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Happy end mit Umweg
Von Joachim Lange / Fotos von Roy Behringer Allein mit dem Titel seiner Operette Schön ist die Welt hielt Franz Lehár (1870-1948) schon 1930 dem Zeitgeist seinen Operettenoptimismus entgegen. Allerdings hatte der letzte Großmeister des Genres mit seiner Lustigen Witwe die Latte für die letzte Blütephase des Genres selbst so hoch gelegt, dass auch er sie nicht noch einmal überspringen konnte. Das hier allerdings ein Melodienerfinder von Rang am Werk war, merkt man dem jetzt in Halberstadt aus der Versenkung geholten, einst im Berliner Metropoltheater uraufgeführten Dreiakter bei fast jeder Nummer an. Der Plot, der von Ferne Georg Büchners Leonce und Lena, einem der wenigen sicheren deutschen Lustspielvorlagen, folgt, ist nur eine ziemlich weichgespülte Vorlage für eine ganze Reihe von mit meisterlicher Souveränität aufgefädelter eingängiger Nummern mit Schlagerpotenzial. Der Assistent der Herzogin und der Hoteldirektor
Regisseur Holger Potocki hat die gesprochenen Dialoge des Librettos von Ludwig Herzer und Fritz Löhner für seine Spielfassung zeitgeistig geliftet und den Direktor des Hotels mit Alpen-Panoramablick natürlich mit einem ständig genutzten Handy ausgestattet. Hier den quirligen Hausherrn zu geben, ist für Tobias Amadeus Schöner ohnehin ein leichtes Spiel. Auch sonst spielt die Nordharzer Crew souverän ihre Operettenroutine aus und nutzt die Dialoge unfallfrei als komödiantische Beschleuniger. Ausstatter Bernhard Bruchhardt hat einen von den klassischen Alpenblicken durchs Hotelpanoramafenster auf die Halberstädter Bühne gestellt, die sich fast von selbst mit der Nummer "Menschen im Hotel" bespielen lassen. Herzogin und König - alte Liebe rostet nicht
Hier treffen sie allesamt aufeinander: Ein nicht näher definierter König (mit ausgestellter Würde: Juha Koskela), der seinen Filius, den Kronprinzen Georg, unter die Haube bringen will, was der als Zumutung empfindet und bewusst zu spät kommt. Die Herzogin Branckenhorst (Thea Rein verliert dabei schon mal die Contenance, wenn sie sich von ihrem Oberhofmeister, den Thomas Kiunke mit aller Komik gibt, alle denkbaren körpernahen Dienstleistungen abverlangt) versucht das mit ihrer Nichte Prinzessin Elisabeth ebenso. Aber auch sie will sich partout nicht verkuppeln lassen. Die beiden Heiratsaspiranten wider Willen lernen sich aber bei einer Motorrad-Panne der Prinzessin per Zufall und inkognito kennen, verlieben sich - und kriegen sich natürlich am Ende. Das junge Liebespaar allein auf dem Gipfel
Das zweite Paar im Stück - der Adjutant des Königs, Graf Karolowitsch, und die Sängerin Mercedes del Rossa - sind schon heimlich verheiratet, am Ende sind sie es auch offiziell. Francisco Huerta und Bénédicte Hilbert sind auch vokal ein Paar, das auf Augenhöhe harmoniert und überzeugt. Max An hat als Kronprinz Georg (in einer Richard-Tauber Rolle), wie bei ihm nicht anders zu erwarten, genau den rechten Operettenschmelz - und obendrein das Privileg des titelgebenden Hits. Wenn Georg und Elisabeth im zweiten Akt allein einem heimlichen Ausflug in die Berge bestreiten (das Gipfelkreuz auf der Pappkulissen-Felsspitze wird mit Extraapplaus bedacht), dann liegt schon der Vergleich in der Alpenluft, dass Jessey-Joy Spronk, die die Elisabeth mit selbstbewusster Lockerheit überzeugend spielt, sich vor allem in der Höhe eher von den gezackten Felsspitzen inspirieren lässt, während Max An mit seinem Gesang mehr dem sanften Hügelgrün und klaren Himmelblau entspricht. Dem Publikum war das aber so recht und es umarmte beide mit großzügigem Jubel. Der König flirtet mit der Tänzerin und weiß nicht, dass die schon mit seinem Adjutanten verheiratet ist.
Harutuyun Muradyan wiederum ließ es sich am Pult der Harzer Sinfoniker nicht nehmen, nicht nur die Protagonisten und den von Jan Rozehnal einstudierten und wie stets mit Eifer spielenden Harztheater-Chor angemessen zu begleiten, sondern auch die orchestralen Passagen auszukosten. Am Ende kommen sich auch der König und die Herzogin (wie in ihrer Jugend) wieder näher und, soviel Zeitgeist muss sein, auch der Oberhofmeister der Herzogin und der Hoteldirektor ziehen vereint von dannen. Bei diesem Ende, nach dem Märchenmotto "und wenn sie nicht gestorben sind….." bleiben mal keine Frage offen. Außer die eine kardinale, ob die Politik ein Einsehen hat und dem Orchester und damit dem Nordharzer Städtebundtheater aus der unverschuldeten finanziellen Schieflage helfen wird. Von der Unterschriftenaktion "Sein oder Nichtsein?" macht das treue Publikum in Halberstadt reichlich Gebrauch - die Exintendanten André Bücker (jetzt Augsburg) und Kay Metzger (jetzt Ulm) haben in einem offenen Brief Unterstützung bekundet - und das Theater macht Kunst, was sonst. Nicht nur das geplante Rheingold in der kommende Spielzeit möchten alle schon gerne sehen.
Das Harztheater liefert seinem Publikum zuverlässig, was bei ihm ankommt. Auch angesichts einer existenziellen Bedrohung. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Ausstattung
Choreographie
Choreinstudierung
Solisten
Der König
Kronprinz Georg
Herzogin Maria Branckenhorst
Prinzessin Elisabeth
Graf Sascha Karlowitsch
Mercedes des Rossa
Der Hoteldirektor
Oberhofmeister der Herzogin
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