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9.10.2001
Abschlusskonzert des 6.Int. Beethovenfestes 2001
Beethovenhalle Bonn


Ludwig van Beethoven
Konzert für Violine und Orchester op.61

Charles Ives
4. Symphonie

Shunsuke Sato, Violine
Merler Kantorei Meckenheim
Sebastian Knauer, Klavier
Bach Chor Bonn, Einstudierung: Martin Kahle
Philharmonisches Staatsorchester Hamburg
Ltg.: Ingo Metzmacher

Die Gründungsurkunde der amerikanischen Sinfonik als krönender Abschluss des Beethovenfestes

Abschlusskonzert des 6. Internationalen Beethovenfestes 2001

Von Ralf Jochen Ehresmann



Das Philharmonische Staatsorchester Hamburg bereitete dem diesjährigen Beethovenfest einen würdigen Abschluss. Getreu der Konzeption des Festivals, Kompositionen von Ludwig van Beethoven mit Schöpfungen der jüngeren Vergangenheit bzw. Gegenwart zu konfrontieren, wurde dem „Konzert gegen die Violine“ die ebenfalls in D-Dur verklingende Symphonie 4 von Charles Ives beigesellt.
Anstelle einer Ouvertüre gab es Ansprachen von der Bonner Oberbürgermeisterin Bärbel Dieckmann, von Ilse Brusis als Präsidentin der Stiftung Kunst und Kultur des Landes NRW sowie vom Intendanten des Internationalen Beethovenfestes Franz Willnauer.

Beeindruckende Virtuosität, die nicht zulasten der Ausdruckskraft ging, lieferte der 17jährige Shunsuke Sato aus Tokio. Perfekt ausgewogener Tonfall, hervorgezaubert von unverfolgbar dahinflitzenden Fingern, das alles frei von sichtbarer Aufregung oder peinlich künstelndem Gehabe, ein wenig sunny-boy, doch nicht zuunrecht.
Vor allem in den Kadenzen gab er ein beeindruckendes Exempel seiner Virtuosität, wagte dabei auch eigene Wege. Die sprichwörtlichen Schwierigkeiten, die jenes Stück Musik auch manchem Altmeister bereitet, schienen ihm nichts anhaben zu können. Man wagt nicht viel, diesem Jüngling eine große Zukunft zu prophezeien!

Unter Metzmachers Taktstock geriet die Dynamik in wechselvolle Spannung; hier hörte man, was es heißt, wenn ein großes Orchester tutti pp spielt, und wenig später vermittelten satte Streicher-forti einen Eindruck von der ursprünglichen Frechheit der harmonischen Rückungen, grandios beim Übergang vom 2. zum 3. Satz. Dem kam eine selten zu sehende Sitzordnung zupass, welche die Kontrabässe hinter Violine 1 postierte und damit einen breiten Bogen tiefer Streicher konstituierte, saßen doch neben Violine 1 die Celli, gefolgt von den Violen.
Dieser runde Gesamteindruck bestätigte sich auch aus dem Vergleich der Tempi, deren objektive Kürze bei Metzmacher dennoch nie den Eindruck von Hetze vermittelten.

Doch auch Ingo Metzmacher gönnte dem Proszenium mehr Zuwendung als nur die seines Rückens, wenn er zu Beginn der 2.Konzerthälfte einige Erläuterungen zu Charles Ives und seiner Stellung in der Musikszene abgab.
Hierbei gelang es ihm, in der gebotenen Kürze elementare Aspekte des Werkes so prägnant und bündig anzusprechen, dass es dem Publikum sowohl eine kurzweilige Unterhaltung bot, als auch wegweisende Hilfe zum Verständnis dieses unkonventionell-sperrigen Werkes, das eigentlich aus mehreren Stücken besteht, die von Ives später zusammengefügt wurden.

Er sprach von Ives’ frühen musikalischen Erlebnissen, wie sie sich aus der Begegnung mit amerikanischen Kleinkapellen ergaben und deren mehrere er zusammentreffen ließ, dabei jede einzelne ihre eigene Hymne weiterspielend ganz ohne Abstimmung auf Takt, Lautstärke oder Geschwindigkeit der Nachbarkapelle. Dorthin gehört ebenfalls das Experimentieren mit Vierteltönen.
Dies alles und noch viel mehr fand sich wieder in den einzelnen Sätzen, und so gut eingeführt war es nun auch leichter hörend zu erkennen. Immerhin war Ives' Vater "band-leader", so dass eine musikalische Vorprägung durch die Familie zwar gegeben, diese aber doch gänzlich anders geartet war als europäische Traditionen dies nahe legen.
Vor diesem Hintergrund mutet es weniger verwunderlich an, wenn Metzmacher Ives als ersten richtigen amerikanischen Komponisten und seine 4.Symphonie als dessen Opus summum bezeichnete.

Dazu passte freilich auch der immense Aufwand, da das Orchester ergänzt wurde durch Orgel, Chor, Flügel sowie "back stage" und "off stage" Gruppen, letztere von Ives als "distant choir" bezeichnet. Hinter der Bühne postiert waren lediglich einige Schlagwerker, die im 4.Satz ihren eigenen Rhythmus pflegen, unbeeindruckt vom sonstigen Geschehen.
Der distant choir aus 5 Violinen + Harfe tritt auch schon im 1.Satz auf, der in nur 3 Minuten quasi expositionell alles vorführt, was im weiteren Verlauf noch zu hören sein wird.
Dies hat zugleich eine inhaltliche Dimension, da der "watchman-Choral" genau jene Sinnfragen aufwirft, an deren unterschiedlicher Beantwortung sich die Folgesätze abarbeiten.

Der 2.Satz Allegretto greift zur Comedy, es bietet sich genau dies Tohuwabohu aus den bereits zitierten Bläserthemen jener amerikanischen Dorfkapellen, die unvermittelt durcheinander quäken.
Schon hier zeigt sich, dass am Dirigentenpult genau der rechte Mann sich aufgestellt hat, um als „Beherrscher der Geister“ des Chaos zu walten.
Man hört die Nachwirkungen von "Vaters" Versuchen, Gewittergeräusche möglichst originalgetreu am heimischen Flügel zu imitieren, v.a. in den abrupten Ausbrüchen des Blechs, untermauert von wüstem Klaviergehämmer, ist begeistert von der Klangvielfalt der Streicher, z.B. der tiefspielenden 2.Violinen, bevor es subito fine abbricht.
Konkretes musikalisches Material zur motivisch-thematischen Arbeit destilliert sich aus dem Gewusel nur selten heraus und lässt den konservativ orientierten Hörer reichlich ratlos zurück.

Auch die "Fugue" bietet kein eigentliches Thema, wie es die europäische Tradition kennt. Die Choralartigen Einwürfe der Posaunen gemahnen denn auch mehr an die bereits gehörten Dorfcombos als an Bach. Dennoch wandern die Stimmen, und die Streicher entfalten wieder jenen vollen, warmen und bassigen Klang, der uns schon beim Beethovenschen Violinkonzert begeistert hatte.

Das Largo maestoso beendet das gut halbstündige Werk mit unsichtbarem Beginn, da dieser dem backstage-Schlagwerk übertragen ist, dem zunächst die Kontrabässe leise antworten, bis zum vollen Orchester auch distant choir, Orgel und Melismen singend der Chor einfallen.
Zwischen den berückenden Sphärenklängen von der hinteren Empore und der dröhnenden Apotheose des versammelten Blechs ergibt sich eine zaubervolle Wechselspannung, und so geheimnisvoll wie er begann, entschwand der Schall kaum noch vernehmbar in D-dur, jener Grundtonart, mit der das Violinkonzert begonnen hatte.

Dem Bonner Beethovenfest seien auch weitere erfolgreiche Highlights dieser Art gewünscht, wenngleich der Rezensent nicht erkennen kann, welche Vorteile die seit etwa 5-6 Jahren neu gefundene Trägerschaftsform gegenüber der vorherigen, rein öffentlich-rechtlichen gebracht haben soll. Insoweit wäre die Tradition als seit 1845 ungebrochen zu verstehen und die soeben beendete Runde nicht als 3. oder 6. sondern mindestens 50. durchzuzählen!

Zuletzt sei noch darauf verwiesen, dass dieses Konzert im Radio nachgehört werden kann: WDR3 überträgt seine Aufzeichnung am 26.10 um 20.05 Uhr, die Deutsche Welle bringt ihren Mitschnitt am 28.10 gleich 3mal, nämlich 14.35 Uhr, 18.35 Uhr und 22.35 Uhr.




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