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Peter Konwitschny:
"Mensch, Mensch, Mensch!" Oper als Zentrum der Gegenwart Ein sehr lebendiges GeburtstagskindVon Joachim LangePeter Kontwitschny ist einer der prägenden deutschen Regisseure der letzten Jahrzehnte. Im Januar 2015 beging er seinen 70. Geburtstag. Seine Produktivität ist ungebrochener denn je. Nachdem er für seine letzten Regiearbeiten in Leipzig, wo er ein paar Jahre als Chefregisseur engagiert war, auch deutliche Kritik einstecken musste, erinnern die Reaktionen auf seine jüngsten Arbeiten wieder an die Zeit, als er die Oper in Graz (unter dem Intendanten Gerhard Brunner) oder die Staatsoper Hamburg (gemeinsam mit dem Dirigenten Ingo Metzmacher) allein mit seinen Inszenierungen in das Zentrum der Aufmerksamkeit rückte. Ob mit einer eigentlich für Leipzig geplanten, dann aber in Heidelberg realisierten Uraufführung von Harneits Abends am Fluss, ob mit einer hochpolitischen (aber keineswegs platten) Inszenierung von Halevys La Juive an der Flämischen Oper Gent (die vom koproduzierenden Nationaltheater Mannheim übernommen wird) oder gerade mit seinem späten aber fulminanten Debüt bei den Salzburger Festspielen mit Wolfgang Rihms Die Eroberung von Mexiko, die er zusammen mit Ingo Metzmacher und anderen über viele Jahre vertrauten Partnern zu einem Erfolg für den Komponisten und sich selbst machte - Peter Konwitschny ist wieder da. Für den österreichischen Verlag der Provinz war der runde Geburtstag des in Frankfurt geborenen Dirigentensohns eine willkommene Vorlage für den im wahrsten Sinne gewichtigen Band, der jetzt im unter dem Titel Mensch, Mensch, Mensch! erschienen ist. Andrea Welker hat den mit vielen, auch privaten Bildern versehenen Band mit Kenntnis und Sympathie zusammengestellt. Mit einer illustren Auswahl von Texten seiner wichtigsten künstlerischen Partner und Weggefährten. Was so schwer nicht ist, denn so oft Konwitschny auch die Häuser, an denen er gearbeitet hat, wechselte, so offen er auch immer für Neues und den Wechsel zwischen den Genres war und ist (er ist ein Spezialist für alles Mögliche, aber nicht auf die Oper völlig festgelegt, hat in den letzen Jahren auch Goethes Faust und Shakespeares Lear in Graz inszeniert) - eine gewisse Treue zu künstlerischen Partnern ist eine der Konstanten, die beim blätternden Stöbern in dem nobel gemachten Wälzer ins Auge fällt. Auch dass die Unterdrückung der Frau in der patriachalischen Gesellschaft ein Thema ist, das seine Arbeiten durchzieht. Konwitschny ist allemal der große Frauenversteher unter den Regisseuren. Dass in seinem Münchner Parsifal 1995 die gepeinigte Kundry zum Gral im Zentrum des Bühnenweihfestspiels von Richard Wagner steht und als Gottesmutter bei der Gralsenthüllungszeremonie erscheint, ist programmatisch. Es macht Spaß in dem Bildband auch diese Inszenierung ausführlich dokumentiert zu finden. Das gilt genauso für seine spektakuläre Aida, die Anfang der 90er Jahre in Graz einen Sturm der Entrüstung auslöste und dann wie später noch einmal in Meiningen zu Kultstatus gelangte. Das Bild der beschwipst den Krieg feiernden Mächtigen zum Triumph-Marsch wird man nie vergessen. Und die Flucht der Liebenden aus der Enge des geschlossenen Pharaonengrabes in eine bessere, andere Welt wird als finales Bild, das genau das zeigt, was man bei Verdi hört, fortan neben jeder anderen szenischen Umsetzung im Kopf des Zuschauers bleiben. Oper als Zentrum der Gegenwart! so ist der Untertitel des 525 Seiten umfassenden Buches - und für Peter Konwitschny trifft das gewiss zu. Dass der erste Text die Laudatio ist, die Ruth Berghaus anlässlich der Verleihung des Konrad-Wolf-Preises der Akademie der Künste (Ost) am 25. Februar 1993 hielt, macht Sinn. Obwohl Konwitschny der großen Theaterfrau nur viermal im Schauspiel, aber nie bei einer Oper assistierte, markiert das gleichwohl triftig das künstlerische Herkommen und den Rang dieses Regisseurs. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit folgen Biographisches, das Herausgeberin Andrea Welker zusammengetragen hat, und ein ausführlicher Blick ins private Fotoalbum Peter Konwitschnys. Nach einem kurzen Statement von Konwitschny selbst folgt der Band dann in einer Mischung aus Welt- und Zeitreise den wichtigsten Stationen seiner Karriere. Wer auch nur etwas mit Konwitschnys Arbeit vertraut ist, wird das durchaus als Vorzug empfinden. Die Informationen und Denkanregungen, die auch Konwitschny selbst mit vielen Anmerkungen und Stückanalysen beisteuert, sind ungemein anregend. Zumal die von einem Künstler kommen, dessen Leidenschaft für die Oper und die Bühne nach wie vor ungebrochen ist. (September 2015)
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