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Musikfestspiele
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Händel-Festspiele 2012 in Halle (Saale)

31.05.2012 - 10.06.2012

Terpsichore

Prologo Terpsicore (HWV 8b, 1734), Libretto von einem unbekannten Verfasser
Divertissement de danse Les Plaisirs champêtres (1734) und
Symphonie nouvelle Les Éléments (1737) in Auszügen
Musik von Georg Friedrich Händel und Jean-Féry Rebel

in italienischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1 h 15' (keine Pause)

Premiere im Goethe-Theater Bad Lauchstädt am 9. Juni 2012

 

 

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Tanz ohne Muse

Von Thomas Molke / Fotos von Reese (© Händel-Festspiele Halle)

Nach dem Aus am King's Theatre betrat Georg Friedrich Händel mit seinen Werken für Covent Garden ab 1734 neues Terrain. Dieses 1732 gebaute Theater war nämlich so ausgestattet, dass es für Tanz und eindrucksvolle Bühneneffekte gute Voraussetzungen bot, so dass Händel begann, Ballett und Chor nach französischem Vorbild in seine Opern zu integrieren. So schuf er unter anderem für eine Wiederaufführung seiner Pastoraloper Il pastor fido aus dem Jahr 1712 einen gesungenen und getanzten Prolog mit dem Titel Terpsicore, der dem folgenden Schäferspiel als einaktiges, selbstständiges Tanzspiel vorangestellt ist. Dieser Prolog war das erste Mal 1985 bei den Händel-Festspielen im Zusammenhang mit Il pastor fido zu erleben. Für die diesjährigen Festspiele hat ihn die Choreographin Béatrice Massin mit ihrer Compagnie Fêtes galantes mit zwei Werken von Jean-Féry Rebel zusammengefasst.

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Laura Brembilla und Laurent Crespon

Rebel zählt zu den ganz wichtigen Innovatoren des Balletts des 18. Jahrhunderts, der eine Tänzerin entdeckte, deren ausdrucksstarker Stil Ballett und Pantomime organisch verband und damit letztendlich den Weg zum Handlungsballett einleitete: Marie Sallé. Dabei löste ihr erster Auftritt in Rebels Caractères de la danse 1715 einen regelrechten Theaterskandal aus, da die gerade mal acht Jahre alte Tänzerin ohne Maske und Bühnenkostüm in einfacher Kleidung auftrat. Wenig später holte John Rich, der Gründer des Theaters in Covent Garden, Marie mit ihrem Bruder Francis nach London, wo die beiden eine überaus erfolgreiche Karriere starteten. So wurde auch Händel auf diese begnadete Tänzerin aufmerksam und engagierte sie als Tänzerin für die Titelpartie seines Prologs Terpsicore, um ein Gegengewicht zum King's Theatre zu bilden, an dem die Opera of Nobility mit Farinelli, Senesino und der Cuzzoni aufwartete.

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Compagnie Fêtes galantes

Der Prolog liefert gewissermaßen den göttlichen Rahmen für die folgende Pastoraloper. Erato, die Muse der Liebesdichtung, hofft auf die Zuwendung des Gottes Apollo, der sich aber nur für Terpsicore, die Muse des Tanzes, interessiert. Diese ist entsetzt über ein Orakel der Göttin Diana, das besagt, dass aufgrund der Untreue eines Mädchens alle Mädchen in Arkadien, die "unrechtmäßiger" Liebe verfallen, geopfert werden. Mit ihrem Tanz will sie Erato und Apollo darauf hinweisen, dass die Zeit gekommen ist, diesem sinnlosen Sterben junger Menschen Einhalt zu gebieten. Allerdings findet sie weder bei Apollo noch bei Erato Verständnis für ihr Anliegen. Stattdessen verlangt Apollo von ihr, die Leidenschaften der Liebe und das Feuer der Eifersucht im Tanz darzustellen. Terpsicore macht einen weiteren Versuch, mit ihrem Tanz auf die Nöte der Menschen hinzuweisen, und Erato und Apollo werden überzeugt, dass wahre Liebe Dianas Fluch überwinden kann.

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Schlussapplaus: von links: Olivier Collin, Paul Crémazy, Laura Brembilla, Sabina Puértolas, Sarah Berreby, Christophe Rousset, Céline Angibaud, Marianne Beate Kielland, Laurent Crespon, Jussi Lehtipuu, Bruno Benne

Wer mit der Erwartung ins Goethe-Theater Bad Lauchstädt gekommen ist, eine Tänzerin als Terpsicore zu sehen, wird enttäuscht. Auch der Dialog zwischen Apollo und Erato findet nicht auf der Bühne statt. Stattdessen werden die beiden Partien aus dem Orchestergraben gesungen, während die Bühne der Compagnie Fêtes galantes gehört. Es beginnt mit Auszügen aus der Symphonie nouvelle Les Éléments von Jean-Féry Rebel. Vier Tänzer rollen zunächst in hellblauen einfachen Barockkostümen langsam zu den das Chaos simulierenden Klängen Rebels von rechts nach links über die zunächst dunkle Bühne. Auf der linken Seite angekommen, erheben sie sich und tanzen mit barocken Gesten wieder auf die rechte Seite, wo sie erneut zusammensinken und der Kreislauf von vorne beginnt. Sollen das die vier Elemente sein? An den Kostümen lässt sich diese Vermutung nicht bestätigen. Auch unterscheiden sich die Bewegungen der einzelnen Tänzer nicht eklatant. Das einzige, was auffällt, ist, dass die Tänzer einen gewissen Abstand zueinander halten. Jedes Element steht also scheinbar für sich allein.

Auch der zweite Teil von Rebel, Les Plaisirs champêtres, ein Divertissement de danse, ist inhaltlich keineswegs erhellender, wenn auch ästhetisch schön anzusehen. Jedenfalls sinken die vier Tänzer jetzt nicht mehr auf den Boden, sondern sind in ihren Bewegungen nicht mehr zu bremsen, auch nicht, wenn die Musik endet. Nun betreten Laura Brembilla in einem gelben Kleid und Laurent Crespon in einem hellblauen halblangen Mantel die Bühne, und Händels Prolog beginnt. Nach und nach erscheinen auch die vier vorherigen Tänzer in recht farbenfrohen Kostümen. Nach welchem Schema einzelne Tänzer jedoch abgehen und wieder auftreten, bleibt völlig unklar. Auch ob Brembilla nun Erato oder Terpsicore darstellen soll, lässt sich nicht eindeutig beantworten. Auffällig ist lediglich, dass Brembilla und Crespon als einzige Körperkontakt haben und im Ansatz ein Pas de deux tanzen. Sollen das die verschiedenen Leidenschaften der Liebe sein?

Der Verzicht auf Übertitelung des Gesangs erweist sich bei einem recht unbekannten Werk als nicht gerade förderlich, da die Bewegungen für den Großteil des Publikums sicherlich schwer nachvollziehbar sind. Musikalisch kommt man jedoch in vollem Maße auf seine Kosten. Sabina Puértolas stattet die Muse Erato mit einem glockenklaren Sopran aus. Marianne Beate Kielland findet für Apollo mit ihrem beweglichen Mezzo weiche und wohl-timbrierte Töne. Paul Crémazy und Lehtipuu ergänzen die beiden mit ihrem Tenor und Bariton zu einem stimmgewaltigen Ensemble. Les Talens Lyriques erweisen sich unter der Leitung von Christophe Rousset mit dem differenzierten Klang als ausgewiesene Spezialisten für Barockmusik, und auch die Choreographie von Béatrice Massin mit den fließenden Bewegungen der Compagnie Fêtes galantes und den expressiven Gesten ist sehr schön anzusehen, so dass es am Ende großen Beifall für alle Beteiligten gibt. Nur nach einem Sinn sucht man vergeblich.

FAZIT

Schöne Musik, schöner Gesang, ästhetisch schöne Bewegungen, aber eine Muse des Tanzes bekommt man trotz des Titels nicht zu sehen.

Weitere Rezensionen zu den Händel-Festspielen 2012 in Halle

 

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Cristophe Rousset

Choreographie
Béatrice Massin

Kostüme
Dominique Fabrègue

Licht
Rémi Nicolas



Les Talens Lyriques

 

Solisten

Erato
Sabina Puértolas

Apollo
Marianne Beate Kielland

Tenor
Paul Crémazy

Bass
Jussi Lehtipuu

Compagnie Fêtes galantes
Céline Angibaud
Bruno Benne
Sarah Berreby
Laura Brembilla
Olivier Collin
Laurent Crespon

 

Weitere
Informationen

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Händel-Festspiele in Halle
(Homepage)



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