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Perfekte Einstimmung auf Weihnachten Von Thomas Molke / Fotos: © Alastair Muir / Tristram Kenton / Foteini Christofilopoulou (Royal Opera House)
Peter Iljitsch Tschaikowskys Ballett-Klassiker Der Nussknacker gehört zur
Vorweihnachtszeit wie der geschmückte Christbaum, und wenn in den Opernhäusern
das Werk auf den Spielplan gestellt wird, weiß man, dass das Fest der Liebe
nicht mehr weit ist. 1984 hat Peter Wright für das Royal Opera House eine
Choreographie geschaffen, die sich eng an das Original von Lev Ivanov hält und
seitdem in Covent Garden für ausverkaufte Vorstellungen in der Vorweihnachtszeit
sorgt. Mit einer Vielzahl von Tänzerinnen und Tänzern, von der andere Bühnen nur
träumen können, schwelgt die Produktion in einer Opulenz, die für kleinere
Bühnen nicht realisierbar ist. Durch die Corona-Beschränkungen in den letzten
Jahren konnte die Inszenierung seit 2020 nicht mehr in voller Besetzung auf den
Spielplan gestellt werden und kehrt nun nach drei Jahren wieder in vollem Umfang
auf die Bühne zurück, was natürlich zum Anlass genommen wird, diese
Wiederaufnahme als Live-Stream in nahezu 900 Kinos zu übertragen. Die ehemalige
Balletttänzerin Darcey Bussell, die mittlerweile als Coach für das Royal Ballet
tätig ist, und Petroc Trelawney präsentieren interessante
Hintergrundinformationen vor der Vorstellung und in der Pause.
Weihnachtsfest bei den Stahlbaums (© Foteini Christofilopoulou)
Nun meint man, die Geschichte des Nussknackers, die hierzulande
alljährlich in zahlreichen Ballettproduktionen zu erleben ist, relativ gut zu
kennen. Wrights Choreographie bietet allerdings neue Einblicke, die man so
andernorts selten gesehen hat. So startet der Abend in der Werkstatt
Drosselmeyers, der bei Wright eigentlich die zentrale Figur des Stückes ist.
Drosselmeyer
arbeitet an einem Engel, der die Spitze eines Tannenbaums schmücken soll.
Im Hintergrund sieht man ein großes Bild eines jungen Mannes. Dabei handelt es
sich um Drosselmeyers Neffen Hans-Peter, der einst von der bösen Mausekönigin in
einen hässlichen Nussknacker verwandelt worden ist, weil Drosselmeyer in einem
königlichen Palast einst eine Falle erfunden hatte, mit der er die Hälfte der
Mäusepopulation ausgerottet hatte. Einen kurzen Moment erwacht das Bild zum Leben
und zeigt, welche Qualen Hans-Peter in der Gestalt des Nussknackers, der als
Puppe vor dem Bild liegt, erleidet. Da kommt dem Zauberer durch die Einladung
zur Familie Stahlbaum eine Idee. Vielleicht ist die Tochter des Hauses, Clara,
das junge Mädchen, das den Nussknacker von seinem Fluch befreien kann.
Clara und der Nussknacker im Kampf gegen den
Mäusekönig und sein Heer (© Tristram Kenton)
Nach einem kurzen Spaziergang durch pittoreske Straßen der Stadt landet man erst
im zweiten Bild im Haus der Stahlbaums, wo sich eine große Gesellschaft auf das
Weihnachtsfest vorbereitet. Hier bietet das Bühnenbild von Christopher Carr und
Gary Avis eine detailverliebte Opulenz, die nur noch staunen lässt. Blickfang
ist ein riesiger Weihnachtsbaum im Hintergrund der Bühne, der des Nachts kurz
vor der Auseinandersetzung zwischen Nussknacker und Mausekönig zu einer riesigen
Größe anwächst. Auch der restliche Raum ist ein reiner Augenschmaus. Erwähnt sei
eine große Standuhr auf der linken Bühnenseite mit einem Uhu, der des Nachts
verschmitzt blinzelt. Bennet Gartside beherrscht als Drosselmeyer bei diesem
Fest durch faszinierende Zaubertricks die Szene. Sae Maeda begeistert als Clara
mit mädchenhaftem Charme. Das Ensemble zeigt sich wunderbar aufeinander
abgestimmt und erzählt auf diesem Weihnachtsfest zahlreiche kleine Geschichten.
Besonders hervorzuheben ist auch der tänzerische Nachwuchs. Die jugendlichen
Tänzerinnen und Tänzer punkten durch exakte Bewegungen und große Spielfreude.
Der junge Tänzer des Fritz gibt einen herrlich frechen Bruder Claras, der
zunächst den Nussknacker zerstört und von Drosselmeyer in seine Schranken
gewiesen werden muss. Ein weiterer Glanzpunkt der Szene sind auch die Puppen,
die Drosselmeyer zur Unterhaltung der Gesellschaft auftreten lässt.
Clara und Hans-Peter im Reich der Süßigkeiten (© Alastair Muir)
Der nächtliche Kampf des Mäusekönigs gegen den Nussknacker und sein Heer ist
einem dann doch wieder vertrauter. Auch hier sind die Kostüme von Julia
Trevelyan Oman eine reine Augenweide. Drosselmeyer entfacht zunächst den Kampf,
zieht sich dann aber zurück, weil er weiß, dass sein Zauber hier nicht viel
ausrichten kann. Jetzt ist es Clara, die den Nussknacker im Kampf gegen den
Mäusekönig unterstützen muss. Als der Mäusekönig den Nussknacker schon fast
besiegt hat, schreitet sie ein und setzt ihn außer Gefecht. So hat sie den
Nussknacker nicht nur gerettet, sondern auch von seinem Fluch befreit und ihn
wieder in einen jungen Mann verwandelt. Die Szene verwandelt sich, und der
Engel, den Drosselmeyer für die Christbaumspitze gebaut hatte, taucht nun in
menschlicher Größe auf, um Clara und Hans-Peter in einem riesigen Schlitten in
das Land des Schnees zu führen, von wo aus sie eine magische Reise zum
Zuckergarten im Königreich der Süßigkeiten antreten und auf die Zuckerpflaumenfee und
ihren Prinzen treffen. Mit wunderbarer Leichtigkeit begeistern die Tänzerinnen
beim berühmten Schneeflocken-Walzer, und der leise aus dem Schnürboden rieselnde
Schnee macht diese Szene märchenhaft schön.
Die Zuckerpflaumenfee (Fumi Kaneko) und der Prinz
(William Bracewell) (© Alastair Muir)
Nach der Pause ist man nun im Zuckergarten angekommen, der im Bühnenbild durch
einen herrlichen Schlossgarten angedeutet wird. Hier berichtet Hans-Peter nun
der Zuckerpflaumenfee und dem Prinzen von seiner Befreiung aus der Gestalt des
Nussknackers. Joseph Sissens setzt dies mit eindrucksvoller Gestik um und lässt
den Kampf noch einmal Revue passieren. In die zahlreichen berühmten folgenden
Tänze werden Sissens und Maeda teilweise wunderbar mit einbezogen. Auch hier
können die hiesigen Ballett-Compagnien nur davon träumen, mit einer solch großen
Besetzung bei den einzelnen Tänzen aufzuwarten. Dabei bestechen alle Tänzerinnen
und Tänzer durch perfekte Eleganz, die sie eigentlich allesamt als Solistinnen
und Solisten auszeichnet. Ein weiterer Höhepunkt ist dann der Blumenwalzer. Im
Anschluss haben dann Fumi Kaneko als Zuckerpflaumenfee und William Bracewell als
Prinz ihren großen Auftritt. Kaneko glänzt durch scheinbare Leichtigkeit und
unglaubliche Eleganz. Bracewell punktet durch kraftvolle Sprünge und Drehungen
und findet im Zusammenspiel mit Kaneko zu einer betörenden Innigkeit.
Nach diesem Divertissement kehren Clara und Hans-Peter in die Realität zurück,
gehen aber nun getrennte Wege. Clara befindet sich auf dem Weg zu Drosselmeyer,
um ihm von ihrem nächtlichen Abenteuer zu berichten, und trifft auf Hans-Peter,
ohne ihn zu erkennen. Er fragt sie nach dem Weg zu Drosselmeyer, und erst da
scheint es Clara zu dämmern, dass es sich bei dem jungen Mann um ihren
nächtlichen Begleiter handelt. Das letzte Bild zeigt dann Drosselmeyer in seiner
Werkstatt. Sehnsuchtsvoll blickt er zum Portrait des jungen Mannes und fragt
sich, ob Clara ihn wohl von seinem Fluch hat befreien können. Da öffnet sich die
Tür, und Hans-Peter steht vor seinem Onkel. Die beiden fallen sich glücklich in
die Arme, und das Märchen hat einen in jeder Hinsicht guten Ausgang genommen.
Das Publikum spendet frenetischen Applaus.
FAZIT
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Produktionsteam
Musikalische Leitung Choreographie Kostüme Bühnenbild Lichtdesign Produktionsberater Arabischer Tanz bearbeitet von
Orchestra of the Royal Opera House The Royal Ballet Tänzerinnen und TänzerDie Zuckerpflaumenfee Der Prinz Herr Drosselmeyer Clara Hans-Peter / Der Nussknacker
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- Fine -