Dichter am Äther
Schriftsteller über das Radio
Faszinosum Radio
Von Frank Becker
Über Eckhard
Henscheids Texte
zur Musik haben wir ihnen hier
schon berichtet. Daß sich der literarische Tausendsassa auch über das
gerade jetzt aktuelle Thema "Fußballübertragung" ausgelassen hat,
belegt der Rundfunkjournalist Michael Kothes in seinem jüngsten Buch "Dichter am Äther".
Im Rahmen des Kulturmagazins "Mosaik", einer Sendereihe des WDR 3 waren
von 2001-2004 namhafte Schriftsteller gebeten worden, ihr Erleben des
Radios in literarischen Texten zu manifestieren. Kothes hat als
Moderator dieser allmorgendlichen Kultursendung nun mit einer Auswahl
der gelieferten Texte der Rezeption des Mediums Rundfunk in der
zeitgenössischen Literatur nachgelauscht.
Der gediegene Düsseldorfer Grupello Verlag hat das schmale,
nichtsdestoweniger sachlich
aufschlußreiche und literarisch äußerst unterhaltsame Bändchen
aufgelegt, für das Michael Kothes 21 dieser Texte ausgewählt und
zu dem er selbst einen kurzweiligen einleitenden Beitrag zur
Rundfunkgeschichte verfasst hat. Meist sehr persönlich befassen sich die Erzählenden
mit ihrer Erinnerung an das Radio als Ding und Medium und mit seiner
oft nicht unbedeutenden Rolle in ihrem Leben. So erinnert sich
Peter Härtling daran, daß es eine Zeit gab "Als das Radiohören noch
gefährlich war" - wenn man nämlich heimlich den verbotenen Sender
"Bibisi" hörte. Das war die Zeit der "Sondermeldungen des OKW", der
Führerreden, die Familien spalteten und trauriger Lieder "eines Herrn
Strienz". Der Zauber des Radios blieb Härtling, der sagt, daß ihm das
Fensehen das "nicht ausgetrieben" habe. So geht es wohl vielen.
John von Drüffel schätzt das "schwarze Theater des Hörspiels" mit
seinen charaktervollen Stimmen, Katja Lange-Müller hat in jedem Zimmer
ein Radio, das den ganzen Tag spielt (das im Schlafzimmer sogar
nachts), Franzobel reflektiert über Eiche oder Mahagoni für das Gehäuse
und Gerhard Köpf über Nußbaum, Bakelit und Pseudo- Elfenbein,
über das Magische Auge und die Skala mit Namen wie Hilversum, Sofia,
Monte Ceneri und Beomünster. Wunderbare Erinnerungen Radio Norddeich,
Glocken aus aller Welt und die Poesie des Pausenzeichens. Uwe Kolbe
hörte in Ostberlin RIAS, Europawelle Saar, doch am liebsten den AFN mit
Wolfman Jack, Richard Wagner und Felicitas Hoppe erzählen wie er und
viele andere vom ersten eigenen Radio, einem einschneidenden Moment im
Leben.
Wilhelm Genazino, Eva Demski, Friederike Mayröcker... die Liste ist
lang und erlesen. Wolf Wondraschek sei das Schlußwort zugebilligt: "Ich
rede von der Nacht, wenn ich vom Radio rede, und von der Einsamkeit.
Ich rede von einem Mann, einem Tagelöhner, angezogen auf einem Bett
liegend, der raucht und zur Decke schaut, wo es nichts zu sehen gibt,
und es ist Nacht. Aus einem Radio kommt Musik, und hin und wieder,
genauso leise, eine Stimme. (...) Das Radio, wenn es sonst nichts
könnte, hat Mitleid mit den Schlaflosen."
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Dichter am Äther
Schriftsteller über das Radio
Hrsg. von Michael Kothes
Grupello Verlag, 2006 80 Seiten mit Autoren-Biographien
Klappenbroschur
12,90 Euro
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Informationen unter:
www.grupello.de
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