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Es muss nicht immer eine lustige Witwe seinVon Joachim Lange / Fotos: Tom SchulzeHans und Daisy hoch zu (nachhaltigem) Ross Persönlich ist Leo Fall, geboren 1873 im mährischen und bereits 1925 verstorben, zwar kein Opfer des Rassenwahns und der Kulturbarbarei der Nazis geworden; sein Werk gleichwohl schon. Wenn seine bis in die 1920er-Jahre hinein höchst erfolgreiche Operette Die Dollarprinzessin aus dem Jahre 1907 in der Musikalischen Komödie in Leipzig jetzt die neue Intendanz von Tobias Wolff eröffnet, dann ist das auch ein politisches Zeichen. Im Hinblick auf jene Künstler bzw. Werke, die den Nazis zum Opfer fielen und denen auch nach dem Krieg nur zögerlich Gerechtigkeit widerfuhr. Aber auch hausintern ist der Vortritt, den der neue Intendant Tobias Wolff damit diesem traditionsreichen, fabelhaft neu herausgeputzten Haus der eher leichteren Muse vor der Undine-Premiere Ende des Monats im großen Haus lässt, ein schönes Bekenntnis zu dieser ganz besonderen Spielstätte und ihrem Stammpublikum. Der Millionär als Römer mit Nichte und Tochter Abgesehen von den großen und mittelgroßen Bedeutungsebenen ist diese erste Operetten-Inszenierung von Matthias Reichwald für die Zuschauer das reine Vergnügen. Das Haus, sein Orchester (in der besuchten Vorstellung unter Leitung des Pult-Gastes Friedrich Praetorius) und das wie immer integrierte hauseigene Ballett (Chreographie: Claudio Valentim) ziehen alle Register und spielen ihre Kompetenz in diesem Genre aus. Man ist sogar über die Treffsicherheit des Librettos und die amerikakritischen Untertöne verblüfft. Zumindest in den ersten beiden Akten funktioniert das in der geschmeidig modernisierten Textfassung wie ein Komödienuhrwerk. Auch in der Melange aus den jede für sich genommen zündenden Musiknummern und den gesprochenen Einlagen. Es geht um einen großkotzigen amerikanischen Kohle-Millionär, der sich den Luxus leistet, Angehörige des verarmten europäischen Adels für sich arbeiten zu lassen. Reichwald hat den von den bewährten MuKo-Stars gesungenen Herren noch zwei sprechende hinzuerfunden. Stefan Ebeling als Graf und Armin Zarbock als "Herr Herzog" (auf dem "Herr" besteht er als running gag) kommentieren mit trockenem Witz, was sie erleben, und erledigen dabei kleine Umbauten. Dabei hätten sie sogar noch etwas mehr aufdrehen können. Alice schmeisst den LadenDer hauseigene Musteroperettentenor Adam Sanchez ist Fredy Wehrburg, der den Privatsekretär der Millionärstochter Alice mimt. Und Jeffry Krueger ist Hans Freiherr von Schlick, der mit der Nichte des Hauses, Daisy, anbändelt und sie sogar zum Schein (der dann aber doch kein Schein ist) heiratet. Als Millionär Couder setzt Milko Milev seine ganzes bewährtes Operettencharisma ein. Dieser Mann mit der kulturellen Intelligenz des jüngsten Ex-Präsidenten lässt die adligen Herrschaften nicht nur für sich arbeiten, er spielt auch gerne europäische Kulturhighlights nach. Napoleon etwa auf einem Pferd (Achtung: ernstgemeinte Fußnote des "Transformationsmanagers für nachhaltige Kultur"!), das schon 1999 in Wolfgang Engels Faust dabei war und seither schon etliche Auftritte in anderen Inszenierungen absolviert hat. Unterlegt sind diese Ausritte und Auftritte mit auch in der frisch renovierten MuKo erstaunlich gut klingenden Lohengrin-Anleihen. Olga, wieder frei in ihrem Varieté Couder fällt auf die Hochstaplerin (und Varietékünstlerin) Olga herein, die ihn - unentdeckt - als russische Gräfin heiratet, um sich nach einem Jahr gewinnbringend wieder scheiden zu lassen. Natürlich hat das alles auch etwas von einem Komödienschmarrn. Aber: es verblüfft schon, wie sich die Frauen hier ins Bild und durchsetzten. Nicole Lubinger ist als Alice eben nicht nur die verwöhnte Tochter ihres Vaters, sondern auch die clevere und erfolgreiche Managerin seiner Unternehmen, die sich selbstverständlich ihren Mann selbst aussucht. Mit Daisy (Olivia Delauré) ist es nicht viel anders. Sie denkt sich den Ehevertrag aus (kein Sex in der Ehe) - und auch, wie man ihn umgeht (sie kommt nachts als Dienstmädchen….). Und für Olga (herrlich mit ihrer Olga-von-der-Wolga-Nummer: Nora Lentner) gilt das sogar ganz "klassisch". Alle drei Damen faszinieren mit darstellerischem Charme und vokalem Glanz. Das Ambiente (Bühne Jelena Nagorni; Kostüme: Tanja Liebermann) kommt ohne Plüschigkeit aus, ist aber dennoch opulent. Szenisch ist das eine vorsichtige Modernisierung, die niemanden verschrecken muss. Alle Vorzüge des Hauses kommen zur Geltung und lassen ein Prunkstück der sogenannten silbernen Operettenära funkeln.
Mit einer alles in allem zündenden Neuinszenierung von Leo Falls Operette Die Dollarprinzessin an der Musikalischen Komödie eröffnet die Oper Leipzig die neue Spielzeit und eine neue Intendanz. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Choreographie
Chor
Dramaturgie
Chor, Ballet und Orchester der
Alice Couder
Daisy Gray
Olga Labinska
John Couder
Fredy Wehrburg
Hans Freiherr von Schlick
Tom
Dick
Graf
Herzog
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