Internationale
Gluck-Opern-Festspiele
Nürnberg
20.07.2012 -
28.07.2012
Von Thomas Molke
Zum mittlerweile vierten Mal kann das Staatstheater
Nürnberg in diesem Jahr die Internationalen Gluck-Opern-Festspiele
präsentieren, bei denen alle zwei Jahre das Werk des großen Opernreformators,
der im oberpfälzischen Erasbach quasi vor den Toren Nürnbergs das Licht der
Welt erblickte, im Zentrum der Betrachtung steht und das mittlerweile schon
einen festen Platz in der Riege der Opernfestspiele eingenommen hat, was
nicht zuletzt Hans-Peter Schmidt zu verdanken ist, der seit Jahren
unermüdlich für diesen Komponisten und sein Werk die Werbetrommel rührt und
auch jetzt wieder als Triebfeder im Hintergrund die Festspiele tatkräftig
unterstützt.
Während man bei den Festspielen im Sommer 2010 unter dem Motto
"Gluck, Paris und die Folgen" mit einem hochkarätigen Programm, bei dem zum
Beispiel das Projekt orpheus@felsen.gaenge das Publikum zu einer
szenisch-musikalischen Führung durch die Nürnberger Unterwelt einlud, den
Kartenvorkauf um 35 % im Vergleich zum Sommer 2008 steigern konnte, hat
Peter Theiler, der Intendant des Nürnberger Staatstheaters, die vierten
Festspiele "Gluck, Prag und die Antike" betitelt. In Prag, das neben Paris
eines der großen europäischen Musikzentren des 18. Jahrhunderts war, nahm
Glucks Schaffen seinen Anfang. Neben Gluck stehen außerdem die Werke seiner
Zeitgenossen aus dem "Konservatorium Europa" wie Ji ří
Antonin Benda, Josef Mysliveček, Jan Ladislav Dusík und Antonín Reicha auf
dem Programm, da auch sie dem musikalischen Aufbruch aus dem Barock zur
neuen Tonsprache der Wiener Klassik europaweit wesentliche Impulse gaben.
Als mehr oder weniger Eigenproduktionen des
Staatstheaters gibt es am 21. Juli direkt zwei Premieren zu erleben. Im
Schauspielhaus inszeniert der Ballettdirektor und Chefchoreograph Goyo
Montero die Uraufführung des Tanzstückes
Don Juan, das Gluck für den
Choreographen und Tanzreformer Gasparo Angiolini als Ballett vertont hat,
wobei das Finale des Balletts als "Furientanz" in Glucks Oper Orpheus und
Eurydike großen Bekanntheitsgrad erlangte. Montero zeigt den Mythos des
notorischen Frauenverführers und Regelbrechers als Geschichte eines
Menschen, der von tiefer Sehnsucht nach Erkenntnis und Anerkennung getrieben
wird und auf seinem Weg nicht davor zurückschreckt, Himmel und Hölle
herauszufordern. Neben Motiven aus Glucks Komposition sind bei diesem
Tanzabend auch Auszüge aus Mozarts in Prag uraufgeführtem Don Giovanni
zu hören. (Weitere Termine: 23. und 26. Juli 2012)
Die zweite Premiere im Parkhaus Theater stellt die szenische
Erstaufführung der Prager Urfassung von Glucks
Ezio aus dem Jahr 1750
dar. Solisten der Staatsoper Nürnberg werden von Musikern der Accademia
Bizantina, einem herausragenden Ensemble für Alte Musik, und der Hochschule
für Musik Nürnberg begleitet. Die musikalische Leitung übernimmt
Nicola Valentini. Die Oper erzählt das Drama des römischen Feldherrn Ezio, der zwar
den Hunnenkönig Attila besiegen kann, zu Hause in Rom aber in ein
gefährliches Netz politisch-amouröser Machenschaften gerät. Der in Nürnberg
durch zahlreiche Inszenierungen bekannte Regisseur Andreas Baesler nutzt in
seiner Inszenierung die beeindruckende Architektur des Jugendstil-Volksbads,
um das Publikum unmittelbar am Intrigenspiel dieser Opera seria teilnehmen
zu lassen. (Weitere Termine: 23., 24. und 26. Juli 2012)
Einen weiteren Höhepunkt dürfte die konzertante
Aufführung der Oper Das goldene Vlies (La Toison d'Or) von Johann
Christoph Vogel darstellen. Vogel, der 1756 in Nürnberg geboren und bereits
1788 in Paris verstorben ist, hat mit seiner Geschichte um die Argonauten,
Jason und Medea ein Werk hinterlassen, das mit den Kompositionen Glucks
unmittelbar verwandt ist, seit der Entstehungszeit aber noch nie wieder
aufgeführt worden ist. Im Opernhaus wird der international renommierte
Dirigent Nervé Niquet mit seinem Ensemble Le Concert Spirituel und einem
internationalen Ensemble mit Solisten und dem Opernchor des Staatstheaters
Nürnberg diese Perle einstudieren und als CD einspielen. (Termin: 26. Juli
2012 im Opernhaus)
Ebenfalls mit dem Medea-Mythos beschäftigt sich ein
Konzert am 27. Juli im Schauspielhaus, bei dem die Schauspielerin Martina
Gedeck in dem 1775 entstandenen Melodrama
Medea von
Jiří Antonin Benda, der Schauspiel und
Musik ganz neuartig verbunden hat, das Seelenleben der mythischen
Kindsmörderin mit neuem Leben füllen wird. Begleitet wird sie von Manfred
Jung, seinem Jungen Tonkünstler Orchester Bayreuth und Ensemble-Mitgliedern
des Staatstheaters. Neben Bendas Kurzdrama werden auch noch Werke von
Christoph Willibald Gluck, Antonio Rosetti und Wolfgang Amadeus Mozart
erklingen.
Aus dem Repertoire des Staatstheaters wird zum einen die
Kinderoper Armide oder Zickenkrieg im Zauberreich übernommen,
die die Dramaturgen Wiebke Hetmanek und Johann Casimir Eule auf der Basis
von Christoph Willibald Glucks Opern Armide und Die Pilger von
Mekka geschrieben haben und die im Februar 2012 ihre Uraufführung in den
Kammerspielen erlebt hat. Mit dieser "Großen Oper für Kleine Leute", in der
die Zauberin Armide in einen Wettstreit mit ihrer Kollegin Lully tritt,
sollen bereits Kinder ab dem Grundschulalter in die musikalische Märchenwelt
Glucks entführt und für seine Musik begeistert werden. (Termine während der
Festspiele: 22., 23. und 24. Juli 2012 in den Kammerspielen)
Zum anderen wird am 25. Juli im Opernhaus Elektra
von Richard Strauss präsentiert, der sich als Nachfolger des
Opernreformators Gluck im 20. Jahrhundert sah und mit dieser Oper auf den
gleichen Mythos zurückgreift, den Gluck in seinen beiden Iphigenie -
Opern behandelt hat. Die Inszenierung von Georg Schmiedleitner unter der
musikalischen Leitung von Marcus Bosch feiert bereits am 31. März 2012 mit
Rachel Tovey in der Titelpartie ihre Premiere.
Als weitere Konzerte sind zu nennen:
- die Eröffnungsgala am 20. Juli im Opernhaus mit dem
Collegium 1704, das unter der Leitung von Václav Luks mit der Sopranistin
Adriana Kučerová Werke von Christoph Willibald Gluck,
Josef Mysliveček und
Jiří Antonin Benda präsentiert,
- das Konzert Les Pragois à Paris am 23. Juli im Opernhaus, in dem
die Staatsphilharmonie Nürnberg unter der Leitung von Marcus Bosch mit Jitka
Čechová am Klavier, der Sopranistin Michaela Maria Mayer und dem Tenor
Tilman Lichdi Werke von Christoph Willibald Gluck, Jan Ladislav Dusík und
Antonín Reicha vorstellt und
- ein Abschlusskonzert mit Vivica Genaux am 28. Juli im Opernhaus, in dem
die international gefeierte Mezzosopranistin mit der Accademia Bizantina
unter der musikalischen Leitung von Ottavio Dantone Werke von Christoph
Willibald Gluck, Wolfgang Amadeus Mozart und
Josef Mysliveček zum Besten geben wird.
Des Weiteren gibt es am 21. bis 22. Juli im Marmorsaal
der Nürnberger Akademie in Zusammenarbeit mit der Internationalen
Gluck-Gesellschaft Salzburg, der Universität Bayreuth, dem
Forschungsinstitut für Musiktheater Thurnau und der Akademie der
Wissenschaften und der Literatur, Mainz ein Symposium zum Thema "Gluck und
Prag", an dem auch interessierte Laien kostenlos teilnehmen können.
Das komplette Programm ist unter
Gluckfestspiele
abrufbar.
|
Homepage
Rezensionen:
Ezio
Don Juan
Armide
Les Pragois à Paris
Das goldene Vlies
Medea in Prag
|