Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Don Giovanni

Oper in zwei Akten
Libretto von Lorenzo Da Ponte
Musik von Wolfgang Amadeus Mozart

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 5' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus am 6. Mai 2023
(rezensierte Aufführung: 10.05.2023)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Verführer als Getriebener

Von Thomas Molke / Fotos: © Jörg Landsberg

Mozarts Don Giovanni ist nicht nur ohne Zweifel die bedeutendste musikalische Umsetzung des Don-Juan-Stoffes, sondern hat auch wie kaum eine andere Oper aus dem 18. Jahrhundert ganze Generationen über Fragen philosophieren lassen, die die Geschichte unbeantwortet lässt. Wie schafft es dieser unmoralische Herzensbrecher, auf sämtliche Frauen eine derartige Faszination auszuüben, dass sie ihm reihenweise erliegen? Wieso erträgt Leporello die ewigen Demütigungen seines Herrn und quittiert nicht einfach den Dienst? Was geschah wirklich in Donna Annas Schlafzimmer, und warum hält sie den ihr treu ergebenen Verlobten Don Ottavio das ganze Stück über hin? Welche Funktion erfüllt der steinerne Gast, den Don Giovanni am Ende zum Essen einlädt? Mit all diesen Fragen muss sich ein Regie-Team bei der Inszenierung dieser Oper auseinandersetzen, und wenn eine renommierte Sopranistin wie Angela Denoke, die in ihrer langjährigen Karriere auch die Partie der Donna Anna interpretiert hat, Regie führt, hat man die Hoffnung, dass sie schlüssige Antworten auf zumindest einige dieser zahlreichen Fragen findet. Ob man ihre Deutungen teilt, steht auf einem anderen Blatt.

Bild zum Vergrößern

Don Giovanni (Insu Hwang) sieht sein Leben Revue passieren.

Den berühmten Womanizer sieht sie als einen im Grunde manisch-depressiven Menschen, der mit übertriebenem Aktionismus über seine innere Leere hinwegtäuschen will, was ihn unter enormen Druck setzt und in der Oper letztendlich zum Scheitern führt. Schließlich sind seine Eroberungen im Stück nicht mehr von Erfolg gekrönt und  bringen ihn in die Hölle. Im Bühnenbild von Okarina Peter und Timo Dentler wird daher das Augenmerk auf das Ende der Oper gerichtet. Eine Straße mit einem kahlen hohen Baum beherrscht die auf einem drehbaren Podest angelegte Bühne. An diesem Baum hat es einen Autounfall gegeben, wie sich an einem schwer beschädigten Cabriolet, das neben dem Baum abseits der Straße steht, erkennen lässt. Dieser Unfall ist bereits geschehen, bevor sich der Vorhang hebt. Die folgende Geschichte spielt sich als eine Art Nahtoderfahrung ab, in der Don Giovanni noch einmal sein bisheriges Leben vorbeiziehen sieht. Wie ein Mahnmal steht neben ihm und dem Wagen der Komtur oder besser gesagt der steinerne Gast, der gekommen ist, um Don Giovanni mitzunehmen. Während der Ouvertüre treten nun die drei Frauen auf, die Don Giovanni in der Oper verführen will bzw. bereits erobert und mittlerweile wieder fallengelassen hat. Die Personenregie lässt dabei noch offen, welche besondere Rolle Denoke in ihrer Interpretation jeder einzelnen zuteilt. Im weiteren Verlauf der Ouvertüre stehen die drei nicht nur stellvertretend für die zahlreichen Frauen in Don Giovannis Leben auf der Bühne, sondern werden auch noch um die Chordamen ergänzt.

Bild zum Vergrößern

Masetto (Kenneth Mattice, links), Donna Elvira (Angela Davis, Mitte hinten) und Zerlina (Nayun Lea Kim, rechts) halten Don Ottavio (Anton Kuzenok, Mitte) zurück.

Einige Fragen wirft auch das Verhältnis Don Giovannis zu Leporello auf. Die Kostüme, für die ebenfalls Peter und Dentler verantwortlich zeichnen, lassen keine eindeutige Rollenzuteilung von Herr und Diener erkennen. Beide tragen einen ähnlichen schwarzen Anzug. Dass Don Giovanni zusätzlich einen schwarzen Al-Capone-Hut trägt, ist kein wirkliches Unterscheidungsmerkmal. Das kann man natürlich so machen, muss sich aber fragen, welchen Sinn dann der Rollentausch im zweiten Akt haben soll, wenn Leporello als verkleideter Don Giovanni dessen ehemalige Geliebte Donna Elvira verführen soll, damit Don Giovanni freie Bahn bei ihrer Zofe hat. Auch legt Denoke die Szene nicht als wirkliches Verwechslungsspiel an, da sie Donna Elvira den Rollentausch bewusst durchschauen lässt. Dass Donna Elvira sich dabei gewissermaßen auf eine Ménage à trois einlässt, ist nicht wirklich aus ihrem Charakter abzuleiten, da sie ja eigentlich von Beginn der Oper an darauf bedacht ist, den von ihr immer noch geliebten Don Giovanni zurückzugewinnen.

Bild zum Vergrößern

Masetto (Kenneth Mattice, links), Zerlina (Nayun Lea Kim, links), Donna Elvira (Angela Davis, Mitte), Donna Anna (Netta Or, rechts) und Don Ottavio (Anton Kuzenok, rechts) halten Leporello (Beniamin Pop, Mitte) für Don Giovanni.

Zerlina ist in Denokes Inszenierung optisch keineswegs das naive Bauernmädchen, sondern wirkt mit ihrer knallroten Brille eher wie eine Intellektuelle, die nicht auf Don Giovannis Verführungskünste hereinfällt. Dass sie allerdings genau weiß, wie sie ihren leicht aufbrausenden Masetto wieder in die Spur bringen kann, wird glaubhaft umgesetzt. Donna Annas Verhalten bleibt in der Inszenierung so rätselhaft wie im Libretto, und Denoke versucht gar nicht, dafür eine plausible Erklärung zu finden. Deutlich wird in der Personenregie, dass Donna Anna Don Ottavio nicht wirklich liebt. Welche Beziehung zwischen Donna Anna und Don Giovanni zu Beginn der Oper bestanden hat und was schließlich zur Ermordung des Komturs führt, kann das Publikum für sich selbst ergründen. Ob sie die Verführerin ist, wie Don Giovanni sie während der Ouvertüre in ihrem leicht lasziven Spiel auf der Bühne sieht, oder ob dieses Bild nur seiner Phantasie kurz vor seinem Tod entspringt, wird bewusst offen gelassen. Das Einheitsbühnenbild, das nur durch Drehen des Podestes eine andere Perspektive auf die Straße und den Unfallort bietet, unterstreicht, dass sich die Geschichte lediglich im Kopf Don Giovannis abspielt. Wabernder Nebel im Hintergrund betont die unheimliche Stimmung des Ganzen. Dieser Ansatz tut nicht weh, liefert aber auch keine neuen Erkenntnisse zum Verständnis des Stückes.

Bild zum Vergrößern

Leporello (Beniamin Pop, links) und Don Giovanni (Insu Hwang, 2. von links) begegnen dem steinernen Gast (Dong-Won Seo, im Hintergrund mit Netta Or als Donna Anna).

Musikalisch kann ein Großteil des Personals mit dem hauseigenen Ensemble besetzt werden. Insu Hwang gestaltet die Titelpartie mit kraftvollem Bariton und zeigt darstellerisch, dass dieser Frauenheld im Grunde genommen ein Getriebener ist, der zu wahren Gefühlen nicht fähig ist. Die berühmte Champagner-Arie präsentiert er mit testosterongesteuerter Virilität. Anton Kuzenok hält als Don Ottavio mit weichen lyrischen Bögen dagegen. In seinen beiden großen Arien punktet er mit sauber angesetzten Spitzentönen, ohne dabei zu forcieren. Angela Davis ist als Donna Elvira eine sichere Bank in Hagen. In strahlenden lyrischen Höhen überzeugt sie mit beweglichem Sopran und macht stimmlich ihren Kampf um Don Giovanni absolut glaubhaft. Kenneth Mattice punktet als Masetto mit dunkler Stimmfärbung und herrlich naivem Spiel, das zeigt, dass er weder seiner Braut Zerlina noch Don Giovanni als Rivale wirklich gewachsen ist. Dong-Won Seo verleiht dem Komtur mit schwarzer Tiefe die nötige Autorität. Auch der von Wolfgang Müller-Salow einstudierte Opernchor lässt keine Wünsche offen und überzeugt sowohl stimmlich als auch darstellerisch.

Als Gäste ergänzen Netta Or, Beniamin Pop und Nayun Lea Kim das Ensemble. Or gestaltet die Partie der Donna Anna mit beweglichen Läufen und dramatischen Höhen, die bisweilen allerdings ein wenig schrill klingen. Kim stattet die Partie der Zerlina mit leuchtendem Sopran aus. Beniamin Pop begeistert als Leporello vor allem in der Katalogarie mit großem Spielwitz und beweglichem Bariton. Das Philharmonische Orchester Hagen überzeugt aus dem Graben unter der Leitung von Generalmusikdirektor Joseph Trafton mit solidem Spiel. So gibt es verdienten Applaus am Ende der Aufführung.

FAZIT

Man muss nicht mit jeder Inszenierung eines Opernklassikers das Rad neu erfinden. Angela Denoke wählt einen Ansatz, der zwar nicht in jedem Punkt überzeugt, aber das Stück auch nicht zerlegt.



Ihre Meinung ?
Schreiben Sie uns einen Leserbrief

Produktionsteam

Musikalische Leitung, Hammerklavier
Joseph Trafton

Inszenierung
Angela Denoke

Bühne und Kostüme
Timo Dentler
Okarina Peter

Licht
Hans-Joachim Köster

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Rebecca Graitl

 

Chor des Theaters Hagen

Philharmonisches Orchester Hagen


Solistinnen und Solisten

Don Giovanni
Insu Hwang

Komtur
Dong-Won Seo

Donna Anna
Netta Or

Don Ottavio
Anton Kuzenok

Donna Elvira
Angela Davis

Leporello
Beniamin Pop

Masetto
Kenneth Mattice

Zerlina
Nayun Lea Kim


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2023 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -