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Ein flotter Spaß
Von Thomas Tillmann / Fotos von Eduard Straub Was für ein Geniestreich, Jacques Offenbachs La belle Hélène im Bühnenbild der beiden ersten Akte von Les Troyens aufzuführen, die bekanntlich in Troja spielen, während die Opéra comique Sparta als Handlungsort hat! Was für ein Abenteuer für die aufgeregten Zuschauer, auf die Bühne geführt zu werden! Was für eine ökonomische Weitsicht, die Stühle aus der Repräsentationshalle ein weiteres Mal zu verwenden (der Hausherr selber reichte kleine Kissen fürs komfortablere Sitzen)! Was für ein Entgegenkommen dem durch die doppelten Preise für die Berlioz-Oper und das teure Programmheft gebeutelte Publikum gegenüber, hier nur einen Einheitspreisheit von 8,70 Euro zu verlangen! Und welcher dispositionelle Weitblick, ein Werk, das gemeinhin eben doch als Operette betrachtet wird und auf besonderes Interesse der Zuschauer trifft, für 150 Zuschauer pro Vorstellung anzubieten, zumal mehrfach erst um 21.30 Uhr mitten in der Woche, wenn es den rührigen Duisburger ohnehin um die Häuser zieht. Diejenigen, die Tobias Richters und Christof Loys Visionen verstanden haben und nicht so engstirnig wie der Berichterstatter sind, finden sich natürlich vorher im Theater ein, um die ersten beiden Akte der grand opéra zu sehen und dann Offenbach zu goutieren. "Nach der Tragödie folgt das Satyrspiel - so war es bei den alten Griechen und so ist es auch noch heute, bei uns an der Rheinoper! Wenn Sie noch die Klänge von Hector Berlioz Großer Oper Die Trojaner in den Ohren haben, dann lassen Sie sich mit Jacques Offenbachs Operette Die schöne Helena ein Lächeln aufs Gesicht zaubern.", heißt das in den unschlagbaren Texten der Werbeabteilung des Hauses. ![]() Et voilà, Hélène la blonde, die schönste Frau der Welt (Marta Marquez)
Tatsächlich sprang für die Mehrheit der Zuschauer bei der Premiere mehr heraus als ein Lächeln und der Funke schnell über: Manch eine(r) haute sich vor Lachen auf die Schenkel, und auch weniger temperamentvolle Menschen hatten durchaus ihren Spaß an dieser mit zwei Stunden Spielzeit allerdings etwas zu langen Produktion, für die Christof Loy und Peter Heilker eine flotte, meistens lustige, polyglotte Dialogfassung erstellt hatten, während die musikalischen Nummern weitgehend im originalen Französisch erklangen. ![]()
Wir treffen Helena in ihrem schmuddeligen, eben ziemlich "spartanisch" eingerichteten Wohnzimmer mit einem Billig-Orientteppich, an dem man nicht riechen möchte, die auf den ersten Blick wohl doch nicht schönste Frau der Welt hat die Schlafmaske hochgeklappt und feilt die Nägel, als sie in den Ritzen der Schlafcouch eine von Menelaos' Schmuddelcassetten findet, die einzulegen sie sich nicht verkneifen kann. Zu den Klängen des unvermeidlichen "Je t'aime" gewahrt sie für den Zuschauer unsichtbar Abscheuliches, aber offenbar auch Inspirierendes (Neffe Orest weiß: "Die ist doch selber eine Schlampe!"). Dass sie auf den wenig appetitlichen, vom Bürojob abgeschlafften und gähnend den Schlafanzug überstreifenden Menelaos keine rechte Lust mehr hat, kann man leicht nachvollziehen (dass der Liebestraum mit Paris, der sich später auch nur auszieht, um ins gleiche Nachtgewand zu springen, die Kontaktlinsen gegen eine wenig glamouröse Brille einzutauschen und abgeschlafft zu zappen, auch nicht die Erfüllung sein würde, ahnt man). Ein Diener platziert Absperrungen um dieses Bild des Grauens, das bei Madame Tussaud stehen könnte, bevor das elfköpfige Orchester einsetzt und das übrige Personal in das Standbild eindringt. Ganz klar wird nicht, warum sich im Folgenden nun die bekannte Handlung entwickelt, aber irgendwann gibt man es auf, das pralle Bühnengeschehen pingelig mit logischen Fragen zu sezieren, sondern lässt sich ein auf die amüsante Klamotte, die Christof Loy mit ungeahnt leichter Hand, überzeugend augenzwinkernden Brechungen (das berühmte "Familienbild" mit Leda und dem Schwan etwa fungiert als Trennwand bei Helenas Beichte Calchas gegenüber), angenehmer Distanz zur Vorlage und ohne unnötiges Problematisieren oder krampfhafter Suche nach Tiefe entwickelt. Nicht zuletzt gelingt es ihm, das Ensemble zu gelöstem Spiel und sogar zu witzigen Tanzschritten zu bewegen (ein Extralacher war die an Sicherheitshinweise im Flieger gemahnende Choreografie im ersten Finale). ![]() ... der schon bald tatsächlich Einzug in Helenas Gemächern hält (Fabrice Farina und Marta Marquez).
Peter Nikolaus Kante muss als Calchas im Karl-Lagerfeld-Outfit auftreten und wie Marcel Reich-Ranicki sprechen (eine platte, mir nicht einleuchtende Idee, die viele lustig fanden), Ludwig Grabmeier ist ein körperlich präsenter, viriler Agamemnon, Bruce Rankins Auftritt als Achill hat mehr als Ähnlichkeit mit solchen des großen Dean Martin, Alexandru Ionitza ist ein herrlich blöder Menelaos (mit jetzt wirklich reduzierten Mitteln und seine Partie eher sprechend als singend), Gwendolyn Killebrew eine sehr präsente Bacchis im Outfit der späten Joséphine Baker (bei ihrer sehr individuellen Version des unvergessenen "J'ai deux amours" begleitete sie sich selbst am Piano und landete einen Showstopper). Und natürlich Marta Marquez, die vielleicht nicht jeder in der Titelpartie besetzt hätte (und schon gar nicht als Didon in der Berlioz-Oper, für die sie wirklich zu wenig Stimme hat), die aber Dialog zu sprechen weiß, umwerfendes komisches Talent hat, die schicken, witzigen Kostüme wie den Traum aus Tüll und Federn von Birgit Wentsch zu tragen versteht und auch gesanglich mit vibrierendem, mitunter auch rauchigem, stets schlanken Mezzo ihre Momente hat. Man versteht auch ihre Schwäche für den wirklich attraktiven, jungenhaft charmanten, agilen Paris von Fabrice Farina vom Jungen Ensemble Rheinoper, dessen kleiner, metallischer Tenor an sich auch richtig ist, auch wenn um manchen hohen Ton zittern musste (eine Anfängerpartie ist das ja auch eigentlich nicht). Anke Krabbe scheint im Moment auf Hosenrollen abonniert zu sein - sie gibt den pubertären Orest - und hinterlässt vokal im intimeren Rahmen einen besseren Eindruck als auf der großen Bühne, auf der sie als Ascagne ein wenig blaß blieb. Iwona Lesniowska und Véronique Parize waren ausgelassene Hürchen und steuerten manch attraktiven Ton in den Ensembles bei, Norbert Ernst und Julian Kumpusch komplettierten die Besetzung, der die Abordnung der Duisburger Philharmoniker unter Christian Riegers aufmerksamer Leitung einen spritzigen, wenn auch mitunter etwas dünnen und klavierlastigen Sound unterlegte. ![]()
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Dramaturgie
Licht
Regiemitarbeit
Choreografische Mitarbeit
SolistenParis,Sohn des Priamus von Troja Fabrice Farina
Menelaos,
Agamemnon,
Orest,
Kalchas,
Achill,
Ajax I,
Ajax II,
Helena,
Bacchis,
Leoena,
Parthoenis,
Philocome
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E-Mail: oper@omm.de
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