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Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Jonny hat in Barmen aufgespielt!
Von Ralf Jochen Ehresmann
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Fotos von Michael Hörnschemeyer
Die Wuppertaler Bühnen haben mit der Premiere von Kreneks Skandalstück Jonny spielt auf von 1927 eine mutige Heldentat vollbracht. Auch bei Ernst Krenek (1900-1991) ist den Nazis jenes doppelt schlimme Unheil gelungen, einen von Ihnen gehassten und arg geschmähten Künstler noch weit über 1945 hinaus beschädigt und die breite Erinnerung an ihn weitgehend ausgelöscht zu haben. Die Attacken gegen ihn und speziell dieses Werk setzten schon frühzeitig vor 1933 ein, wovon das Programmheft einige skurrile Beispiele wiedergibt, und gipfelten in jenem Plakat, das eine bewusst affenartig gehaltene Negergestalt beim Saxophonspiel zeigt. Der Werbebanner auf der Fassade des Barmer Opernhauses hat auf der Brust des Bläsers einen weißen Fleck, wo das Original der Düsseldorfer Ausstellung „Entartete Musik“ von 1938 – oh Schlüssigkeit der faschistischen Rassetheorie – einen Judenstern angebracht hatte. ![]()
Die Titulierung des Stückes als Jazzoper geht zu weit. Ein Schritt auf dem Weg zum Musical, wie ihn erst 8 Jahre später Gershwin mit Porgy and Bess einschlägt, kann hier schwerlich angesetzt werden, sind die betreffenden Passagen doch eindeutig in der Minderheit und wahrt Krenek ansonsten formell den Rahmen einer Oper, wobei er in damals unerhörter Weise die Gegenwart mit ihren neuartigen oft technischen Geräuschen wie Auto, Telephon oder Dampfeisenbahn oder eben auch Jazz hineinnimmt. ![]()
Die handelnden Personen haben eigentlich nicht viel gemeinsam. Diva Anita schwankt zwischen ihrer Zugehörigkeit zum Kulturbetrieb und ihrer Liebe zum komponierenden Alpinisten Max, verliebt sich im Tourneehotel aber rasant in den Geiger und Lebemenschen Daniello, auf dessen kostbare und hier übrigens weiße Violine es der Hotelmusiker Jonny abgesehen hat. Vermittels des Stubenmädchens Yvonne, das Anita spontan als Zofe engagiert, gelangt ein Liebespfandring zu Max zurück, der in Erkenntnis der Untreue seiner Anita beschließt, in den Gletscher zu gehen, doch dieser weist ihn singend ab. Um nun doch Anita an ihre neue Stelle in Amerika zu begleiten, muss er zum Bahnhof, gerät durch die ihm untergeschobene Geige in Haft, aus der ihn Jonny befreit, der dadurch das Instrument zurück erlangt, zumal der ursprüngliche Besitzer vor den einfahrenden Zug gefallen ist. Soweit die Handlung. ![]()
Viele Szenen werden inszenatorisch aufgewertet durch geniale Einfälle, die auch in ihrer Summe ein stimmiges Ganzes ergaben. So gibt es wundervolle Lichtanimationen zur Fahrt im Polizeiwagen, den Jonny so genial steuert, dass es ihm und Max in ihrer einzigen direkten Begegnung und ohne jede Absprache gelingt, die etwas dümmlichen Ordnungshüter von der Weiterfahrt auszuschließen. Die zahlreichen Zwischenspiele wurden ausgefüllt durch bizarre Balletts von Polizisten, überdrüssigen Skialpinisten oder bananenberockten Nackedeis. Eine Gruppe, deren Aufmachung Assoziationen an die deutsche Jugendbewegung mit ihrem Körperkult hervorrief, endete ihren letzten Tanz passenderweise mit erhobenem rechten Arm. ![]()
Aber es kann neben allem berechtigten Klamauk auch ans Herz gehen, wenn der Gletscher in Stimme des Frauenchores aus dem Off Max' Selbstmordabsicht wegsingt, ähnlich der Erscheinung der alten Meister in Pfitzners Palestrina. Affirmation pur liefert ausgerechnet Leichtfuß Jonny in seinem Weltchoral, denn mit erhobener Beutegeige „preist [er] Jehova, der die Menschen schwarz erschuf“ und predigt der alten Welt einen ergreifenden Abgesang. ![]() (MP3-Datei)
Das Orchester präsentierte sich in Topform, sowohl was das Zusammenspiel angeht wie auch die Abstimmung mit dem Bühnengeschehen. Die Spieler genossen spürbar die längeren gesangsfreien Passagen, in denen Krenek dem Tonfall seiner frühen Sinfonien nahe kommt und allein damit schon die Bezeichnung als Jazzoper ad absurdum führt. Die sängerische Leistung fast aller Mitwirkenden - gerade auch in den Nebenrollen - darf als beachtlich bezeichnet werden, lediglich der Hochgebirgskommunist Max hatte mehrfach spürbar mit der Kraft und der Höhe zu kämpfen; wenn er durchkam, war's sehr schön. Gleichzeitig hatte seine Partie, v.a. zu Beginn des 2.Teiles, erhebliche Längen, die nicht überspielt werden konnten; hier wäre vielleicht sogar eine verlustfreie Kürzung denkens- und dankenswert. Der von Gabriele Pott einstudierte Chor der Wuppertaler Bühnen sorgte durch vokale Präsenz und beachtliche Stimmsicherheit in seinen leider nur wenigen Passagen für packende Beiträge.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Choreographie
Bühne
Kostüme
Dramaturgie
Licht
Chor
SolistenMaxGerhard Le Roux
Anita
Daniello
Jonny
Manager
Hoteldirektor
3 Polizisten
Ein Bahnangestellter
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E-Mail: oper@omm.de
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