Orfeo (Elisabeth Kulman), Euridice (Genia Kühmeier)
Gutwillig betrachtet ist diese Premiere ein Durchatmen zwischen der Rihm-Uraufführung zum Auftakt des aktuellen Opernjahrgangs der Salzburger Festspiele und der anstehenden Lulu, für die Jürgen Flimm Vera Nemirova und Marc Albrecht mit Daniel Richter zusammengespannt hat. Ohne dass es wirklich eine Überraschung gewesen wäre, trieb die Kombination von Riccardo Muti und Dieter Dorn Glucks Orfeo ed Euridice (gespielt wird die Wiener Fassung von 1762) im Großen Festspielhaus jeden Anschein von aufdämmernder Gefühlsdramatik aus. Und die ist ja ohnehin nicht unbedingt das treibende szenische Moment dieses Meisterwerkes.
Orfeo (Elisabeth Kulman)
Wenn Riccardo Muti (nicht zum ersten Mal in Salzburg) auf prominenter Bühne ein bewusstes Statement gegen den Furor historischer Musizierweise bei vorklassischer Musik abgeben wollte, dann ist ihm das gelungen. Dabei steht er am Pult der eigentlich alles könnenden Wiener Philharmoniker und hat auf der Bühne, neben der Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor, die von ihm selbst ausgesuchte Elisabeth Kulman als Orfeo zur Verfügung. Die wartet vor allem mit ihrem stimmlichen Potenzial, aber noch nicht mit der souveränen Gelassenheit für zugelassenes Leiden an der Liebe und am Verlust auf, wenn Euridice hier zweimal in der Versenkung verschwindet. Genia Kühmeier ist eine allerdings wirklich betörend überfließende Euridice. Und es ist der quicklebendige Amor von Christiane Karg, der die beiden am Ende dann doch wieder zusammenführt.
Vor den Toren der Unterwelt ...
Vor allem, wenn sich Orfeo und Euridice im Duett aufeinander einlassen, gewinnt der Abend Momente emotionaler musikalischer Ausstrahlung, die berühren und über den allzu gleichförmigen und unverbindlichen Hochglanz hinauskommen. Ansonsten muss man wohl ein ausgemachter Muti-Bewunderer sein (von denen es allerdings in Salzburg genügend gibt), um diesen Gluck-Abend als eine wirklich musikalische Bereicherung zu empfinden, die über eine abgeklärte Draufsicht hinausgeht.
Zu dieser musikalischen Lesart passt immerhin die Ästhetik der Bühne. Das dramatischste ist da noch der Umgang mit der schwarzen Wand zum Publikum hin, wenn Ausstatter Jürgen Rose den Bühnenausschnitt zusammenschnurren lässt und wieder freigibt. Sonst hat er sich auf ein zusätzliches Portal und dezentes Alltagszivil beschränkt. Alles in netten Pastelltönen.
... und im Elysium
Vorm Eingang zur Unterwelt wird vor einer Spiegelwand (einigermaßen) bildwirkungsvoll gekrochen, was mit der Beleuchtung zu einem Bild mit Gelbstich wird, das sich immerhin einprägt. Im luftig hellblauen Elysium wird endlos über eine spiegelnde Fläche geschritten. Ansonsten herrscht in Dieter Dorns Regie eher edle Einfalt und extensive Rampe. Daran ändert auch der plötzliche Ausbruch von Ballettregie nichts. Dazu umlagern jetzt ein halbes Dutzend von Euridice Alter Egos mit Orfeos Lyra die Spielfläche, auf der offenbar das wiedergewonnene Glück der Protagonisten durch ein choreografiertes Panoptikum der irdischen Beziehungs-Erfahrungen gebrochen werden soll. In allen möglichen Varianten von Streit und Trennung. Politisch korrekt auch mit zwei Männern, hauptsächlich aber unter der Überschrift Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen. Das sorgt immerhin für eine leichte Heiterkeit. Am Ende drehen sich die beiden in der Mitte, als wären sie die Krönung einer Hochzeitstorte. Trotz des Balletts zum Finale auf der Bühne und der Scheidungsrate im wirklichen Leben. Nicht nur für diese Pointe hätte man den Abend aber eigentlich nicht gebraucht.
FAZIT
Musikalischer Hochglanz in hochkarätiger Besetzung, aber im Vergleich mit dem Standard historischer Musizierweise im Ganzen erstaunlich fad.
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