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Nixon in China

Oper in drei Akten
Libretto von Alice Goodman
Musik von John Adams


in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 25' (eine Pause)

Premiere Theater Dortmund am 26. Februar 2023




Theater Dortmund
(Homepage)

Viel Lärm um wenig

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thomas M. Jauk und Anke Sundermeier

Was hat Karl Marx (1818 - 1883) da wohl mit dem Papst, es könnte sich um Pius XII. (1876 - 1958) handeln, zu besprechen? Und haben sich die jüngst verstorbene Queen Elizabeth II. und Stalin überhaupt etwas zu sagen? Regisseur Martin G. Berger versammelt eine illustre Gesellschaft von Mächtigen (Marx fällt da streng genommen ein wenig heraus) - und zwar im Altenheim. Stalin ist da, Wilhelm II. auch, ebenso Fidel Castro und Gaddafi, und sind das etwa die Honeckers? Es darf gelacht und geraten werden. Ganz schön viel los auf der Bühne, obwohl Nixon in China im Vergleich zu einer durchschnittlichen Verdi-Oper ziemlich wenig Handlung zu bieten hat. Der Staatsbesuch des US-amerikanischen Präsidenten Richard Nixon bei Mao Tse-tung im Jahre 1972 ist auf der Opernbühne vom dramaturgischen Standpunkt aus betrachtet eher unspektakulär. Dabei hat John Adams das Sujet mit einem Libretto von Alice Goodman auf Anregung des Regisseurs Peter Sellars vertont. Der Plot zieht seinen Reiz natürlich aus der vergleichsweise nahen Vergangenheit, die im Uraufführungsjahr 1987 noch ungleich größer gewesen ist als heute.

Szenenfoto

Der Kommunismus als Traum einer Hippie-Generation: Mao erklärt Nixon die Welt. (Foto: Thomas M. Jauk)

Für den aus einer den Demokraten nahestehenden Familie stammenden Komponisten war der durch den Vietnam-Krieg wie durch die Watergate-Affäre diskreditierte Nixon ein Feindbild und die Oper eine Gratwanderung zwischen Antihelden-Epos und Satire. Mit Erfolg: Nixon in China ist sicher die am häufigsten gespielte amerikanische Oper überhaupt; auf diese Dortmunder Produktion folgen in den nächsten Wochen Inszenierungen in Paris, Koblenz und Hannover. Mit dem poetisch-resignativen Resümee der Oper "und was hat`s gebracht?" und in Verbindung mit der Trivialität der modernen Mythen - der Staatsbesuch war seinerzeit ein Medienereignis ersten Ranges, freilich ohne konkrete Ergebnisse - scheint Nixon in Chinadurchaus eine Oper nahe am Zeitgeist.

In Dortmund riskiert Regisseur Martin G. Berger einen Ansatz, der das Politische als Parabel für das Private nimmt. Ein Kind erlebt Nixons Staatsbesuch in China vor dem Fernseher, und die Bilder prägen sich ihm offenbar stark ein. Im Folgenden werden die Lebensstationen dieses zur erwachsenen Frau heranreifenden Kindes (diese Figur, von Tänzerin Jemima Rose Dean eindrucksvoll verkörpert, erfindet die Regie neu hinzu) parallel zur Handlung der Oper gezeigt: Das kleine Kind spielt die erste Begegnung zwischen den Repräsentanten der gegensätzlichen Systeme mit Puppen nach, die junge Frau erlebt die ersten Eindrücke Nixons als mit aufregender Offenheit für den Kommunismus geprägte Hippie-Ära, wandelt sich dann aber ganz im Sinne der Präsidentengattin Pat Nixon zur biederen Ehe- und Hausfrau, entwickelt kurzfristig kämpferischen Elan und bilanziert schließlich gleich den abgehalfterten Altenheiminsassen zwischen Marx und Stalin als alte Frau ihr Leben. Nixons diplomatische Reise wird so zur Lebensreise, wobei er und sein Tross ebenfalls mehr und mehr altern. In vielen Szenen geht das überraschend gut auf und kann aus der Situation heraus durchaus spannende Gedankenlinien entwickeln. Allerdings bleiben die Figuren blass und ziemlich beliebig, und auch der Text läuft oft ins Leere. Das führt im Laufe der deutlich über drei Stunden langen Aufführung dann doch gerade im dritten Akt zur Langatmigkeit.

Szenenfoto

Und auch hier muss Mao seinem amerikanischen Gegenüber offenbar einiges erläutern (Foto: Thomas M. Jauk)

Und auch eine gewisse Ermüdung bleibt nicht aus: Das revuehafte, oft überdrehte Bühnengeschehen, ziemlich schrill und bunt, verzeichnet die Charaktere comichaft und setzt auf eine erschlagende Bilderflut. Dabei bleiben konkrete Fotos des Nixon-Besuchs fast vollständig außen vor. Berger enthistorisiert die Oper auch auf visueller Ebene (wobei allerdings Nixon und vor allem Mao durchaus sehr kenntlich bleiben). Zum Konzept, ein ganzes Menschenleben mit Hoffnungen, Illusionen und Enttäuschungen in dem historischen Moment darzustellen, passt auch - im Prinzip jedenfalls - der Einsatz zweier ganz unterschiedlichen Ballett-Gruppen: Das NRW-Juniorballett ist fast durchgehend präsent und sorgt für viel Schwung, das Senior*innentanztheater dagegen setzen Berger und Choreographin Gabriele Bruschi dagegen eher sparsam ein - ein wenig verpufft daher dieser Ansatz.

Szenenfoto

Für einen Moment blitzt die Utopie einer Versöhnung der Systeme auf: (von links) Henry Kissinger, Chou En-lai, Richard und Pat Nixon jubeln. Auf das Private übertragen lässt sich die Szene als Metapher für "Hochzeit" deuten, was man an den Schleiern der Damen hinten erkennt. (Foto: Thomas M. Jauk)

Ermüdend gerät aber vor allem die musikalische Interpretation. Die Sängerinnen und Sänger werden mehr oder weniger durchgehend elektronisch verstärkt, und vor allem im ersten Teil gerät die Aufführung unangenehm laut und lärmend und das Klangbild bleibt reichlich undifferenziert. Petr Sokolov wirkt als Nixon im eintönigen Dauerforte eher blass, Alfred Kim gibt den Mao als Schreitenor, Morgan Moody den Berater Kissinger immerhin eine Spur vielschichtiger. Daegyung Jeong singt einen präsenten Premierminister Chou En-lai. Irina Simmes gibt der Präsidentengattin Pat Nixon schöne lyrische Momente, leider auch ohne rechte Intimität, und Hye Jung Lee ist eine in den Koloraturen zupackende Chiang Ch'ing, die Gattin Maos. Überzeugend singt das Sekretärinnentrio (Hyona Kim, Edvina Valjevcic und Maria Hiefinger). Klangprächtig präsentiert sich der von Fabio Mancini einstudierte Chor. Das wäre an sich eine sehr gute Besetzung - wenn es denn entschieden öfter den Willen zum Piano gäbe.

Den lässt allerdings auch Dirigentin Olivia Lee-Gundermann nicht erkennen. Sie treibt die Dortmunder Philharmoniker vom ersten Ton an zu Höchstspannung - wobei dann aber auch irgendwie alles gleich und alles gleich wichtig klingt. Adams' Modulationen, die überraschenden Einsätze, plötzliche Verschiebungen - Elemente, die der grundsätzlich der minimal music verpflichteten Komposition besonderen Reiz geben - gehen weitgehend unter. Es bleibt ein hypernervöser, aber letztendlich eintöniger Klangteppich.

FAZIT

Dröhnattacke auf Ohren und Augen: Nixon in China wird in Dortmund ziemlich schrill und laut interpretiert. Der nicht uninteressante Regieansatz hat starke Momente, zieht sich gegen Ende aber eher zäh dahin.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Olivia Lee-Gundermann

Regie
Martin G. Berger

Bühne
Sarah-Katharina Karl

Kostüme
Alexander Djurkov Hotter

Licht
Kevin Schröter

Video
Vincent Stefan

Choreographie
Gabriele Bruschi

Senior*innentanztheater
Mark Hoskins

Chor
Fabio Mancini

Dramaturgie
Daniel Andrés Eberhard


Chor des Theaters Dortmund

Statisterie des Theaters Dortmund

NRW Juniorballett

Senior*innentanztheater

Dortmunder Philharmoniker


Solisten

* Besetzung der Premiere

Richard Nixon
Petr Sokolov

Pat Nixon
Irina Simmes

Mao Tse-tung
* Alfred Kim /
James Lee

Chiang Ch'ing, Madame Mao Tse-tung
* Hye Jung Lee /
Soyoon Lee

Chou En-lai
Daegyun Jeong

Henry Kissinger
Morgan Moody

Nancy T'ang, erste Sekretärin Maos
Hyona Kim

Zweite Sekretärin Maos
Edvina Valjevcic

Dritte Sekretärin Maos
Maria Hiefinger

"Ich", eine Frau
Jemima Rose Dean


Weitere
Informationen

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Theater Dortmund
(Homepage)



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