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O-Ton Pina Bausch
Interviews und Reden Reden, worüber sich nicht reden lässtVon Stefan SchmöePina Bausch galt als "medienscheu". Zu Recht? Im Vorwort des vorliegenden Bandes betont die Kulturjournalistin Anne Linsel, eine langjährige Wegbegleiterin der Choreographin, dass diese sich keineswegs Gesprächen mit den Medien verweigert habe, sich eben nur nicht zu den Mikrophonen gedrängt habe. Die unter dem Titel O-Ton Pina Bausch - Interviews und Reden gebündelten Dokumente sind zahlenmäßig freilich sehr überschaubar, und leicht gemacht hat es Pina Bausch ihren Gesprächspartners wohl auch nicht. Immer wieder wird in den editorischen Notizen ihr bedächtiger, von Pausen unterbrochener Redestil angesprochen, in den Transkriptionen von Gesprächen, die nicht vor der Veröffentlichung redigiert wurden, ahnt man das. Schnell hingeworfene, druckreife Sätze für den routinierten Medienbetrieb waren ihre Sache ganz sicher nicht. Es liegt aber auch in der Natur ihrer ganz spezifischen Kunst, dass das Reden darüber schwer fällt. "Ich bin Choreographin, und wenn ich das, was ich mit tänzerischen Mitteln auf der Bühne auszudrücken versuche, in Worte fassen könnte, dann würde ich einen Aufsatz über Orpheus und Eurydike schreiben und kein Ballett machen"", lässt sie sich im Programmheft zu eben dieser Oper 1975 zitieren. Erläuterungen zu ihren Arbeiten, gar Interpretationsansätze, hat sie konsequent verweigert: Was auf der Bühne geschieht, soll jeder subjektiv für sich selbst wahrnehmen. Trotzdem geben die Interviews Einblicke in die Arbeits- und Denkweise, noch mehr in das Selbstverständnis der Choreographin, auch wenn (oder gerade weil) sich bestimmte Aussagen in den Gesprächen fast wortwörtlich wiederholen. Gerade solche Konstanten, die beim Lesen der chronologisch geordneten Texte besonders auffallen, sind aufschlussreich. Bausch-Liebhaber werden die besten dieser Texte kennen: Gespräche mit Jochen Schmidt oder Norbert Servos, die in (und für) Buchveröffentlichungen erschienen und entsprechend umfangreich angelegt sind. Weitgehend unbekannt und sehr interessant ist die Transkription eines Werkstattgesprächs in der Ost-Berliner Akademie der Künste vom 29.5.1987 (eine redigierte Fassung erschien in einer Fachzeitschrift in der DDR, für diesen Band wurde der originale Tonbandmitschnitt ausgewertet). Geleitet wurde das Gespräch von niemand geringerem als der Theaterregisseurin Ruth Berghaus, und insbesondere die Fragen und Reaktionen von Personen aus dem Publikum, die eben nicht dem routinierten Frage-Antwort-Mechanismus von Journalisten entsprechen, machen aus der Gesprächsrunde ein Zeitdokument. Transkribiert wurde auch ein Auftritt Pina Bauschs in der Fernseh-Talkshow Willemsens Woche im April 1998 sowie ein Gespräch mit Filmemacherin Annette von Wangenheim zu deren Fernsehfilm über Kurt Jooss, den legendären Choreographen und Lehrer Pina Bauschs an der Essener Folkwang-Schule - im Film wurde nur ein kleiner Teil verwendet, hier ist das gesamte Gespräch wiedergegeben. Der Band beschränkt sich auf Veröffentlichungen in deutschsprachigen Raum und wird abgerundet durch die beiden Reden Pina Bauschs anlässlich der Verleihung des Kyoto-Preises. Bei der richtet sich Bei allem Bemühen um wissenschaftliche Genauigkeit wendet sich die von Stefan Koldehoff betreute Edition an ein breites Publikum (eine Hardcover-Version ersetzt den Katalog zur fulminanten Pina-Bausch-Ausstellung in der Bundeskunsthalle Bonn). Der schweizer Nimbus-Verlag hat als besonderen Clou diesen ersten Band einer Pina-Bausch-Edition in Tanzboden eingebunden - und dieses Buch in den Händen zu halten, das ist dadurch ein ganz eigenes Gefühl, wie es ein e-Book nicht leisten kann. Nicht nur deshalb: Ein sehr lesenswerter Band. (Mai 2016)
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