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Die lustigen Nibelungen

Burleske Operette in drei Akten
Libretto von Rideamus
Musik von Oscar Straus

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 Stunden (eine Pause)

Premiere des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters im Stadtheater Flensburg am 6. Mai 2023





Schleswig-Holsteinisches Landestheater
(Homepage)

Nibelungen-Revue


Von Bernd Stopka / Fotos: Schleswig-Holsteinisches Landestheater

Oscar Straus opferte ein "s" seines Familiennamens, um sich von der Wiener Strauß-Dynastie, mit der er weder verwandt noch verschwägert war, zu unterscheiden, in deren Schatten er aber dennoch steht. Dabei hatte und hat er unter anderem mit Ein Walzertraum und Der tapfere Soldat (auch als Der Schokoladesoldat bekannt) immer wieder und zu Recht große Begeisterung entfacht. Sein erster großer Erfolg, Die lustigen Nibelungen, ist nun am Schleswig-Holsteinischen Landestheater zu erleben, Premiere war im Flensburger Stadttheater.
 
foto folgt
Zweikampf Gunther (Rastislav Lalinský), Brünhild (Sonja Grätzel) In der Mitte Siegfried (Robin Neck) mit Wagner-Barett als Tarnhelm

Diese so feinsinnig ironisch gespickte, burleske Operette von Oscar Straus und dem Librettisten Fritz Oliven, der unter dem Pseudonym Rideamus ("Lasst uns lachen") schrieb, zeigt viel klugen Scharfsinn in komischsten grotesken Kontrasten zwischen Text und Musik. Angedeutete Parodien auf das Nibelungenlied und auf Wagner bleiben dezent aber erkennbar, sind nie vordergründig billig, sondern hintersinnig musikalisch stilistisch und sprachlich angedeutet. Musikalischer Ideen- und Stilreichtum zwischen Walzer und Marsch, Couplet und Melodram bereiten herrliches Vergnügen. Gewitzter, niveauvoller Humor vom Feinsten. Soweit das Original.

In Flensburg nimmt das Team um Regisseurin Kornelia Repschläger (Bühnenbild: Olaf Grambow, Kostüme: Ralf Christmann) das Komische nicht wirklich ernst und lässt den Humor in seiner ursprünglichen Stärke und Schärfe nicht walten. Etwas Komisches noch komischer machen zu wollen, ist eine häufige, aber selten eine gute Idee. Es in die heutige Zeit zu transponieren auch. Hier wird das Ganze oft zu grotesk übersteigertem Klamauk, bei dessen szenischer Gestaltung auch gern in die reichlich verstaubte (Kla)Mottenkiste gegriffen wird. Wenn Volker einen Tennisschläger als Gitarre bespielt ebenso wie, wenn sich alle affenartig auf die Brust trommeln und dergleichen mehr. Das Revuehafte wird u. a. durch eine Showtreppe und diverse Tanzeinlagen bedient, mal als Blumentanz mit pinken Straußenfederfächern und mal als knochenschwingender Hochzeitsfestbericht. Witzig sind szenische Andeutungen, wie die Tarnkappe als Wagner-Barett und der Chor in Nachthemden, was an den zweiten Akt der Meistersinger erinnert. Auf die geschichtliche Problematik weist das Aufsichtspersonal in der Burg hin, das militant brutal wie die Nazi-Schergen erscheint, die Aufführungen dieser Ur-Germanen-Persiflage seinerzeit immer wieder gestört und abgebrochen haben. Dass Siegfrieds schwache Stelle nicht zwischen seinen Schulterblättern sondern am verlängerten Rücken liegt und für Hagen mit einem bekannten Sportartikelhersteller-Emblem markiert wird, sorgt auf eher flacher Ebene für Lacher.

Vergrößerung in neuem
                        FensterBeim Rendevous nicht auf, sondern im Bärenfell ertappt: Siegfried (Robin Neck, ganz rechts)

Dazu kommt eine Rahmenhandlung, die eine Familie die Geschichte in einem musealen Ambiente nachspielen lässt. Der Pausenvorhang zeigt eine Burg, wie Adolphe Appia sie hätte entworfen haben können. Vor dem Hintergrundprospekt einer Nibelungenhalle zeigt eine Drehbühne Szenenbilder eines Thronsaals mit 50er-Jahre-Sessel vor einer fast bühnengroßen, historischen Darstellung der Münster-Szene aus dem Nibelungenlied. Samtvorhang und Kordel-Absperrungen dürfen da nicht fehlen. Die Rückseite zeigt eine Treppe mit hohen Stufen. Immer wieder stören Touristen die Szene, telefonierend und fotografierend. Vor allem die Ouvertüre wird dadurch akustisch empfindlich gestört.

Die Familie besteht aus Archetypen, deren Oberhaupt nicht der pilzkopffrisurtragende König Gunther ist, auch nicht sein Vater Dankwart im Cutaway, sondern Mutter Ute - ganz eindeutig mit Frisur, Kleid und Handtasche: Elizabeth II., die mit einem frivolen Treppenabgang zeigt, dass sie ihre Oberhand wohl auch einigen erotischen Tricks zu danken hat, mit denen sie ihren Gatten am Gängelband führt. Giselher ist der pummelige kleine Sohn ohne Erfolge, Volker ein Verteidiger afrikanischer Kolonien im Tropenanzug und Hagen ein grotesk überzeichneter, reich dekorierter Operettengeneral, wie ein alter Onkel der schwärmend vom Krieg erzählt. Kriemhild erscheint zuerst als Girlie und verkleidet sich dann für Siegfried germanisch mit knielangen blonden Zöpfen. Siegfried, ein Strahlemann mit blonder Vokuhila-Frisur, trägt Ketten und Medaillen zu seinem weiß-goldenen Sportanzug mit bekanntem Firmenemblem, nach der Heirat dann uriges Bärenfell - wie man sich halt einen Siegfried so vorstellt. Brünhild ist eine sportsüchtige Domina in schwarzem Lack, die es gern etwas härter mag, dies mit eindeutigen Gesten zeigt und damit den feingeistigen, zartbesaiteten Gunther in die bekannten Nöte bringt. Gunther leidet, Brünhild joggt.

Foto folgtRevue in Nachthemden

Spannend ist, dass das Werk unterhaltend auch als Mischung aus Operette, Revue, Varieté und Klamauk funktioniert, wenn man sich darauf einlässt, die Erwartungen an den feinen, hintergründigen Humor des Originals zurückschraubt, das Zurechtschneiden des Originals hinnimmt und darüber hinwegsieht, dass dem szenischen Überschwang zum Ende und Potpourri-Finale hin ein wenig die Luft ausgeht. Als befremdlich bedeutungsschwangeren Schlussgag kaufen Chinesen die Burg, um daraus das Wellness-Hotel "Zum Lindwurm" zu machen (der eine oder andere wird da an den Hamburger Hafen denken). Die Nibelungen suchen mit ausgestreckten Fingern ihren weiteren Weg. Auch das noch. Ach, ihr armen, lustigen Nibelungen.

Das Publikum jedenfalls genoss den Abend und feierte ihn mit einer standing ovation. Und das war musikalisch auf jeden Fall berechtigt, denn gesungen wird auf hohem Niveau - soweit man das bei elektronisch bearbeiteten Stimmen beurteilen mag. Vor allem Robin Neck als Siegfried lässt mit klangschönem Schmelz einen Operettentenor im allerbesten Sinne hören. Sein Badecouplet singt, nein stöhnt, deklamiert und gurgelt er in einer goldenen Wanne (Limburg lässt grüßen). Sonja Grätzel als stimmgewaltige Brünhild bietet ihm ideal Paroli. Sarah Kuffner trifft als Ute den Sippenmutter-Ton variantenreich volltönend, während Kai-Moritz von Blanckenburg als Hagen dem Affen dröhnend etwas zu viel Zucker gibt.
Małgorzata Rocławska hat liebliche und selbstbewusste Töne für Kriemhild. Das weitere Ensemble ist adäquat besetzt und auch der Chor singt prachtvoll (ohne Microports). Musikalisch fügt sich alles wunderbar zusammen, denn GMD Ingo Martin Stadtmüller trifft mit dem bestens disponierten Schleswig-Holsteinischen Sinfonieorchester genau den Punkt mit idealen Tempi und ausgewogenem Orchesterklang, der nur leider allzu oft von den viel zu laut verstärkten Singstimmen überdeckt wird.

FAZIT

Quicklebendige Unterhaltung, musikalisch prächtig, szenisch mehr die Show als den hintersinnigen feinen Humor bedienend.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Ingo Martin Stadtmüller

Inszenierung
Kornelia Repschläger

Bühne
Olaf Grambow

Kostüme
Ralf Christmann


Choreographie 
Nicola Mascia

Choreinstudierung
Avishay Shalom

Dramaturgie 
Susanne von Tobien


Schleswig-Holsteinisches Sinfonieorchester

Opernchor

Statisterie


Solisten

*Premierenbesetzung

Gunther, König von Burgund
Rastislav Lalinský

Ute, Gunthers Mutter
Eva Schneidereit

Dankwart, Gunthers Vater
Timo Hannig

Volker, Held
Leopold Bier

Giselher, Recke
Anna Avdalyan

Kriemhild
Małgorzata Rocławska

Hagen
Kai-Moritz von Blanckenburg

Siegfried von Niederland
Robin Neck

Brunhilde, Königin von Isenland
Sonja Grätzel

Ein Vogel
*Mayumi Sawada
Rhonda Lynn Lehmann


Weitere Informationen:

Schleswig-Holsteinisches Landestheater 





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