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Don Giovanni

Dramma giocoso in zwei Akten
Libretto von Lorenzo Da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart


in deutscher, teilweise in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 30' (eine Pause)

Premiere im Theater Detmold am 2. Juni 2023


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Landestheater Detmold
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Eine sommerleichte Liebeskomödie

Von Stefan Schmöe / Fotos von Matthias Jung

Und die Moral von der Geschicht'? Die fällt aus. Das betont kitschige Schlusstableau mit wie zufällig herumstehenden Tellern als provisorischen Heiligenscheinen für Donna Anna und Don Ottavio, das "hohe Paar", gießt beißenden Spott über das Liebesverständnis des Katholizismus aus. Was dann doch ein wenig aufgesetzt wirkt, denn Anna, eine feurige Spanierin à la Carmen, hat dem braven Ottavio längst den Laufpass gegeben, nachdem der allzu oft aus seinem Reclamheftchen hehre Phrasen zitiert hatte. Ein Glück, dass Stephen Chambers gut bei tenoraler Stimme ist und der Figur ein musikalisches Gegengewicht zur szenischen Überzeichnung geben kann. Singen darf er gleich beide Arien, die aus der Prager wie die aus der Wiener Fassung, und mag Anna sich auch noch so aufregen über das herrlich selbstverliebte Pathos: Schöne Musik hat Mozart da schon komponiert.

Szenenfoto Liebestoller Herr und bauernschlauer Diener: Don Giovanni und Leporello

In etlichen Inszenierungen ist Ottavio der Langweiler vom Dienst und die abschreckende Folie, vor der sich das Eros des Don Giovanni erst richtig entfalten kann. Hier karikiert Regisseur Aron Stiehl die Figur durchaus liebevoll - und gibt ihr paradoxerweise durch den gewollten Unernst mehr Gewicht als üblich. Was auch daran liegt, dass er aus dem dramma giocoso in erster Linie das giocoso, also die Komödie, herausliest, und in diesem Rahmen "funktioniert" der Ottavio tatsächlich als verschrobener Schöngeist ziemlich gut. Zumal die feurige Anna so gar nicht zu ihm passen will. Adréana Kraschewski singt sie mit strahlkräftiger, ein wenig ungenau geführter Stimme und spielt sie mit allem Temperament, dass man von einer unbeugsamen Spanierin erwartet. Natürlich ist sie dem smarten Don Giovanni erotisch verfallen, und der Vater stört im völlig falschen Moment. Ihr Zorn auf den Verführer und Mörder (na ja, im aufgezwungenen Gefecht mit dem Komtur hat Giovanni leichtes Spiel, von "Mord" würde aber wohl kein Jurist sprechen) mag zum kleinen Teil aus der Trauer um den Vater, zum größeren aus der Frustration, zur Ehe mit einem Spießer verdonnert zu sein, stammen. Darin folgt die Regie, die sich ansonsten mit Anleihen beim Kasperletheater und der Stehgreifkomödie eher ironisch distanziert gibt, einer romantischen Sichtweise auf die Oper. Folglich muss der "steinerne Gast", die Erscheinung des toten Komturs, angemessen dämonisiert werden: Als Statue erscheint er in dramatisch grünem Licht im Hintergrund der Spielfläche, die von einem Rahmen entsprechend dem Bühnenportal des Detmolder Theaters, in die Horizontale versetzt und schräg ansteigend, begrenzt wird. Irakli Atanelishvili singt ihn mit flackernder, im Finale elektronisch recht mulmig vergrößerter Stimme.

Szenenfoto

Vermutlich ist es mehr der abrupt unterbrochene Flirt mit Giovanni als der Tod des Vaters, der Donna Anna dahingerafft hat - ihr braver Verlobter Ottavio (hier: Hyunsik Shin) tröstet fürsorglich und warnt vor unüberlegten Schritten.

Donna Elvira, die von Giovanni verlassene Frau (eine von vielen, aber offenbar irgendwie nach einer Heirat), ist eine barocke Erscheinung, so ist sie schon bei Mozart kompositorisch so angelegt. Kostümbildnerin Dietlind Konold hat ihr ein Kleid wie von Alfred Hitchcocks Gnaden entworfen, das auch Kim Novak in Vertigo gut gestanden hätte. Emily Dorn trumpft mit großer, manchmal schneidender Stimme auf (interessant wird sein, wie die junge Lotte Kortenhaus, die in Serse einen so fabelhaften Eindruck hinterlassen hat, als Alternativbesetzung die Rolle verkörpert). Und Zerlina, die dritte der von Giovanni begehrten Frauen, ist ein blondzopfiges Alpenmädel, wie auch die Dorfbewohner arg folkloristisch überzeichnet sind. Das dürfte doch etwas subtiler angelegt sein. Andererseits entwickelt Stiehl eben diese Zerlina zum weiblichen Pendant - schnell verfällt sie Giovanni, aber ganz sicher werden weder der und schon gar nicht Masetto nicht der einzige Mann in ihrem Leben sein und bleiben. Wie aber schlägt sie sich dann auf die Gegenseite des ewigen Verführers, wenn sie doch selbst ähnlich gestrickt, wenn auch von ganz anderem sozialen Stand ist? Ganz einfach: Sie ist schwanger und damit ganz plötzlich doch auf dem bürgerlichen Familientrip. Wenn sie den von Giovanni verprügelten Masetto tröstet und den Herzschlag fühlen lässt, ist das nicht ihr eigener, sondern der des Kindes in ihrem Bauch. Na ja. Man hat schon genialere Finten der Regie erlebt. Stephanie Hershaw hat für die szenisch zumindest vordergründig naiv-soubrettenhaft angelegte Zerlina eine beinahe zu große, leicht metallische Stimme, gestaltet die Partie aber in jeder Hinsicht bravourös. Masetto findet die plötzliche Vaterschaft total toll, aber der himmelt ja auch den Streber Ottavio an. Franco Oportus Vergara singt ihn mit schöner, auch angemessen kerniger Stimme, hadert aber gelegentlich mit Tempo und dem vielen Text.

Szenenfoto Bekanntlich weist die aktuelle Statistik allein in Spanien 1003 von Giovanni verführte Frauen aus: Leporello informiert in der Register-Arie Donna Elvira über das Liebesleben seines Herrn.

Dieser Text, dessen Schlagfertigkeit und Witz nicht ganz so überspringen will wie geplant, bei dem handelt es sich in den Rezitativen und manchen Arien und Ensembles um die deutsche Übersetzung und nur in einigen Nummern um das italienische Original. Damit setzt die Regie auf die unmittelbare Verständlichkeit, was ja nicht falsch ist - allerdings klingt die deutsche Sprache gerade in den Rezitativen schwerfällig und verliert die Musikalität und den Esprit des Italienischen. Wirklich überzeugend geht das Konzept des Sprachgemischs nicht auf. Allerdings werden die Rezitative auch musikalisch arg brav ausgesungen, da wäre ein freierer Umgang weg von den Noten und näher an der Sprache spritziger. Das käme wohl auch Seungweon Lee als Diener Leporello entgegen, der mit zu kurzen Hosen und dreckiger gelber Jacke ein wenig wie Sancho Pansa, der Begleiter von Cervantes' Don Quichote, angelegt ist - ein bauernschlauer Kerl, mit großer und präsenter, gleichzeitig wendiger Stimme gesungen und sofort ins Zentrum der Inszenierung gespielt.

Szenenfoto

Auch wenn sie hier um ihren Beziehungsstatus ringen: Zerlina und Don Giovanni sind, was den Umgang mit der Liebe betrifft, offenbar Verwandte im Geiste - was Masetto (rechts) missfällt. Anna, Ottavio und Elvira beäugen die Szene misstrauisch.

Da muss der Sänger des Don Giovanni erst einmal gegenhalten können - und das gelingt dem jugendlichen Jakob Kunath, einem charmanten sunny boy mit besten Manieren und neckischer Haartolle in der Stirn, ganz ausgezeichnet. Die sonore, warme, aber auch strahlkräftige Stimme kann er zu großem Format aufweiten, verfügt aber auch über einen liedhaften, verführerisch ätherischen Ton (den er allerdings inflationär oft einsetzt, da wäre eine gezieltere Dosierung angebracht). Er bleibt jederzeit Herr des Geschehens und hätte einen effektvolleren Abgang verdient, als die Regie ihm zugesteht (die ihn einfach hinter der gedeckten Tafel verschwinden lässt). Ein bemerkenswerter Auftritt.

Kapellmeister György Mészáros leitet das Ensemble und das in den Streichern bei den "kleinen Noten" ungenaue, sonst zuverlässige Sinfonieorchester des Detmolder Theaters sowie den guten Chor umsichtig durch die Aufführung. Manche Nummern geraten ein wenig behäbig, dafür ist anderes wie Giovannis Champagner-Arie (die so oft in allzu großer Hektik auseinander läuft) sorgfältig ausmusiziert und ausgesungen.


FAZIT

Aron Stiehls Inszenierung sorgt für einen kurzweiligen, komödiantisch angelegten Don Giovanni ohne allzu großen Tiefgang, vom auch stimmlich gut aufgelegten Ensemble mit viel Spielwitz umgesetzt.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
György Mészáros

Inszenierung
Aron Stiehl

Bühne
Julie Dohrn-van Rossum

Kostüme
Dietlind Konold

Licht
Carsten-Alexander Lenauer

Maske
Kerstin Steinke

Choreinstudierung
Francesco Damiani

Dramaturgie
Elisabeth Wirtz



Statisterie und Chor des
Landestheaters Detmold

Symphonisches Orchester des
Landestheaters Detmold


Solisten

* Besetzung der Premiere

Don Giovanni
Jakob Kunath

Donna Anna
Adréana Kraschewski

Don Ottavio
* Stephen Chambers /
Hyunsik Shin

Donna Elvira
* Emily Dorn /
Lotte Kortenhaus

Leporello
Seungweon Lee

Masetto
* Franco Oportus Vergara /
Florian Zanger

Zerlina
Stephanie Hershaw /
Aditi Smeets

Comendatore
Irakli Atanelishvili



Weitere Informationen
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Landestheater Detmold
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