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Großer Gesang, Öl und allerlei szenische HalbheitenVon Stefan Schmöe, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath
Da wird allenthalben gejammert über das Gesangsniveau der Festspiele, und dann so ein Siegmund! Johan Botha demonstriert eindrucksvoll, wie man eine Wagnersche Heldentenorpartie durch und durch klangschön singen kann: Baritonal eingefärbt, mit Substanz im Piano und Kraftreserven im Forte, ohne Brüche in der Stimme bis zur glänzenden Höhe, wunderbar phrasierte Legatobögen – wann hat Bayreuth vor diesem Ring zum letzten Mal einen solchen Siegmund erlebt? Na gut, der Mann ist schauspielerisch, nun ja, unterdurchschnittlich talentiert, aber dann setzt oder stellt die Regie ihn eben irgendwo hin und lässt ihn 20 Minuten einfach singen. Ob Konzept, Pragmatismus oder Resignation, jedenfalls hat Frank Castorf das in dieser Walküre konsequent so gehandhabt, und es ist zwei Akte lang ein musikalisch großer Abend. Dann ist Siegmund leider tot und das Niveau nicht mehr ganz so hoch.
Begegnung im Stroh: Sieglinde und Siegmund
Noch einigermaßen mithalten kann die jugendliche Sieglinde von Anja Kampe, leider im ersten Akt immer wieder mal unnötig forcierend und dadurch eng, aber mit vielen schönen Momenten. Kwangchul Youn ist in Bayreuth ohnehin seit Jahren eine konstante Größe, auch wenn die Stimme an diesem Abend etwas matt bleibt, für den Hunding hat er abgründige Schwärze und ausreichend Kraft. Damit ist der erste Aufzug ein Ereignis, auch wenn die Regie immer wieder versucht, von der Musik abzulenken (mehr dazu unten). Ein wenig eindimensional ist der Wotan von Wolfram Koch, der zwar alle Klippen der Partie sicher meistert, aber mit weitgehend gleicher Klangfarbe. Von der Mittellage an nach oben ist das Piano ziemlich substanzlos (die Tiefe spricht gut an), im Forte sitzt die nicht riesige, aber durchschlagskräftige Stimme gut, hat aber nicht allzu viel Glanz – kein schlechter, sicher aber auch kein überragender Wotan. Gattin Fricka wird von Claudia Mahnke sehr engagiert, aber mit ziemlich mechanischem Vibrato gesungen. Und die Brünnhilde von Catherine Foster, keine ganz große Stimme, aber mit ansprechender Höhe, singt oft ziemlich ungenau. Wie gesagt: Das musikalische Ereignis ist der Siegmund von Johan Botha.
Festspielreife hat auch das straffe, jedes Pathos vermeidende Dirigat von Kyrill Petrenko. Er arbeitet nicht nur sehr genau im Detail, sondern fügt diese Details, und das sind in der Walküre ja oft isoliert stehende, signalhafte Leitmotive, stringent in einen symphonischen Fluss ein, in den ganz selbstverständlich auch die Singstimmen eingebettet sind. Damit rückt er die Walküre näher an die kompositorisch komplexere, weil das motivische Material stärker variierend verarbeitende Götterdämmerung - eine ziemlich moderne, mitunter auch ruhelose, jedenfalls nach vorne drängende Interpretation, sehr klar und transparent durchhörbar.
Walkürenfelsen mit Walküren
Und die Regie? Der geht es ums Öl. Eine Kontinuität zwischen dem Rheingold und der Walküre, die Castorf zeitlich vor dem Rheingold ansiedelt, nämlich um den Beginn der Erdölförderung herum, gibt es nicht. Allein das Öl selbst schafft eine losen Assoziationsstrang zum Vorabend, der schließlich an einer Tankstelle spielte. Auf der Bühne steht jetzt ein hölzerne Hütte mit Ölfördertum, was zunächst nach Wildwest aussieht, später dem Sowjet-Imperium zugeordnet wird. Wotan liest in der „Prawda“, im Programmheft ist ein 1910 entstandener Text Stalins über die Situation an den Ölfeldern in Baku abgedruckt. Man ahnt während des Walkürenritts die russische Revolution. Das bleibt alles ziemlich unbestimmt, kyrillische Schriftzüge dürften sich weiten Teilen des Publikums ebenso wenig erschließen wie Filmsequenzen aus offenbar russischen Schwarzweißfilmen, die szenisch gelegentlich aufgegriffen werden. Schließlich leuchtet der rote Stern über dem Bohrturm. Offenbar ist man am Ende der Oper, das suggeriert die Jahreszahl in den Film-Zwischentiteln, im Jahr 1942 angelangt, die Fördertechnik hat sich inzwischen auch weiterentwickelt. Das alles bleibt aber reichlich unbestimmt, lenkt (vermutlich planmäßig) von der Musik ab, verweigert sich einer schlüssigen Interpretation und hilft für die Walküre nur insofern weiter, als die sich in diesem Ambiente eben auch spielen lässt.
An der Geschichte selbst scheint Castorf nicht weiter interessiert und wickelt sie ganz konventionell ab (mit echtem Schwert). Nicht nur der bewegungsscheue Johan Botha, auch ein im Rheingold noch so agiler Sängerdarsteller wie Wolfram Koch steht oder sitzt weitgehend einfach so da. Die Sieglinde wird von Hunding ein bisschen herumgeschubst, und selbst die Walkürenschar darf sich weitestgehend aufs Singen konzentrieren. Eine durchdachte Personenregie ist nicht auszumachen, und fast alle Regiezutaten sind als Kommentar parallel zur eigentlichen Handlung montiert. Von der Idee her kein uninteressanter Ansatz, aber in der Wirkung ziemlich halbherzig.
Frank Castorfs verkopfte Regie sieht letztendlich aus wie untermittelprächtiges Stadttheater, tut aber nicht weiter weh. Johan Botha setzt als Siegmund Maßstäbe.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Video Solisten
Siegmund
Hunding
Wotan
Sieglinde
Brünnhilde
Fricka
Gerhilde
Ortlinde
Waltraute
Schwertleite
Helmwige
Siegrune
Grimgerde
Rossweiße
Weitere Informationen erhalten Sie von den Bayreuther Festspielen (Homepage) Rezension der Premiere 2013 der Walküre Weitere Rezensionen von den Bayreuther Festspielen 2014 |
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