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Der Rest ist Schweigen - oder Nichtsein ...?
Von Roberto Becker /
Fotos von
Wilfried Hösl
William Shakespeares Prinz Hamlet darf sich Zweifeln und Zaudern leisten. Dem Image der Figur hat das über die Jahrhunderte nicht geschadet. Die Welle der Begeisterung, die es zur Uraufführung dieser Opernvariante von Hamlet 2017 gab, hat sich in den Jahren danach (es gab 2019 die deutsche Erstaufführung in Köln) etwas abgeflacht. Ob es nun allerdings ein Variante des populären Shakespeare-Stoffes ist, die nicht nur im oder auch gleich noch für das 21. Jahrhundert komponiert wurde, ist wohl von vornherein eine etwas unfaire Frage. Zumal sich zumindest das Publikum dem Vernehmen nach in England und in Köln und jetzt auch in München mit seiner Zustimmung einig war.
Der Geist seines Vaters gibt Hamlet die Richtung für sein Handeln vor
An der Pariser Opera Bastille hatte Krzysztof Warlikowski im März gerade demonstriert, dass sich szenisch selbst aus Ambroise Thomas' HamletVeroperung in den Klischees des 19. Jahrhunderts etwas machen lässt. Mehr jedenfalls als eine Nacherzählung der Geschichte, ohne jeden Verfremdungs- oder Überschreibungsehrgeiz, wie es Neil Armfield (Regie), Ralph Myers (Bühne) und Alice Babidge (Kostüme) 2017 in der englischen Festspielidylle in Glyndebourne erprobt und nun in München zur Eröffnung der aktuellen Opernfestspiele erneut zur Diskussion gestellt haben. Die bewusste Nähe zur Vorlage Shakespeares, die Matthew Jocelyn und Brett Dean gesucht haben, wirkt heute womöglich auch deshalb ein wenig altbacken, weil die Schauspielbühnen hierzulande sich dem Original (bzw. dessen selbst schon klassischer Schlegel-Tieck-Übersetzung) meist mehr oder weniger verweigern. Von den Eingangszeilen des berühmtesten Monologes "To be or not to be" nur das "not to be" zum Leitmotiv zu machen und damit obendrein auch gleich loszulegen, ist heutzutage jedenfalls nicht mal mehr eine kleine Sünde und passt eh gut in das Zeitalter der kommunikativen Selbstverstümmelung. Ophelia wird Opfer des Wahnsinns Das Jonglieren mit einer Auswahl der bekanntesten Hamlet-Zitate gehört zu den witzig spielerischen Zutaten. Sie kommen auch alle vor. Und wenn es ein Theaterstück im Stück ist, mit dem Hamlet ja bekanntlich den Mörder seines Vaters dazu bringen will, sich durch seine Reaktion auf einen nur leicht verfremdet nachgespielten Mord auf der Bühne, selbst zu verraten. Nicht nur hier geht Hamlet selbst nicht als Zauderer, sondern vergleichsweise forsch zur Sache. Bei ihm ist der Racheauftrag, den ihm der Geist des Vaters erteilt hat, jedenfalls der Auslöser für planvolles beherztes Vorgehen. Allan Clayton beglaubigt das auch durchweg mit vokaler Entschiedenheit. Das Quantum Wahnsinn liefert auch er gekonnt, zuständig dafür ist allerdings Ophelia, deren Partie dafür mit halsbrecherischen Koloraturen ausgeschmückt und in Caroline Wettergreens sehr gelenkiger Gurgel gut aufgehoben ist. Hamlet spielt den Wahnsinnigen Für den großformatigen Orchesterklang sorgte der Münchner GMD Vladimir Jurowski, der bereits die Uraufführung in England dirigiert und offenbar eine tiefe Zuneigung zur Musik von Brett Dean gefasst hat und diese auch dem Bayerischen Staatsorchester vermitteln kann. Dabei nehmen sich die Zutaten diverser Klangeffekte auf dem Papier raffinierter aus, als es dann tatsächlich klingt. Ralph Myers (Bühne) und Alice Babidge (Kostüme) haben einen szenisch opulenten Rahmen für die Inszenierung von Neil Armfield geschaffen. Bewegliche Saalwände bilden einen Saal für die königliche Hochzeitstafel von Gertrud und Claudius. Die ablenkbare Decke schafft den Raum für die Totengräberszene. Showdown bei den Dänen: Hamlet kämpft mit Laertes Das Königspaar ist mit Rod Gilfry als Claudius und Sophie Koch als Gertrude überzeugend königlich besetzt. Die Countertenöre Patrick Terry und Christopher Lowrey verpassen dem Gespann Rosencrantz und Guildenstern eine besondere, leicht schräge Note. Während Jacques Imbarilo mit seinem Horatio der vorhersehbare Freund an Hamlets Seite und Charles Workman den Polonius im Rahmen eloquenter Geschwätzigkeit präsentiert. Sean Panikkar ist der rachewütige Laertes, der am Ende mit Hamlet gut choreografiert die Klingen kreuzt. Mit all seiner Erfahrung und Präsenz macht John Tomlinson mit erstaunlicher vokaler Substanz aus seinen Auftritten als Geist von Hamlets Vater, Schauspieler und Totengräber darstellerische Kabinettstücke. Den stärksten Eindruck hinterlässt - alles in allem - der eskalierende, deftige Orchesterklang. Auch der kommentierende und teilweise vom Rang aus singende Chor in der Einstudierung von Rustam Samedov (der Kölner Opernchordirektor war schon bei der deutschen Erstaufführung in Köln mit von der Partie) hatte gehörigen Anteil daran. Eine Frage bleibt allerdings offen. Warum man ausgerechnet zur Eröffnung Opernfestspiele (die ja in München traditionell mehr als ein Marketing-Gag, sondern eine Leistungsschau des Hauses) eine Produktion von auswärts übernimmt und keine eigene Neuproduktion ans Ende der Spielzeit setzt, ist nicht ganz klar und sollte die Ausnahme bleiben. FAZITNicht nur die Musik bleibt allenthalben im sinnlichen durchaus festspieltauglichen Wohlfühlbereich. Auch wenn das Ganze bei dem vorhersehbaren Gang der Dinge etwas zu lang wirkt. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Licht
Choreographie
Chor
Rechtszene
Dramaturgie
Solisten
Hamlet
Ophelia
Claudius
Gertrude
Polonius
Horatio
Geist, Totengräber und Spieler
Laertes
Rosencrantz
Guildenstern
Marcellus / Spieler 4
Spieler 2
Spieler 3
Akkordeonist
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