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Musiktheater
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Jonny spielt auf

Oper in zwei Akten
Text und Musik von Ernst Krenek


Aufführungsdauer: 2 Stunde 30 Minuten (eine Pause)

Premiere im Operhaus Wuppertal
am 21. April 2002


Homepage

Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Jonny hat in Barmen aufgespielt!

Von Ralf Jochen Ehresmann / Fotos von Michael Hörnschemeyer



Die Wuppertaler Bühnen haben mit der Premiere von Kreneks Skandalstück Jonny spielt auf von 1927 eine mutige Heldentat vollbracht. Auch bei Ernst Krenek (1900-1991) ist den Nazis jenes doppelt schlimme Unheil gelungen, einen von Ihnen gehassten und arg geschmähten Künstler noch weit über 1945 hinaus beschädigt und die breite Erinnerung an ihn weitgehend ausgelöscht zu haben. Die Attacken gegen ihn und speziell dieses Werk setzten schon frühzeitig vor 1933 ein, wovon das Programmheft einige skurrile Beispiele wiedergibt, und gipfelten in jenem Plakat, das eine bewusst affenartig gehaltene Negergestalt beim Saxophonspiel zeigt. Der Werbebanner auf der Fassade des Barmer Opernhauses hat auf der Brust des Bläsers einen weißen Fleck, wo das Original der Düsseldorfer Ausstellung „Entartete Musik“ von 1938 – oh Schlüssigkeit der faschistischen Rassetheorie – einen Judenstern angebracht hatte.

Vergrößerung Kunstwelten vor Gletscherlandschaft: Über dem Gletscher wohnt Komponist Max, hier durch die Balletttruppe unterhalten.

Klangbeispiel Klangbeispiel
(MP3-Datei)


Die Titulierung des Stückes als Jazzoper geht zu weit. Ein Schritt auf dem Weg zum Musical, wie ihn erst 8 Jahre später Gershwin mit Porgy and Bess einschlägt, kann hier schwerlich angesetzt werden, sind die betreffenden Passagen doch eindeutig in der Minderheit und wahrt Krenek ansonsten formell den Rahmen einer Oper, wobei er in damals unerhörter Weise die Gegenwart mit ihren neuartigen oft technischen Geräuschen wie Auto, Telephon oder Dampfeisenbahn oder eben auch Jazz hineinnimmt.

Vergrößerung Da sage einer, Kunst würde nicht beflügeln: Johnny benutzt Yvonne, um Daniellos Geige zu stehlen

Die handelnden Personen haben eigentlich nicht viel gemeinsam. Diva Anita schwankt zwischen ihrer Zugehörigkeit zum Kulturbetrieb und ihrer Liebe zum komponierenden Alpinisten Max, verliebt sich im Tourneehotel aber rasant in den Geiger und Lebemenschen Daniello, auf dessen kostbare und hier übrigens weiße Violine es der Hotelmusiker Jonny abgesehen hat. Vermittels des Stubenmädchens Yvonne, das Anita spontan als Zofe engagiert, gelangt ein Liebespfandring zu Max zurück, der in Erkenntnis der Untreue seiner Anita beschließt, in den Gletscher zu gehen, doch dieser weist ihn singend ab. Um nun doch Anita an ihre neue Stelle in Amerika zu begleiten, muss er zum Bahnhof, gerät durch die ihm untergeschobene Geige in Haft, aus der ihn Jonny befreit, der dadurch das Instrument zurück erlangt, zumal der ursprüngliche Besitzer vor den einfahrenden Zug gefallen ist. Soweit die Handlung.

Vergrößerung Bei Diva Anita laufen die konfusen Handlungsstränge zusammen, und deshalb darf auch Johnny hinter ihr stehen

Klangbeispiel Klangbeispiel
(MP3-Datei)


Viele Szenen werden inszenatorisch aufgewertet durch geniale Einfälle, die auch in ihrer Summe ein stimmiges Ganzes ergaben. So gibt es wundervolle Lichtanimationen zur Fahrt im Polizeiwagen, den Jonny so genial steuert, dass es ihm und Max in ihrer einzigen direkten Begegnung und ohne jede Absprache gelingt, die etwas dümmlichen Ordnungshüter von der Weiterfahrt auszuschließen. Die zahlreichen Zwischenspiele wurden ausgefüllt durch bizarre Balletts von Polizisten, überdrüssigen Skialpinisten oder bananenberockten Nackedeis. Eine Gruppe, deren Aufmachung Assoziationen an die deutsche Jugendbewegung mit ihrem Körperkult hervorrief, endete ihren letzten Tanz passenderweise mit erhobenem rechten Arm.

Vergrößerung Amerika, du hast es besser: Freiheit der Kunst! schein Johnny dem zu neuen (amerikanischen) Ufern aufgebrochenen Komponisten Max (hinten) zuzurufen.

Aber es kann neben allem berechtigten Klamauk auch ans Herz gehen, wenn der Gletscher in Stimme des Frauenchores aus dem Off Max' Selbstmordabsicht wegsingt, ähnlich der Erscheinung der alten Meister in Pfitzners Palestrina. Affirmation pur liefert ausgerechnet Leichtfuß Jonny in seinem Weltchoral, denn mit erhobener Beutegeige „preist [er] Jehova, der die Menschen schwarz erschuf“ und predigt der alten Welt einen ergreifenden Abgesang.

Klangbeispiel Klangbeispiel
(MP3-Datei)


Das Orchester präsentierte sich in Topform, sowohl was das Zusammenspiel angeht wie auch die Abstimmung mit dem Bühnengeschehen. Die Spieler genossen spürbar die längeren gesangsfreien Passagen, in denen Krenek dem Tonfall seiner frühen Sinfonien nahe kommt und allein damit schon die Bezeichnung als Jazzoper ad absurdum führt. Die sängerische Leistung fast aller Mitwirkenden - gerade auch in den Nebenrollen - darf als beachtlich bezeichnet werden, lediglich der Hochgebirgskommunist Max hatte mehrfach spürbar mit der Kraft und der Höhe zu kämpfen; wenn er durchkam, war's sehr schön. Gleichzeitig hatte seine Partie, v.a. zu Beginn des 2.Teiles, erhebliche Längen, die nicht überspielt werden konnten; hier wäre vielleicht sogar eine verlustfreie Kürzung denkens- und dankenswert.

Der von Gabriele Pott einstudierte Chor der Wuppertaler Bühnen sorgte durch vokale Präsenz und beachtliche Stimmsicherheit in seinen leider nur wenigen Passagen für packende Beiträge.


FAZIT

Unbedingt sehenswert, sozusagen strong buy, wobei man sich beeilen muss, denn schon in 6 Wochen ist Derniere!


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Stefan Klieme

Inszenierung
Susanne Boetius
Jürgen Tamchina

Choreographie
Susanne Boetius

Bühne
Hans Dieter Schal

Kostüme
Erika Landertinger

Dramaturgie
Christian Baier

Licht
Fredy Deisenroth

Chor
Gabriele Pott



Chor und Statisterie der
Wuppertaler Bühnen

Sinfonieorchester Wuppertal


Solisten

Max
Gerhard Le Roux

Anita
Annalisa Winberg

Daniello
Olaf Haye

Jonny
Kay Stiefermann Yvonne
Frederike Meinel

Manager
Hartmut Bauer

Hoteldirektor
Arthur Friesen

3 Polizisten
Arthur Friesen
Javier Zapata Vera
Jochen Bauer

Ein Bahnangestellter
Osvaldo del Rio



Weitere Informationen
erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



Da capo al Fine

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