Ruy Castro
Bossa Nova - The Sound Of Ipanema
Eine Geschichte der brasilianischen Musik
Von Frank Becker
Es
gibt wohl keine Erfindung oder sollte man sagen: Schöpfung im Bereich
der populären Musik, die neben dem Rock `n´ Roll die Entwicklung
der Musikkultur so nachhaltig beeinflußt hat, wie die brasilianische
Bossa Nova. Damit ist nun nicht nur die Pop-Musik gemeint, denn
besonders der Jazz hat davon profitiert, daß junge Brasilianer ihr
Lebensgefühl von den 50er Jahren an in dieser neuen Form ausdrückten. Dazu kommt, daß es aber
auch kaum
eine Sprache auf dieser Erde gibt, die so musikalisch und elegant ist,
wie
das brasilianische Portugiesisch, das sich den Klängen und Linien der
Bossa Nova derart geschmeidig und zärtlich anschmiegt. Und wie
bedeutend diese lebensbejahende Musik ist, zeigt sich ganz besonders
derzeit durch unerhört viele Veröffentlichungen der unterschiedlichsten
Labels: Re-Issues, begabte Newcomer, große Combacks, gelungene
Compilations für Lounge und Party und auch mißlungene Versuche der "Verbesserung" sind in Hülle und Fülle vorhanden.
Einer, der die Welt der Bossa Nova aus dem ff. kennt, weil er in ihr
lebt und groß geworden ist, hat ihre Geschichte und Geschichten
aufgezeichnet und bereits 1990 unter
dem Titel "Chega de Saudade" in Brasilien herausgegeben: Ruy Castro,
Journalist, Buchautor und intimer Kenner der Szene. Ihm hatten sich während seiner akribischen Recherchen und bei Hunderten
von Gesprächen und Interviews, in denen er 18 Monate lang dem Thema
nachhaltig auf den Grund ging, die Türen und Erinnerungen von
Protagonisten, Schubladen und Archive von Sammlern, Musikern, Labels
und Agenten und die Herzen seiner Gesprächspartner freimütig geöffnet. Als Ergebnis konnte er ein Standardwerk vorlegen, wie es bislang einzig in seiner Art ist. Vom Verlag Koch International/Hannibal
unter die Fittiche
genommen und von Nicolai von Schweder-Schreiner aus dem Brasilianischen
übersetzt, liegt das Buch nun endlich auch in deutscher Sprache vor.
Mit seiner umfangreichen Auswahl empfehlenswerter Schallplatten, raren
Fotos, Übersichtskarten von Rio de Janeiro und São Paulo und dem
sorgfältig aufgeschlüsselten Index sollte es auf keinen Fall in einer
wohlgeordneten Musik-
Bibliothek fehlen.
Ruy Castro erzählt die Geschichte der "Música popular brasileira"
farbig, ausgesprochen unterhaltsam - und dreht das Rad der Zeit so
fesselnd und informativ zurück, daß die Lektüre von "Bossa Nova - The Sound of Ipanema" zum
intensiven Erlebnis wird. Man versinkt darin und wäre zu gerne in den
50ern und 60ern selber in den Clubs von
Ipanema, der Copacabana und in Consolaḉȃo dabei gewesen, als
Antonio Carlos "Tom" Jobim, Sergio Mendes, Walter Wanderly, Joȃo und
Astrud Gilberto, Baden Powell, Flora Purim, Roberto Menescal, Laurindo
de Almeida, Luiz Henrique, Luiz Bonfa, Marcos Valle, Lucio Alves, Ary
Barroso, Johnny Alf, Elis Regina, Nara Leȃo, Eumir Deodato, Luis
Carlos Vinhas, Vínicius de Moraes und viele andere die Welt zum
definitiv Besseren veränderten und ihr einen
neuen, fröhlichen musikalischen Stempel aufdrückten, der bis heute
nicht verblaßt
ist. Es sind spannende, aufregende, witzige, auch traurige Geschichten,
die ein lebendiges der aufregenden Zeit zeichnen, die 1958 mit Joȃo Gilbertos Single "Chega de Saudade" (geschrieben von Tom Jobim und Vínicius de Moraes) begann und bis heute fortwirkt.
Die ganz Großen des internationalen Showbiz und Jazz gingen bescheiden in
Brasilien noch einmal in die Lehre und profitierten davon. Stan Getz
und Charlie Byrd gaben dem Jazz einen genialen Impuls mit ihrem unerreichten Album
"Jazz Samba", Frank
Sinatra, der unangefochten größte Crooner, ließ sich von Tom Jobim
Tempi und Sound erklären und Ella Fitzgerald, Toots Thielemans, Sammy Davis jr., Lalo
Schifrin, Herbie Mann und wohl alle Hit- und Jazz- Komponisten dieser
Zeit des Erwachens nahmen Sound, Rhythmus und
Gefühl der Bossa Nova auf. Die Zahl der in Brasilien und international
unter dem brasilianischen
Einfluß enststandenen großartigen Alben ist Legion. Das Erbe wird von
Nachkommen der Bewegung angetreten und von geschickten Verwaltern neu
in repräsentativen Rückblicken veröffentlicht. Fest steht: die Bossa
Nova behauptet ihren Platz und ist so frisch und attraktiv wie vor
einem halben Jahrhundert. Viele ihrer Helden sind mittlerweile tot: Antonio Carlos "Tom" Jobim, Baden Powell, Laurindo
de Almeida, Luiz Bonfa, Elis Regina, Vínicius de Moraes - um nur einige zu nennen. Ihre Musik aber lebt - anhören, das Buch dazu lesen und genießen. Der Bossa Nova-Sommer ist heiß und lang - und kommt
im nächsten Jahr wieder!
Die CD zum Buch enthält zu den 29 teils bisher auf CD nicht
erschienenen Stücken von internationalen und bislang nur national in
Brasilien bekannten, nichtsdestoweniger hervorragenden Bossa Nova-
Interpreten eine Menge interessanter Informationen und einige rare
Fotos aus den Archiven von Universal und Hannibal, die damit ein
vorbildliches Gemeinschaftsprojekt auf die Beine gestellt haben.
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(Veröffentlichung vorbehalten)
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Ruy Castro
Bossa Nova
The Sound of Ipanema
Koch International/Hannibal, 2006 392 Seiten mit Fotos, Karten, Auswahldiskografie, Literaturhinweisen und Index
Leinen mit Schutzumschlag
29,90 Euro
Weitere
Informationen unter:
www.hannibal-verlag.de
Die CD zum Buch:
Bossa Nova
The Sound of Ipanema
compiled by Ruy Castro
Produced by Universal Jazz Germany
© + (P) 2006 Boutique/Universal
Track List:
1. João Donato: "Minha Saudade"
2. Lucio Alves: "Menina Feia"
3. Os Cariocas: "Vou te Contar"
4. Os Cobras: "The Blues Walk"
5. Sylvia Telles: "Samba de Uma
Nota Só"
6. João Gilberto: "O Pato"
7. Carlos Lyra: "Canção que
Morre no Ar"
8. Maysa: "O Amor que Acabou"
9. Baden Powell: "Saudade de
Bahia"
10. Doris Monteiro: "Olhou pra
Mim"
11. Antonio Carlos Jobim: "Chega
de Saudade"
12. Lucio Alves/Sylvia Telles:
"Esse Seu Olhar"/Só em Teus
Braços"
13. Dick Farney/Norma Bengell:
"Você"
14. Nara Leão: "Nega Dina"
15. Tamba Trio: "Tamba"
16. Gary McFarland: "La Vie en
Rose"
17. Astrud Gilberto: "Photography"
18. Jorge Ben: "Tim Dom Dom"
19. Quarteto Em Cy: "Apelo"
20. Rio 65 Trio: "Tem Dó"
21. Emilio Santiago: "Tristeza de
Nós Dois"
22. Os Gatos: "E Nada Mais"
23. A.C. Jobim & Edu Lobo: "Pra
Dizer Adeus"
24. Sérgio Mendes & Brasil ´66:
"The Frog"
25. Brigitte Bardot: "Maria
Ninguém"
26. Moacis Santos: "Coisa no. 8
(Navegação)"
27. Nara Leao: "O Barquinho"
28. Os Cariocas: "Vê"
29. Joye/Johnny Alf: "Céu e Mar"
Total Time: 1:16:58
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