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Veranstaltungen & Kritiken Musiktheater |
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Ein ungewöhnlicher Blick auf die Anfänge der
Oper
Von
Ursula
Decker-Bönniger /
Fotos von Michael Hörnschemeyer Die Originalpartitur existiert nicht mehr. Die Quellenlage zur historischen Aufführungspraxis ist nicht eindeutig. Jeder Versuch einer historisch getreuen Aufführung der 1641 in Venedig uraufgeführten Monteverdi-Oper Il ritorno d'Ulisse in patria wird daher eine mehr oder weniger gelungene Annäherung bleiben. ![]() Ulrich Cordes, Plamen Hidjov und Tadahiro Masujima (Phäaken), vorne: Andreas Karasiak (Ulisse) Andreas Baesler und Christoph Spering haben diesen Umstand in Münsters erster Opernpremiere der Spielzeit 2011/2012 als Chance genutzt, die Heimkehr des Odysseus in historischem Klanggewand darzubieten, zugleich umzugestalten, zu aktualisieren und auf gut 2 1/2 Stunden zu kürzen. Insbesondere der erste Teil der an der Homersage ausgerichteten Bühnenhandlung wird einfallsreich und lebendig - von vielen überraschenden Wechseln von Tragik und Komik getragen - erzählt. Christoph
Spering,
der für die musikalische Einrichtung verantwortlich
zeichnet, beschränkt die Instrumentalbegleitung auf zwei Theorben
und eine Barockgitarre als Fundamentinstrumente nebst paarig besetzten
Ornamentinstrumenten wie Streichern (mit historischen Bögen
gespielt) und Cembalo. Weitere Überraschungen - Amor singt im
Prolog in deutscher Sprache - , klangfarbliche Effekte wie das
Blöken von Schafen und das Akkordeon beim Auftritt der
Phäaken, eingespielter Chorgesang aus dem Hintergrund beleben
unterhaltsam das
Bühnengeschehen.
![]() Iro reizt Eumete. Thomas Stückemann (Iro), Fritz Steinbacher (Eumete) Einen großen historischen Bogen spannen auch Kostüme und
Bühnenbild: Links sieht man das Ende eines riesigen Abflussrohres,
aus dem sich im Prolog ein erschöpfter Odysseus auf die Bühne
quälen wird. Meer bzw. Himmel im Prospekt weiten den Blick,
während die rechte Bühnenhälfte mit
großzügigen Treppenanlagen, antikem Säulengang und
Odysseus-Memento der griechisch-römischen Götter- und
Sagenwelt bzw. dem Zelt des Hirten vorbehalten ist. Die Mitte
füllt ein gebrauchtes, auf drei unterschiedlich hohen Beinen
stehendes, wie eine schiefe Ebene ausgerichtetes Bett sowie der
erhöhte, auf die Größe eines Kammerensembles
verkleinerte Orchestergraben, der hin und wieder ins Spiel
miteinbezogen wird. ![]() Ulrich Cordes (Anfinomo), Plamen Hidjov (Antinoo), Maria Rebekka Stöhr (Penelope), Tadahiro Masujima (Pisandro), Suzanne McLeod (Ericlea) Baesler reduziert alle Bühnengestalten auf einen Kern, der uns weniger die symbolträchtige, komplexe, tragik-komische Opernweltsicht der italienischen Renaissance näher bringen will, sondern den Blick auf die unterhaltsamen, komischen Momente lenkt. Da gleitet ein kleines, gefaltetes orangefarbenes Segelschiffchen an der Schnittstelle von Horizont und Meer, um die Ankunft der trunkenen, sich selbst mit dem Akkordeon begleitenden Phäaken einzuleiten. Da quetscht sich der stattliche, eine Schaffellweste tragende Eumete, die Beschaulichkeit seines Hirtenlebens besingend mit blökenden, lebensgroßen Kuscheltieren in sein Minizelt. Da schießt Amor mit einer Schreckschusspistole auf Odysseus, während die von der griechisch-römischen Götterwelt ebenso übriggebliebene Minerva die Todespfeile des Odysseus lenkt, Telemaco auf einem Wölkchen einfliegen, die drei Freier von homoerotischen Sexspielen träumen lässt. Die trauende Penelope wird einsam strickend auf dem Bett präsentiert. Die ihr im Libretto an die Seite gestellten, das tragische Warten kontrastierenden Diener Melanto und Eurimaco fehlen. Den trotz des Happy Ends eher tragischen Gestalten Odysseus und Penelope werden neben ihrer Amme vor allem komische Figuren gegenübergestellt: der unablässig Essen und Bier in sich hinein stopfende, in Ballonseide gewandelte Iro sowie die aufgehübschten, Hüften wiegenden, schmalzlockigen drei Freier. Gesangs-
und Instrumentalsolisten, sowie die Musiker des Sinfonieorchester
Münster spielen und singen unter der Leitung Christoph Sperings
engagiert. Tempo- und klangfarbliche Instrumentalgestaltung
unterstreichen die musikalische Affektdifferenzierung. Was der
gesanglichen Darbietung an historischer Interpretationskunst fehlt -
besonders auffällig die Lamento-Karikatur des Iro - wird durch
schauspielerisches Bemühen und komische Effekte wettgemacht.
Musikalisch überzeugen vor allem die Terzette und Duette der
Oper. Ulisse wird als Einziger
seinen Bogen aufziehen und spannen. Fritz Steinbacher (Eumete), Andreas
Karasiak (Ulisse) Fritz
Steinbacher stellt mit seinem hell timbrierten, klaren,
jugendlichen Tenor die muntere Karikatur des Hirten Eumete dar. Henrike
Jakob ist eine mit dem Schicksal spielende, mit schillernden
Koloraturen ausgestattete Minerva, bzw. Amor. Von den drei Freiern
überzeugt vor allem Plamen Hidjovs in klangvolle Tiefen
hinabsteigender Bariton, mit dem er einen vor Autorität und
Selbstbewusstsein strotzenden Antinoo verkörpert. Maria
Rebekka Stöhrs warm klingender, leicht vibrierender Mezzosopran
stellt auch bei langsamen Tempi eine in gebundenem Lamentogesang
verharrende Penelope dar. Andreas Karasiak lotet zwischen verhaltener
Klage und dramatischen Zornesausbruch die unterschiedlichen
Gefühle des Odysseus stimmlich aus.
FAZIT Trotz
musikalischer Einschränkungen ist es ein unterhaltsamer Abend. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung Inszenierung Bühne Kostüme Dramaturgie
Solisten* Besetzung der Premiere
L'Humana fragilità/ Ulisse
Penelope
Fortuna/ Telemaco
Ericlea
Amore/ Minerva
Eumete
Pisandro/ Phäake
Anfinomo/ Phäake
Antinoo/ Phäake
Iro
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- Fine -