährten Theatermitteln die Komödie vor, und bevor das in allzu konventionelle Bahnen gerät, wird es durch die Karikaturen ironisch kommentiert. Sehr witzig werden dabei die geltenden Abstandsregeln einbezogen, wenn sich das junge Liebespaar nicht nähern darf. Die Akteure setzen das mit großer Spielfreude um (ein wenig pointierter dürften die Charakterzeichnungen mitunter vielleicht noch sein), und da ist Don Pasquale in mehrerer Hinsicht ein gutes Stück für den Neustart. Mit dem Charme der Stehgreifkomödie, der hier sehr schön vorgeführt wird, unterstreicht die Produktion auch, was im Stream einfach fehlt: Die unmittelbare Präsenz der Sängerinnen und Sänger, die Nähe zum Publikum, die schnelle Reaktion; kurz: die echte Theateratmosphäre. Und so ist dieser Don Pasquale eine überaus gelungene klare Ansage des Theaters Krefeld und Mönchengladbach: Wir sind wieder da.
Es macht viel Spaß, hier zuzuhören und -sehen: Kurzweilige und unterhaltsame 90 Minuten auf gutem musikalischen Niveau. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne und Kostüme
Karikaturen
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der Premiere
Don Pasquale
Doktior Malatesta
Ernesto
Norina
Diener / Notar / Faktotum
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