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Der Barbier von Sevilla

Komische Oper in zwei Akten
Dichtung von Cesare Sterbini nach dem Lustspiel Le barbier de Séville von Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais
Musik von Gioachino Rossini

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (eine Pause)

Premiere am 21. Oktober 2022 im Staatstheater Meiningen


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Staatstheater Meiningen
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Da geht die Post ab

Von Roberto Becker / Fotos von Christina Iberl

In Meiningen gehört nicht nur die Auswahl der Stücke, sondern auch die Einladung von Regieprominenz zum Markenzeichen der Intendanz von Jens Neundorff von Enzberg. Nach dem Malerfürsten Markus Lüpertz oder der Gesamtkunstwerker-Legende Achim Freyer kam jetzt Brigitte Fassbaender und inszenierte Rossinis Barbier von Sevillia. Die Ausnahmesängerin, die Mitte der Neunziger Jahre mit gerade mal Mitte fünfzig ihre Gesangskarriere beendete, bewies damit wieder einmal, dass sie es auch in ihrer zweiten bzw. (nach der der Intendantin) dritten Karriere als Regisseurin längst zur Meisterschaft gebracht hat. So etwas erweist sich besonders an den vermeintlich leichten Stücken, die gleichwohl - und gerade deshalb - schwer zu machen sind.

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Am Schreibtisch wird nicht nur geschrieben

Bei Fassbaender hat das Stück Tempo und Spielwitz, ohne einfach nur auf die pure Energie oder sinnfreie Bewegung zu setzten, wie es der als Moderegisseur gehypte Ex-Schauspieler Herbert Fritsch mit dem Barbier neulich in Wien gemacht hat. Bei der Ex-Sängerin führt niemand nur Parlandokunststücke vor, schleudert nur Koloraturen in den Saal oder macht sich nur mit den reichlich vorhandenen Hits der Oper beim Publikum beliebt. All das machen sie in Meiningen auch. Und sie machen es gut und kassieren dafür an Ort und Stelle Szenenapplaus.

Im Vorfeld hatte Fassbaender gesagt, sie wolle Menschen hinter den Figuren zeigen. Und genau das macht sie. Ihr gelingt es, nicht nur die Figuren aus der Musik zu erschaffen, sondern auch ihre eigene Empathie mit den Menschen dahinter beim Publikum zu wecken. Vor allem mit dem Figaro, der immer den passenden Trick oder den rettenden Einfall bei der Hand hat, wenn für das im Stück von den Umständen nicht ver-, aber zumindest behinderte Liebespaar Hilfe nottut, um sie zusammenzubringen. Die Maskeraden des Grafen Almaviva bei seinem Werbe- und Eroberungsfeldzug um die begehrte Rosina sind auf seinem Mist gewachsen. Auf die Idee, als angeblich armer Student Lindoro diese Rosina für sich zu gewinnen, kam der Graf noch selbst. Er wollte ohne Titel und entsprechende Einkünfte auf das schöne Mündel Eindruck machen, das Don Bartolo unter seine Obhut genommen hat, um an sie (und ihr mit der Heirat zugänglich werdendes Vermögen) heranzukommen. Von Figaro ist die Idee, mit einem Auftritt als sturzbesoffener Offizier mit (natürlich gefälschter) Einquartierungsbescheinigung und dann, in einem zweiten Versuch, als einspringender Gesangslehrer aufzutreten, um "offiziell" ganz dicht an die Geliebte heranzukommen. Sie üben sinnigerweise eine Arie aus der Oper Die vergebliche Vorsicht.

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Der Barbier - ihr Freund und Helfer

Johannes Mooser als Figaro ist der augenzwinkernde Spielführer auf der Bühne und der mitspielende Moderator in einem. Stimmgewaltig und mit sympathischer Ausstrahlung. Auf seinem T-Shirt steht "Faktotum", und das trifft das Selbstverständnis seiner Aufgaben, die er mit seiner Auftritts-Kavatine in aller Ausführlichkeit von der Rampe aus, vor geschlossenem Vorhang in den Saal schmettern darf. Dazu kommt das per se witzigen Einheitsbühnenbild von Dietrich von Grebmer. Auf der Drehbühne ist ein überdimensionierter Zwitter aus Haus und Schreibtisch platziert. Don Bartolo hat eine Schließanlage einbauen lassen, die er mit einer Fernsteuerung samt Licht- und Tonsignal verschließen oder öffnen kann. Tomasz Wij? gelingt es, Bartolo nicht nur als spießigen Trottel mit Ambitionen zu zeigen, sondern ihm einen Rest Würde auch in der Niederlage zu bewahren. Zudem beeindruckt er das Publikum mit einer Extradosis von Rossinischen Parlandi, bei denen man jedes Mal staunt, dass so etwas überhaupt geht.

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Gegen den Alten sind sie sich einig

Auf die Dachterrasse seines Hauses bzw. die Schreibtischplatte gelangt man via integrierter Schubfach-Treppe oder angelegter (oder am Ende stibitzter) Leiter. Die Dachterrasse markiert ein Geländer. Stempel, Bleistift und Radiergummi im XXL-Format verweisen auf den Schreibtisch - schließlich werden hier dauernd Briefe geschrieben. In, auf und um dieses metaphorische Einheitsbühnenbild gelingt Fassbaender die Balance zwischen vorgeführtem Theater und einer nachvollziehbar erzählten Geschichte. Mit der Erinnerung an ein historisches Ambiente, die Oper stammt aus dem Jahr 1816. Und mit einem souveränen Spiel mit Spanien-Klischees. So marschiert die Wache wie eine Truppe Stierkämpfer auf. Dazu kleine augenzwinkernd ahistorische Zugaben, in die sich die Protagonisten gleichsam fallen lassen können. Eine Chance, die sie durchweg nutzen. Rafel Helbig-Kostka als Almaviva mit wunderbar geschmeidigem Schmelz beim Schmachten und Schmettern. Sara-Maria Saalmann als herzerfrischend trällernde und quicklebendig jugendliche Rosina. Mikko Järvilutuoto macht natürlich aus der Verleumdungsarie des Don Basilio ein Schmuckstück. Monika Reinhard (Berta) und Niklas Clarin (Offizier) ergänzen das singende Personal.

Vergrößerung in neuem Fenster Militär im Torero-Look

Die beiden hinzugefügten alten Bediensteten (Barbara und Michael Neumann mit trockenem Spielwitz) erweisen sich als bestens integriertes, stumm kommentierendes Zusatzpersonal. Vor allem verblüffen die Herren des von Manuel Bethe einstudierten Meininger Chores mit ihrer Spielfreude, wenn sie die Wache oder die Postboten mimen. Die Meininger Hofkapelle folgt mit offensichtlichem Vergnügen ihrem Pultgast Jonathan Brandani bei dieser Reise in sonnige Opernitalien, bei dem es aus dem Graben perlt wie Prosecco, aber auch die Zwischentöne hinter der Gaudi nicht zu kurz kommen.


FAZIT

Brigitte Fassbaender hat den Meiningern mit dem Barbier von Sevilla ein Opernvergnügen bereitet, das den Jubel am Ende redlich verdient hatte.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jonathan Brandani

Inszenierung
Brigitte Fassbaender

Bühne und Kostüme
Dietrich von Grebmer

Choreographie
Sara-Maria Saalmann

Dramaturgie
Julia Terwald


Herrenchor des Staatstheaters Meiningen

Meininger Hofkapelle


Solisten

Conte Almaviva
Rafael Helbig-Kostka

Rosina
Sara-Maria Saalmann

Figaro
Johannes Mooser

Bartolo
Tomasz Wija

Basilio
Mikko Järviluoto

Berta
Monika Reinhard

Offizier
Niklas Clarin

Notar
Silvio Wild

Postbote
Steffen Köllner

Bedienstete
Barbara Neumann
Michael Neumann



Weitere
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Staatstheater Meiningen
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