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Oper gefährdet Ihre Gesundheit!

Ein Kommentar zur Absetzung der Tannhäuser-Inszenierung an der Rheinoper

Von Stefan Schmöe


Nein, mir hat die Neuinszenierung des Tannhäuser überhaupt nicht gefallen. Es hätte aus meiner Sicht für Rheinoper-Intendanten Christoph Meyer gute künstlerische und ethische Gründe gegeben, im Vorfeld einzugreifen und die Inszenierung von Burkhard C. Kosminkski nicht oder nicht in dieser Form zu spielen. Das hat Meyer nicht getan.

Und jetzt doch: Die Inszenierung wird abgesetzt, alle weiteren Aufführungen nur noch konzertant dargeboten.

Mit allergrößter Betroffenheit reagieren wir jedoch darauf, dass einige Szenen, insbesondere die sehr realistisch dargestellte Erschießungsszene, für zahlreiche Besucher sowohl psychisch als auch physisch zu einer offenbar so starken Belastung geführt haben, dass diese Besucher sich im Anschluss in ärztliche Behandlung begeben mussten.“ So heißt es in der (nicht unterschriebenen) Pressemitteilung der Rheinoper, die jede Verantwortung elegant hinter einem pauschalen „wir“ versteckt.

Nun ist ja kein Mensch gezwungen, sich diese Produktion anzusehen – genauso wie niemand ins Kino gehen muss, wo Gewaltszenen dieser Art nicht nur längst zum Standard gehören, sondern noch um einiges überboten werden. Niemand muss sich zur besten Sendezeit im Fernsehen Schindlers Liste anschauen. Aber jeder sollte die Freiheit haben, dies zu tun, und sich selbst ein Urteil bilden können.

Jetzt wird die Inszenierung abgesetzt, weil ein paar Besucher die drastischen Bilder – die doch nur einen Bruchteil des realen Schreckens widerspiegeln können - nicht aushalten? Das erscheint wie eine unfreiwillige Parallele zur Inszenierung, wo es im Sängerkrieg zum Eklat kommt, weil Tannhäuser in einer Atmosphäre des Verdrängens die Greuel des Holocaust in Erinnerung ruft.

Sollen die Theater demnächst besser vorab ärztliche Gutachten einholen, ob ihre Inszenierungen gesundheitlich unbedenklich sind? Bekommt man gegen Krankenschein sein Geld zurück? Ich kenne Opernliebhaber, denen herzzerreißend traurige Stücke wie La Boheme oder Otello sehr zu Herzen gehen. Sollten solche Werke nicht besser aus dem Repertoire verbannt werden?

Nur mittelmässige Aufführungen können mich retten! Vollständig gute müssen die Leute verrückt machen“, schrieb Richard Wagner, viel zitiert, über Tristan und Isolde. Mehr Mut zum Mittelmaß, liebe Rheinoper! möchte man verzweifelt ausrufen. Die Realität ist freilich wenig komisch. Erst auf einen vorhersehbaren Skandal hinarbeiten und dann rückgratlos einknicken, das scheint mir doch das Schlechteste, was einem Theater passieren kann.




(Mai 2013)

Tannhäuser in der Regie von Burkhard C. Kosminski kam am 4. Mai 2013 im Opernhaus Düsseldorf zur Premiere (unsere Rezension). Der Regisseur inszeniert hier zwar zum ersten Mal eine Oper, ist aber der Theaterleitung kein Unbekannter: Kosminski war von 2001 bis 2006 Regisseur undf Mitglied der Theaterleitung am Düsseldorfer Schauspielhaus und ist seit 2006 Schauspieldirektor am Nationaltheater Mannheim - wo der Düsseldorfer GMD Axel Kober seinerzeit ebenfalls tätig war.

Am 8. Mai teilt die Rheinoper die Absetzung der Inszenierung mit: "Nach Abwägen aller Argumente sind wir zu dem Schluss gekommen, dass wir eine solch extreme Wirkung unserer künstlerischen Arbeit nicht verantworten können. Ein völlig unverändertes Weiterspielen dieser Produktion ist uns vor diesem Hintergrund nicht möglich." Die weiteren Aufführungen sollen konzertant stattfinden.





Da capo al Fine

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