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Salome

Musikdrama in einem Aufzug
Text vom Komponisten nach Oscar Wildes gleichnamiger Dichtung
in der deutschen Übersetzung von Hedwig Lachmann
Musik von Richard Strauss


in deutscher Sprache mit französischen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 40' (keine Pause)

Premiere an der Operá National de Paris in der Operá Bastille am 15. Oktober 2022


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Opéra national de Paris
(Homepage)

Bereit nicht nur zum Tanz

Von Joachim Lange / Fotos von Agathe Poupeney / Opéra national de Paris

Die Pariser Oper fängt die Spielzeit mit drei Repertoire-Ausrufezeichen an. Auf die Neuproduktion der Salome, die jetzt Premiere hatte, folgen Wiederaufnahmen der Zauberflöte und Tosca mit entsprechenden Starbesetzungen. Damit kann man, wenn man das Riesenhaus nach den Coronaeinschlägen in die Bilanzen wieder füllen will, nun wirklich nichts falsch machen. Da mit Robert Carsen und Pierre Audi als Regisseure der beiden Wiederaufnahmen Publikumslieblinge ohne Verschreckungspotenzial auf dem Programm stehen, ist die aktuelle Salome-Inszenierung von Lydia Steyer geradezu gewagt. Die hätte wohl auch bei einem Teil des in Sachen Regiekonzepte deutlich toleranteren (weil mehr gewöhnten) deutschen Opernpublikums einige Buhs kassiert. Allerdings gab es in der Bastille auch vernehmlich Zustimmung.

Szenenfoto Soldaten, Narraboth und der Page im Hof des Palastes

Geboten wurde auf jeden Fall eine entfesselte Opulenz der Bilder. Im Grunde ist es das genaue Gegenteil von dem, was Barrie Kosky mit seiner Fokussierung allein auf Salome in einem Nichtraum in der Frankfurter Oper gemacht hat. So wie er dabei der Musik und dem Gesang die Erschaffung der Bilder in der Fantasie der Zuschauer überließ, setzt Steyer auf all' das, was man sich zu dieser Geschichte gewöhnlich vorstellt, noch einen obenauf. Der Innenhof des Palastes von Herodes ist bei Bühnenbildner Momme Hinrichs besonders wuchtig und beklemmend. Vor dem Tanz der Salome öffnet sich die Wand für eine gewaltige Freitreppe, auf der der gesamte Hofstaat Platz hat und wie auf dem Präsentierteller hereingefahren wird. Die schmale Treppe an der Seite hinauf zum Palast ist besonders steil und hoch. Dort oben gibt es ein riesiges Panoramafenster, hinter dem der Hofstaat sein Unwesen treibt. Andy Besuch hat für die Kostümierung des Hofstaates alle Zügel schießen lassen. Außer im Falle von Salomes asketisch weißem Kittel und der Anzuguniformierung der Juden (die alle Zigarre rauchen), übertrumpft bei ihm eine Verrücktheit die andere.

Szenenfoto

Der Hofstaat des Herodes vor dem Tanz

Gleich zu Beginn führen drei Männer in gelben Schutzanzügen und die beiden Soldaten in schwarzen Kampfuniformen mit Maschinenpistolen (Marke Kalaschnikow) auf eine falsche Fährte Richtung postapokalyptischer Seuchen-Dystopie. König Herodes kommt da nicht nur mit wehendem Mantel, sondern auch mit ebensolchem Kopfschmuck wie ein Indianerhäuptling daher. Der Clou ist die Kleiderordnung der Königin Herodias, die ihre gepiercten Brüste gleich offen zur Schau trägt, und sich nach Lust und Laune an den Soldaten als Objekte der Begierde bedient. Wenn diese permanente Übergriffigkeit in der als Tanz der Salome angekündigten Szene in eine Orgie eskaliert, an der sich alle beteiligen, in dem sie über Salome herfallen, nach dem der König sie entkleidet und ausführlich begrapscht hat, zieht sich die Königin immerhin (mit "ihrem" Soldaten) in den Palast zurück und lässt die Rollos herunter. Als sie wieder auftaucht und ihre jetzt blutverschmierte missbrauchte Tochter sieht, nimmt man ihr das Erschrecken, das ihr dabei ins Gesicht geschrieben ist, durchaus ab. Obwohl diese Herodias natürlich auch hier eine antreibende Protagonistin der Dekadenz am Hofe ist. Es ist grandios wie Karita Mattila sich in diese Rolle hineinsteigert, dabei auch höhnisch lachend mit dem Publikum (am Hof und im Saale) paktiert.

Szenenfoto Herodias und Salome nach dem Tanz

Vom ersten Ton an erleben wir im leicht abgedunkelten aber immer klarer werdenden Panoramafenster das Treiben einer Hofgesellschaft, die von Fellinis Satyricon - Verfilmung inspiriert scheint. Samt dauernd zugeführtem und nach sadistischem Gebrauch entsorgtem menschlichen Frischfleisch. Die Leichen (mache von ihnen sogar in Einzelteilen) werden unten im Hof kurzerhand in einem Abgrund geworfen. Diese Szenerie oben im Palast will man sich an der Rampe und in voller Beleuchtung gar nicht so genau vorstellen. Für den Fortgang der Handlung relevant ist der Selbstmord Narraboths und dessen Folgen. Er schießt sich in den Kopf, was Salome nicht einmal zur Kenntnis nimmt, weil sie gerade Jochanaan auf den Pelz rückt. Auch er wird vom Soldaten in den Abgrund geworfen, allerdings mit spürbarer innerer Anteilnahme. Beim auf Narraboth fixierten Pagen hat das alles Folgen. Bei ihm führt es zu einem solchen Hass auf die ganze Bagage, dass er am Ende oben im Palast Amok läuft und auch den König kurz nach dessen Befehl "Man töte dieses Weib!" erschießt.

Szenenfoto

Das Finale: Oben der Hofstaat nach dem Amoklauf des Pagen. Im Käfig entschwebt Salomes Traum

Im zweiten Akt, bei der Königin, geht es dann birkenstammhell und heiter am Wasser zu. Schulterfreie oder Die Opfer-Bilanz dieser Salome ist nicht nur beim Personal um sie herum deutlich höher als sonst. Es betrifft auch sie selbst. Ein Soldat hatte ihr nicht nur den Kopf des Jochanaan überbracht, sondern sie in Verbindung damit auch selbst brutal niedergeschlagen. Mit dem verpacktem Kopf vor sich, das Gesicht am Boden und mit letzter Kraft, schleppt sie sich mühsam nach vorn. Ihren großen Schlussmonolog singt dann die aufrecht stehende Elza van den Heven wie ein Traum ihres kriechenden Doubles. In dieser Utopie küsst sie auch nicht nur den Kopf des Propheten, sondern der steht ihr in seinem Käfig leibhaftig (und körperlich unversehrt) gegenüber und entschwebt mit ihr gemeinsam einer Wirklichkeit, die nichts Lebenswertes mehr bietet. Diese Fluchtutopie, zu der sich Salome im Angesicht des Todes aufschwingt, und die Zustände, denen sie entflohen ist, könnte man für ein subversives szenisches Plädoyer halten, das die mörderische Hemmungslosigkeit ihres Begehrens zumindest etwas relativiert. Andererseits aber relativiert wiederum eine so drastisch und eingängig bebilderte Perversität der Gesellschaft auch Salomes Verantwortung für ihr eigenes Tun. Und dass der Fundamentalist mit seinen Donnerflüchen aus der Grube und die zur blutigen Rache entschlossenen Subalternen, die zur Tat schreiten, Recht behalten sollen, ist ebenso eine ziemlich unbehagliche Perspektive. Wenn es mehr als nur die Lust an der Opulenz gewesen sein sollte, hinterlässt diese Inszenierung mithin eine Reihe von herausfordernden Fragen. Was ja nicht das Schlechteste ist, was man von einer Inszenierung sagen kann.

Simone Young sorgt am Pult des Orchestre de l'Opéra national de Paris für einen raumfüllenden, opulent flirrenden Straussklang, lässt den melodischen Schmelz und die glimmende Leidenschaft aufscheinen, fast durchgängig mit sensiblem Gespür für die Stimmen. Elza van den Heever wurde für ihr Rollendebüt zurecht gefeiert - sie vereint Durchschlagskraft mit dosiert aufscheinender Leidenschaft und kommt ohne jeden Überdruck aus. Iain Paterson wird gelegentlich vom Orchester überdeckt, ist aber ein insgesamt überzeugender Jochanaan. Tansel Akzeybek ist ein Narraboth von lyrischer Zurückhaltung, Katharina Magiera besticht mit tragender Eloquenz als Page. Mit herausragende Rollenporträts glänzen sowohl Karita Mattila als Heriodias als auch John Daszak als Herodes. Auch die übrige Besetzung passt zu den Protagonisten in der ersten Reihe.


FAZIT

Mit dieser Salome hat sich die Pariser Oper auf dem ihr gebührenden Niveau zu Wort gemeldet.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Simone Young

Inszenierung
Lydia Steier

Bühne und Video
Momme Hinrichs

Kostüme
Andy Besuch

Licht
Olaf Freese

Dramaturgie
Maurice Lenhard



Chor und Orchester der
Opéra national de Paris


Solisten

Salomé
Elza van den Heever

Herodes
John Daszak

Herodias
Karita Mattila

Jochanaan
Iain Paterson

Narraboth
Tansel Akzeybek

Page der Herodias
Katharina Magiera

Erster Jude
Matthäus Schmidlechner

Zweiter Jude
Éric Huchet

Dritter Jude
Maciej Kwaśnikowski

Vierter Jude
Mathias Vidal

Fünfter Jude
Sava Vemić

Erster Nazarener
Luke Stoker

Zweiter Nazarener
Yiorgo Ioannou

Erster Soldat
Dominic Barberi

Zweiter Soldat
Bastian Thomas Kohl

Cappadocier
Alejandro Baliñas Vieites

Ein Sklave
Marion Grange



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra national de Paris
(Homepage)



Da capo al Fine

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