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Caterina Cornaro

Tragedia lirica in einem Prolog und zwei Akten
Text von Giacomo Sacchèro nach einer Vorlage von Jules-Henri Vernoy de Saint-Georges
Musik von Gaetano Donizetti

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 15'  (eine Pause)

Premiere im Stadttheater Gießen am 26. November 2022
(rezensierte Aufführung: 06.01.2023)



Stadttheater Gießen
(Homepage)

Königin in der Vitrine

Von Thomas Molke / Fotos: © Rolf K. Wegst

Seit vielen Jahren weckt das Stadttheater Gießen überregionales Interesse und lockt mit Raritäten des 19. Jahrhunderts vor allem Belcanto-Fans aus Nah und Fern nach Hessen. Auch unter der neuen Leitung bleibt man dieser Tradition treu und hat Caterina Cornaro von Gaetano Donizetti auf den Spielplan gestellt. Wie die meisten tragischen Opern des Komponisten aus Bergamo geriet auch diese am 12. Januar 1844 am Teatro San Carlo in Neapel uraufgeführte Tragedia lirica schnell in Vergessenheit, bevor sie in den 1970er Jahren in umjubelten Aufführungen in Neapel und London unter anderem mit Montserrat Caballé und Leyla Gencer in den Titelpartien und José Carreras als Gerardo wiederentdeckt wurde. Dass sich das Werk anders als der kurz zuvor uraufgeführte Don Pasquale zu Lebzeiten des Komponisten nicht durchsetzen konnte, mag vor allem gewissen Umständen geschuldet sein. Donizetti hatte die Oper ursprünglich in Wien unter dem Titel La regina di Cipro zur Uraufführung bringen wollen, musste dann aber feststellen, dass ihm Franz Lachner mit der Vertonung des gleichen Sujets zuvorgekommen war. Also beschloss er, die Oper in Neapel herauszubringen, konnte selbst aber aus gesundheitlichen Gründen weder den Proben noch der Premiere beiwohnen, was das neapolitanische Publikum ihm wohl übel nahm. Hinzu kam, dass die Besetzung nicht optimal gewesen sein soll. Für eine Wiederaufnahme in Parma 1845 arbeitete er den Schluss um. Doch auch das brachte nicht den erwünschten Erfolg. In Gießen gibt es nun die deutsche szenische Erstaufführung, nachdem das Werk bereits im Juni 2022 konzertant beim Klangvokal Musikfestival in Dortmund zu erleben war.

Die Geschichte um die venezianische Patriziertochter Caterina Cornaro, die als letzte Königin von 1474 bis 1489 über Zypern regierte, wurde in den 1840er Jahren allein vier Mal vertont. Neben Donizetti und Lachner widmeten sich auch noch Jacques Fromental Halévy und Michael William Balfe dem Stoff, der auf dem historischen Konflikt zwischen Zypern und Venedig in den letzten Jahrzehnten des 15. Jahrhunderts basiert. Venedig wollte damals Zypern, das seit fast drei Jahrhunderten ein von französischen Adligen begründetet Kreuzfahrerstatt im östlichen Mittelmeer war, unter seine Herrschaft bringen und verheiratete daher Caterina, die zu den mächtigsten und reichsten Patrizierfamilien gehörte, mit dem seit 1458 über Zypern herrschenden Jakob II. (Lusignano). Zuvor wurde sie aber von der Republik Venedig adoptiert, damit von Seiten Venedigs Ansprüche auf den Thron in Zypern geltend gemacht werden konnten, falls der König sterben sollte. Und in der Tat starb Jakob II. bei Auseinandersetzungen um die Insel bereits im Juli 1473 bereits ein Jahr, nachdem Caterina auf Zypern angekommen war. Fortan führte die zu diesem Zeitpunkt gerade 19 Jahre alte Caterina die Regierungsgeschäfte und blieb bis 1489 auf dem Thron. Als die Insel dann perfekt in das venezianische Reich integriert war, wurde Caterina nach Venedig zurückgebracht und erhielt einen Witwensitz, wo sich ein reges geistiges und künstlerisches Leben entfaltete.

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Mocenigo (Clarke Ruth, rechts) verhindert die Hochzeit zwischen Caterina und Gerardo (Younggi Moses Do, links).

Für die Opern, die allesamt auf dem Libretto von Jules-Henri Vernoy de Saint-Georges für die Vertonung von Halévy basieren, wurden einige Änderungen an der Geschichte vorgenommen. Zunächst wird der französische Ritter Gerardo eingeführt, der zu Beginn die venezianische Patriziertochter Caterina Cornaro heiraten soll. Diese Hochzeit wird von dem in Venedig mächtigen Rat der Zehn unterbunden, der von Mocenigo, einem Beauftragten des Rates der Zehn, vertreten wird. Er droht, Gerardo von seinen Schergen ermorden zu lassen, wenn Caterina nicht in die Hochzeit mit Lusignano, dem König von Zypern einwilligt. Gerardo verflucht seine scheinbar treulose Braut und wird Ordensritter. Jahre später kommt er nach Zypern, um sich an dem König zu rächen. Mocenigo sieht daraufhin seinen Plan für die venezianische Übernahme Zyperns gefährdet und erteilt den Auftrag, Gerardo zu töten. Dieser wird aber von Lusignano gerettet, und die beiden Rivalen schließen Freundschaft. Gerardo, der als Ordensritter der Liebe zu Caterina entsagt hat, ist bereit, an Lusignanos Seite gegen die Venezianer zu kämpfen. Es kommt sogar zum Sieg der Zyprioten. Allerdings wird Lusignano im Kampf tödlich verwundet. Sterbend fordert er sein Volk auf, Caterina als Königin zu dienen. Diese wendet sich mit einer flammenden Rede an das Volk und verspricht eine rosige Zukunft. Vorher hat es auch noch eine Aussprache zwischen Caterina und Gerardo gegeben, in der dieser die wahren Beweggründe für Caterinas Handeln erfährt und der ehemaligen Verliebten vergibt. In der Fassung für Parma lässt Donizetti auch Gerardo im Kampf fallen, während er sich in der ersten Version nach dem errungenen Sieg wieder dem Glauben widmet. In Gießen spielt man die erste Fassung.

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Caterina (Julia Araújo) und ihr Kleid

Anna Drescher bezieht in ihre Inszenierung auch die Geschichte der historischen Caterina Cornaro mit ein. So gibt es vor der Ouvertüre eine kurze Abhandlung über die Geschichte mit projizierten Bildern. Die Sprecherin Germaine Sollberger findet dabei nicht nur einen leicht ironischen Unterton, sondern zieht auch interessante Parallelen zu Promi-Hochzeiten aus der jüngsten Vergangenheit, die beim Publikum ein Schmunzeln hervorrufen. An der Titelfigur interessiert Drescher vor allem, dass sie wie eine Schachfigur vom Rat der Zehn verwendet wird und ihr eigenständiges Handeln größtenteils verwehrt wird. Deswegen stellt sie sie zum einen in einem historisierenden Kostüm, das ihr kaum Bewegungsfreiheit gibt, im Foyer in einer Vitrine aus. Vor der Vorstellung sitzt Ira Wichert quasi regungslos in einem großen Glaskasten und lässt sich von den Zuschauer*innen betrachten. In der Pause trägt sie dann nur noch ein weißes Unterhemd, und Tränen zeichnen ihr Gesicht. Zum anderen hat Bühnenbildnerin Tatjana Ivschina auf der Bühne einen riesigen schwarzen Kasten entworfen, in den Caterina sich begibt, nachdem ihr die Hochzeit mit Lusignano aufgezwungen worden ist. Mocenigo zwängt sie in das Kostüm, das vor der Vorstellung die im Foyer ausgestellte Caterina getragen hat. Von da an wohnt sie relativ hilflos dem Geschehen auf der Bühne bei. Erst am Ende verlässt sie diesen Kasten, wenn sie dem zypriotischen Volk eine blühende Zukunft verspricht. Doch auch dabei sind ihre Bewegungen recht eingeschränkt, um anzudeuten, dass sie immer noch ein Spielball der Republik Venedig ist. Nur zu Beginn der Oper zeichnet Drescher sie als freie, moderne Frau mit Blue Jeans und viel Bewegungsfreiheit.

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Caterina (Julia Araújo) zwischen Lusignano (Grga Peroš, links), Gerardo (Younggi Moses Do, Mitte) und Mocenigo (Clarke Ruth, rechts)

Neben diesem durchweg stimmigen Ansatz bleiben einige Regie-Einfälle Dreschers allerdings fragwürdig. Mocenigo wird zwar optisch und auch darstellerisch als absolut schwarzer und böser Charakter gezeichnet. Wieso er aber in seinen diabolischen Momenten an einem Lolly lutschen muss, wird nicht klar. Auch wirft der Einsatz des Chors im Prolog Fragen auf. Die Hochzeitsgäste verlassen nämlich nicht die Bühne, wenn Andrea Cornaro seiner Tochter verkündet, aus welchen Gründen die Hochzeit abgesagt werden muss, sondern liegen scheinbar schlafend auf dem Boden. In dieser Position stimmen sie auch den Gesang der Gondolieri an, die vor Caterinas Fenster zu hören sind. Dass die Freundschaft, die sich zwischen Lusignano und Gerardo entwickelt, homoerotische Züge trägt und das Duett der beiden in einem innigen Kuss gipfelt, gibt das Libretto eigentlich auch nicht her. Genauso diskutabel bleibt, dass Lusignano seine Frau sexuell bedrängt, wenn er ihr im Duett erklärt, nun den Grund für ihre Trauer zu kennen und sogar ein Treffen mit dem ehemaligen Geliebten gestattet. Aber diese kleinen Details können den Genuss der Vorstellung nur am Rande beeinträchtigen.

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Caterina (Julia Araújo) gibt dem Volk (Chor) neue Hoffnung.

Musikalisch bietet der Abend nämlich Belcanto vom Feinsten, und das Theater Gießen kann mit Stolz verkünden, dass diese Produktion mit nur einem Gast bestritten und die übrigen Partien allesamt aus dem Ensemble besetzt werden können. Allen voran ist hier die junge Sopranistin Julia Araújo in der Titelpartie zu nennen, die mit rundem Sopran und strahlenden Koloraturen begeistert. Mit lyrischer Schönheit glänzt sie in ihrer großen Romanze im Prolog "Vieni, o tu, che ognora io chiamo", wenn sie auf die Ankunft ihres Geliebten Gerardo hofft, mit dem sie aus Venedig fliehen will. Ausdrucksstark präsentiert sie sich in dem Kasten als Königin, die keinerlei Handlungsspielraum besitzt, bevor sie am Ende mit vollem Sopran als reife Königin mit "Non pił affani, mie genti" dem zypriotischen Volk Mut zuspricht. Grga Peroš verleiht dem König Lusignano mit kraftvollen Tiefen die gebührende Autorität und beweist mit weichen dunklen Tönen in seinen beiden großen Arien, dass er Caterina gegenüber sehr gefühlvoll sein kann. Clarke Ruth stattet den Bösewicht Mocenigo mit einem schwarzen Bass aus und lässt ihn glaubhaft diabolisch erscheinen. Tomi Wendt überzeugt als Caterinas Vater Andrea Cornaro mit flexiblem Bariton und macht deutlich, dass er gegen Mocenigo und den Rat der Zehn machtlos ist. Yoseph Park, Paola Alcocer Crespo und Aleksandr Bogdanov runden in den kleinen Partien Strozzi, Matilde und Kavalier des Königs die Ensemble-Leistung wunderbar ab.

Als einziger Gast ergänzt Younggi Moses Do als Gerardo das Ensemble. Auch er punktet mit großer Strahlkraft in den Höhen und findet im Duett mit Araújo zu einer bewegenden Innigkeit. Eindrucksvoll gelingt ihm die Schilderung seines Leids in der Arie "Da quel dì che lacerato" im ersten Akt, wenn er Caterina beim erneuten Treffen berichtet, wie es ihm seit ihrer Trennung ergangen ist. Mit Heldenmut und kraftvoll gesungenen Höhen ruft er dann das Volk in "Morte! Fur troppi gl'insulti" zum Kampf auf. Auch im großen Freundschafts-Duett mit Peroš kann er stimmlich bewegen. Der von Jan Hoffmann einstudierte und um den Extrachor erweiterte Opernchor präsentiert sich stimmgewaltig und spielfreudig. Vladimir Yaskorski arbeitet mit dem Philharmonischen Orchester Gießen die unterschiedlichen Stimmungen des Stückes, in dem sich Anklänge an Verdis Nabucco nicht verleugnen lassen, differenziert heraus, trumpft in den kämpferischen Passagen regelrecht martialisch auf und findet für die Liebenden empfindsame Zwischentöne, die das Leid der Titelfigur und der sie liebenden Männer unterstreicht. So gibt es für alle Beteiligten verdienten und großen Applaus.

FAZIT

Wer Belcanto liebt, sollte sich diese Gießener Produktion nicht entgehen lassen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Vladimir Yaskorski

Regie
Anna Drescher

Bühne und Kostüme
Tatjana Ivschina

Licht
Jan-Moritz Bregenzer

Chorleitung
Jan Hoffmann

Dramaturgie
Ann-Christine Mecke

 

Philharmonisches Orchester Gießen

Opernchor und Extrachor
des Stadttheaters Gießen

 

Solistinnen und Solisten

Caterina Cornaro
Julia Araújo

Andrea Cornaro, Caterinas Vater
Tomi Wendt

Gerardo, ein junger Franzose
Younggi Moses Do

Lusignano, König von Zypern
Grga Peroš

Mocenigo, Botschafter Venedigs
Clarke Ruth

Strozzi, Anführer der Auftragsmörder
Yoseph Park

Matilde, Caterinas Vertraute
Paola Alcocer Crespo

Kavalier des Königs
Aleksandr Bogdanov

Sprecherin Video
Germaine Sollberger

Vitrinen-Performance im Foyer
Ira Wichert

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Stadttheater Gießen
(Homepage)



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