Online

Klassik-Rezensionen

Homepage zurück e-mail Impressum



Prinzregententheater, München

im Repertoire des Staatstheaters am Gärtnerplatz


Leonard Bernstein:

Candide

Informationen zur Besetzung entnehmen Sie bitte unserer Rezension der Aufführung in der Kölner Philharmonie


Nur ein paar Gedanken zur Spielplanpolitik...

Schwierige Werke haben einen schweren Stand im Opernalltag. Soll man das riskante Unterfangen wagen? Wird das Stück das Publikum ansprechen? Im Zweifelsfall werden den Intendanten wohl mehr die direkt sichtbaren Effekte (d.h. die möglicherweise nicht besetzten Plätze im Zuschauerraum) interessieren als die eventuell lobenden Meinungsäußerungen der zur Premiere anreisenden Kritiker.

Ein Werk kann "problematisch", "ungeeignet" oder "unaufführbar" sein, weil dessen Musik/Gesang schwer zu auszuführen ist oder weil die Handlung nicht schlüssig mit den Mitteln des Theaters dargestellt werden kann. Beides sind jedoch wesentliche Anforderungen, die jeder durchschnittliche Theaterverantwortliche (neben Kosten- und Personalüberlegungen) an ein zur Aufnahme in den Spielplan in Frage kommendes Stück stellt. Und so kommt es, dass sich einige Werke häufiger auf den Theaterzetteln finden als andere.

Candide, Leonard Bernsteins musikalische Komödie in zwei Akten aus dem Jahr 1956, findet sich leider viel zu selten auf den Spielplänen der Theater, was an dem Makel der sprunghaften, übervollen Handlung liegen kann, die in der Tat wenig für eine sinnvolle szenische Aufführung geeignet ist.

Aber warum soll man überhaupt ein für das Theater wenig geeignetes Stück aufführen? Klarer Fall: wegen der Musik. Und diese ist die starke Seite des Bernsteinschen Musicals ohne Tanz (oder Operette, wenn man will).

Richard Wilbur, der "Librettist" Bernsteins, schrieb "Gesangsnummern" und diese Gesangsnummern sind abgeschlossene musikalische Einheiten, die problemlos separiert werden können. Das komplizierte literarische Gerüst, in das die Gesangsnummern eingepasst sind, folgt Voltaires satirischer Vorlage, bei der "jede Seite in einem anderen Land spielt und jeder Absatz ein neues Abenteuer bringt" (J. Wells). Da kann man leicht die Zusammenhänge aus den Augen verlieren - hier hilft in München eine von Bernstein oder Wilbur nicht vorgesehene, aber überaus hilfreiche, die Handlungsflut unterbrechende und ordnende Hand: Loriot. In der konzertanten Aufführung des Gärtnerplatztheaterensembles ist Loriot der omnipräsente, allwissende Erzähler, der die Handlung humorvoll zusammenfasst, erklärt und kommentiert. Ihm zur Seite stehen in München ein hochkarätiges Sängerensemble, das die englischen Gesangstexte fesselnd vortrug. Besonders gefiel Thomas Holzapfel in der Rolle des Dr. Pangloss/Martin, dessen durch Gesten- und Mimenspiel ergänzte, hochexpressive gesangliche Darbietung eine beeindruckende Intensität besaß - und das wohlgemerkt bei einer konzertanten Aufführung. Auch die Cunegonde Cornelia Götz konnte Glanzpunkte setzen; die von ihr vorzüglich interpretierte (auch hier ist ‚interpretiert' das richtige Wort) Kolloraturarie "Glitter and be gay" hätte ich gern noch einmal da-capo gehört. Donald George gab den die sicher abenteuerlichste Rolle inne habende und doch die romantischsten Noten à la Bernstein singen dürfenden Titelhelden Candide. Er bestach als vieldurchleidender Anti-Held mit Schöngesang. Daneben zeigte Snejinka Avramova als feurige Alte Dame eine mitreißende Darbietung. Alle anderen Sänger mit kleineren Rollen trugen ebenso wie der hervorragend einstudierte und kraftvoll intonierende Chor und das von David Stahl formidabel geleitete Orchester das Ihre zu einem gelungenen Theaterabend bei, an dem man sich fragend nach Hause geht: Das ist doch eigentlich ein Unding, dass sich einige Werke häufiger auf den Theaterzetteln finden als andere...

Von Arthur Micke



impressum zurück e-mail Impressum
©2000 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de