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Eugen Onegin

Lyrische Szenen in drei Akten
Libretto von Peter Tschaikowsky und Konstantin Schilowski nach Alexander Puschkin
Musik von Peter Tschaikowsky


In russischer Sprache mit deutschen Übertiteln


Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)


Premiere am 21. Januar 2023 im Opernhaus Magdeburg
(rezensierte Aufführung: 24. März 2023)

 



Theater Magdeburg
(Homepage)

Unglückliche Brieffreundschaft

Von Stefan Schmöe / Fotos von Nilz Böhme

Russland ist ziemlich fern. Jedenfalls in der Inszenierung, mit der sich Magdeburgs seit Saisonbeginn amtierender Intendant Julien Chavaz dem Publikum als Regisseur vorstellt. Endlose Weite mit ein paar Birken; ein formidables abgewirtschaftetes Landgut in der Provinz, im letzten Akt als Kontrast zaristischen Petersburger Prunk - all' diese beliebten Zutaten zu Eugen Onegin sucht man im Bühnenbild von Amber Vandenhoeck vergeblich. Stattdessen sieht man vor einem durch eine gewaltige Gardine markierten Rundhorizont eine Rasenlandschaft mit ein paar begrünten Podesten und Felsen, die wie eine vergrößerte Modellbahnlandschaft aussehen und am Rande noch eine Veranda integrieren. Im zweiten Akt wird das alles an den Rand geräumt und macht Platz für einen Rasen, offenbar ein Sportplatz, auf dem sich Lenski und Onegin unglücklich duellieren werden. Und im dritten Akt ist die Natur ganz nach hinten gewandert und die Rundhorizontgardine grenzt die Spielfläche ab. Eine Entwicklung von der Natur zur Kultur, parallel zur Entwicklung Tatjanas vom naiv verliebten jungen Mädchen bis zur eleganten Gattin eines Veteranen am Hofe. Oder, um es mit der Sprache der Pressemitteilung zu sagen: Wir erleben "einen mysteriösen, sich selbst dekonstruierenden Raum".

Vergrößerung in neuem Fenster Gegensätzliche Schwestern: Die lebensfrohe Olga (links) und die introvertierte Literaturfreundin Tatjana; dahinter Larina, ihre Mutter

Der so sehr mysteriös dann aber auch nicht ist, und was es eigentlich zu dekonstruieren gibt in dieser reichlich harmlosen Spielzeugwelt, das will sich auch nicht recht erschließen. Chavaz erzählt die Geschichte einigermaßen genau, ohne Historien- und Ausstattungstheater zu zeigen, ein bisschen abstrahiert, ein bisschen symbolisch aufgeladen. Der Chor ist konsequent durchchoreographiert, was an Operneinlagen in Fernsehshows der 1980er-Jahre erinnert - letztendlich sieht das weniger spezifisch nach Eugen Onegin aus als vielmehr nach "irgendwie typisch Oper", brav arrangiert und mit einer ziemlich starken Prise Künstlichkeit. Dazu gehört, dass nicht nur der Chor, sondern auch alle Solisten immer das Publikum anschauen, sobald sie singen, und idealerweise haben sie sich kurz vor ihrem Einsatz zur Mitte der Bühne begeben (vor allem der erste Akt mit begrenzter Spielfläche ist nach diesem Prinzip eingerichtet). Es liegt ein Hauch von Wunschkonzert über der Szenerie.

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Schlüsselszene der Oper: Tatjana schreibt einen Liebesbrief an Onegin (bekanntlich ohne Erfolg).

Die Kostüme von Sanne Oostervink sind ziemlich heutig, pastellfarbene Provinzmode (die lebensfrohe Olga darf einen knallgelben Rock tragen). Das ist im ersten Akt plausibel, allerdings fehlt es dem Aufstieg Tatjanas von der Landpomeranze zur Salongröße an Wirkung - die Veränderung sollte Onegin, der Tatjana einst verschmäht hat, beim Petersburger Wiedersehen wie ein Schock treffen, und das ist hier angesichts der geringen Veränderungen kaum nachvollziehbar. Dieser Onegin wiederum tritt im ersten Akt derart hemdsärmlig auf, dass man Tatjanas Begeisterung für ihn nicht nachvollziehen mag. An solchen entscheidenden Momenten ist die Regie zu oberflächlich, und mit dem Verzicht auf den historisch-sozialen Kontext kommt eben auch keine Unterstützung aus der Kulisse. Am Ende trägt Onegin Grün und Tatjana komplementäres Rot, sodass auch die Farben deutlich machen: Sie können zusammen nicht kommen.

Vergrößerung in neuem Fenster Befreundete Duellanten: Lenski (rechts) und Onegin

Über eine eher biedere Nacherzählung kommt die Regie letztendlich nicht hinaus, auch weil die Personenregie ziemlich konventionell angelegt ist - oder an den Darstellern scheitert? Aleksandr Nesterenko singt den Lenski, der seinen Freund Onegin aus falscher Eifersucht heraus zum Duell fordert, mit kernigem Tenor, bei dem die Melancholie seiner großen Arie im Piano in Weinerlichkeit zu kippen droht, und schaut dabei reichlich pathetisch in den Zuschauerraumhimmel, sodass man nicht wirklich mitleiden mag. Und Onegin müsste am Ende nicht unbedingt tot umfallen vor Enttäuschung darüber, dass die verheiratete Tatjana ihrem Gatten Gremin (mit großem, recht ungenauem Bass: Johannes Stermann) treu bleibt. Ansonsten gibt der agile Marko Pantelić diesem Onegin vokale Präsenz (weniger Eleganz) und eine einigermaßen überzeugende Menge an ironischer Weltverachtung mit. Tatjanas Schwester Olga, von Weronika Rabek zuverlässig gesungen und ziemlich statisch gespielt, müsste von der Regie stärker als Gegenentwurf zur introvertierten Tatjana aufgebaut werden; hier bleibt die Figur allzu blass. Schön gesungen und mit der erforderlichen Würde und Altersweisheit gespielt sind Mutter Larina (Doris Lamprecht) und Amme Filipjewna (Jadwiga Postrozna).

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Finale in St. Petersburg: Fürst Gremin zwischen Tatjana und Onegin

Die spannendste und schlüssigste Szene des Abends ist Tatjanas große Briefszene. Hier hat die Regie ein paar ganz effektvolle Ideen, lässt etwa Papierschnitzel von oben herabregnen, wenn Tatjana wieder einen Liebesbriefentwurf (den sie in die Luft geschrieben hat) zerreißen will. Anna Malesza-Kutny hat einen vom Charakter her recht dramatischen Sopran mit leicht nervösem Dauertremolo (wirklich lyrische Tschaikowsky-Stimmen finden sich im das Magdeburger Ensemble nicht), singt aber mit hoher Intensität, und sie zeichnet ein ziemlich spannendes Portrait eines jungen, hoffnungslos verliebten und eben damit hoffnungslos überforderten Mädchens.

Der Chor des Magdeburger Theaters singt klangprächtig (und manchmal etwas zu laut). Unter der Leitung von Kapellmeister Svetoslav Borisov (die Premiere dirigierte Generalmusikdirektorin Anna Skryleva) spielt die insgesamt gute Magdeburgische Philharmonie sehr ordentlich mit schönen Holzbläsern und manchem sorgfältig ausdifferenziertem Detail im Piano. Viel Applaus vom an diesem Abend leider nicht allzu zahlreich erschienenen Publikum.


FAZIT

Das Magdeburger Regiedebüt von Intendant Julien Chavaz ist trotz Verzicht auf Realismus ziemlich konventionell geraten. Musikalisch sicher kein großer, aber ein akzeptabler Abend.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Anna Skryleva
* Svetoslav Borisov

Inszenierung
Julien Chavaz

Mitarbeit Regie
Annemiek van Elst

Bühne
Amber Vandenhoeck

Kostüme
Sanne Oostervink

Beleuchtungsdesign
Eloi Gianini

Chor
Martin Wagner

Dramaturgie
Ulrike Schröder


Opernchor des Theaters Magdeburg

Die Magdeburgische Philharmonie


Solisten

Larina, Gutsbesitzerin
Doris Lamprecht

Tatjana, ihre Tochter
Anna Malesza-Kutny

Olga, ihre Tochter
Weronika Rabek

Filipjewna
Jadwiga Postrożna

Eugen Onegin
Marko Pantelić

Lenski, sein Freund
Aleksandr Nesterenko

Fürst Gremin
Johannes Stermann

Ein Hauptmann
Olli Rasanen

Saretzki
Bartek Bukowski

Triquet
Chan Young Lee/
*Manfred Wulfert

Guillot, Onegins Diener
Steven Beard



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