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Bayreuther Festspiele 2015

Lohengrin

Romantische Oper in drei Aufzügen
Text und Musik von Richard Wagner


in deutscher Sprache

Aufführung im Festspielhaus Bayreuth am 5. August 2015
(2. Aufführung im Rahmen der Bayreuther Festspiele 2015 - Premiere der Produktion: 25. Juli 2010)

Aufführungsdauer: ca. 5 h Stunden 40' (zwei Pausen)


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Bayreuther Festspiele
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Wagner meisterlich inszeniert und interpretiert

Von Ursula Decker-Bönniger, Fotos: © Bayreuther Festspiele / Enrico Nawrath


Auch im sechsten Jahr hat die Bayreuther Neuenfels-Inszenierung von Wagners romantischer Oper Lohengrin nichts von ihrer Faszination und subtil humorvollen Provokation eingebüsst. 2012 erschien die 2010 erstmals gezeigte Inszenierung des Regiemeisters auf DVD, aber das Live-Erlebnis in den heiligen Hallen des Festspielhauses ist etwas Besonderes: Da ist die magische Akustik, die Wagners Orchestrierung, das verführerische Flirren der Streicher, zum Glühen bringt. Da sind die besonderen Dimensionen der Festspielbühne, die Bühnen- und Kostümbildner Reinhard von der Thannen mit seinem an Science Fiction-Filme erinnernden, in nacktes Weiß getauchten Rattenlabor variantenreich in Szene zu setzen weiß. Da lernt man angesichts der sommerlichen Temperaturen - neben der grandiosen musikalischen Leistung, die physische Belastung schätzen, der die Chor und Statisterie mit all ihren Kostümschichten ausgesetzt sind. Und nicht zuletzt regt die grandiose Inszenierung an, sich mit deutscher Kultur und Geschichte des 19./20. Jahrhunderts auseinanderzusetzen.

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Wagner-Held in komplexer Versuchsanordnung: Lohengrin

Wagner hatte sich 1876 ein Theater geschaffen, das nicht nur seinen ästhetischen Kriterien und professionellen Aufführungsbedingungen genügen sollte. Hier sollte - folgt man seinen programmatischen Ideen aus dem Jahre 1863, ein Theater entstehen für die Freunde der Kunst ohne Unterschied von Rang und Namen, ein Gegenentwurf zum höfischen Logentheater. Der nationalistisch angehauchter Gesinnungswandel Wagners wird schon in seiner Rede zur Grundsteinlegung des Festspielhauses vom Mai 1872 deutlich. Es sei das Bayreuther Programm eines Herrschers, nicht eines einstigen Demokraten und Sozialisten, schlussfolgert Hans Mayer. Alles diene dem Stiftertum; "Kunst und Ungleichheit, Kunst und Religion" seien die neuen Themen des Theoretikers Wagner.


Vergrößerung in neuem Fenster Misslicher Prozess: Herrufer und König zwischen Elsa und Kläger Telramund. Dahinter das Volk.

Das war im Jahre 1848, als Lohengrin vollendet wurde, anders. Wagner war damals als Kapellmeister in Dresden tätig und stand den nationalstaatlichen, demokratischen Ideen der 1849er Revolution nahe. Die eigentlich für Dresden geplante Uraufführung der Oper wurde aufgrund seiner Beteiligung an den sächsischen Aufständen abgelehnt. Er selbst musste fliehen und ging für lange Zeit ins Exil. Die Uraufführung fand im August 1850 ohne ihn in Weimar unter der Leitung von Franz Liszt statt.

Neuenfels' Grundidee, die Opernhandlung in einem Rattenlabor stattfinden zu lassen, mag auf den ersten Blick platt erscheinen. Aber die feinsinnige Art und Weise, wie er die Entstehung und Rezeption des Werkes, seine Affinität zu Nationalstaatlichkeit, Nationalismus und Nationalsozialismus - bis zum zweiten Weltkrieg war Lohengrin Wagners meistgespieltes Werk auf deutschsprachigen Bühnen - beleuchtet und kommentiert, ohne die sinnliche Wirkung der Musik anzutasten, würdigt Wagners romantisches Frühwerk auf besondere Weise.

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Ein kurzer Moment möglichen Glücks:Lohengrin und Elsa vor dem Volk

Grandios z.B., wenn die Männer zum sich entfaltenden, steigernden, festlichen Klangrausch ihre Rattengewänder in Festtagsanzüge eintauschen, zugleich aber die rattentypischen körperlichen Merkmale, Haltungen und Gesten beibehalten werden. Grandios auch wie Neuenfels dem Werk die ideologische Schwerlastigkeit nimmt, immer wieder spielerische Elemente einbaut, z.B. die rosa gewandeten, "edlen" Rattenchorknaben während der Vorbereitungen zur feierlichen Hochzeit. Grandios ebenso, wie der Regisseur zwischen lebensnahem, leicht chaotischem Rattengedränge, bei dem die Masse den Hintergrund für dramatische Dialoge bildet und ordnungsbetonten, paradeähnlichen Aufmärschen wechselt.

Anders als das Volk, die "hirnlosen Spießer" wie sie von Heinrich Mann in der Figur des Diedrich Hessling beschrieben werden, tragen die Protagonisten keine Rattengewänder. Humorvoll angedeutet wird die ideologische Zugehörigkeit von Elsa und Ortrud jedoch in den fantasievollen, farblich kontrastierenden Federkleidern Reinhard von der Thannens. Aus der romantisch-tragischen Text-Dramatik der Protagonisten um Macht, Liebe und Vertrauen, dem Kampf um Gut und Böse, ist eine anregende Auseinandersetzung über Fragen zu Projektion, gesellschaftlichen Tabus, politischer Intrige und Machtausübung geworden, die vom Solistenensemble musikalisch und darstellerisch spannungsvoll dargeboten wird.


Vergrößerung in neuem Fenster An einen glücklichen Ausgang glaubt die Regie wohl nicht: Lohengrin und Gottfried, der künftige Herrscher von Brabant

Stimmgewaltig und technisch brillant vermag Petra Lang die von virtuosen Tonsprüngen durchsetzte Partie der vor Hass lodernden, leidenschaftlichen Ortrud in Szene zu setzen. Bariton Jukka Rasilainen ist ihr naiv ehrgeiziger Gemahl Friedrich von Telramund, während Wilhelm Schwinghammer mit klangvollem Bassbariton die Rolle des bei Neuenfels gebrechlich wirkenden, überforderten Königs Heinrich singt. Annette Daschs klangvoller, lyrisch-dramatischer Sopran verkörpert eindrucksvoll die zwischen Treue und zweifelnden Fragen schwankende Elsa von Brabant. Klaus Florian Vogt scheint die Rolle des Lohengrin auf den Leib geschrieben zu sein. Sein hell timbrierter, klarer, manchmal etwas zu nackter, kraftvoller Tenor ist wie eine Projektionsfläche dieser heroisch überirdischen Figur.

Dazu ein fantastisch aufgelegtes Orchester und ein Festspielchor, die diese Ereignisse unter der Leitung Alain Altinoglus vom geheimnisvollen Pianissimo bis zum feierlichen Jubel vielstimmig in Szene setzen und das Publikum mitzureißen vermag - in diesen wagnertypischen, rauschhaft verführerischen Klang, der Alltagssorgen und -nöte wegzuschwemmen scheint.


FAZIT

Die Inszenierung und künstlerische Leistung ist die Reise nach Bayreuth wert. Kostüme, Regie, Bühnenbild, Dirigent, Chor, Orchester, Solisten - hier stimmt einfach alles!


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alain Altinoglu

Inszenierung
Hans Neuenfels

Bühnenbild und Kostüme
Reinhard von der Thannen

Licht
Franck Evin

Video
Björn Verloh

Dramaturgie und Regie-Mitarbeit
Henry Arnold

Choreinstudierung
Eberhard Friedrich

Statisterie, Chor und Orchester
der Bayreuther Festspiele


Solisten

König Heinrich
Wilhelm Schwinghammer

Lohengrin
Klaus Florian Vogt

Elsa von Brabant
Annette Dasch

Friedrich von Telramund
Jukka Rasilainen

Ortrud
Petra Lang

Der Heerrufer des Königs
Samuel Youn

1. Edler
Stefan Heibach

2. Edler
Willem Van der Heyden

3. Edler
Rainer Zaun

4. Edler
Christian Tschelebiew

Edelknaben
Kitty de Geus
Anja Ulrich
Zuzanna Foremska
Johanna Dur

Edeldamen
Sharona Applebaum
Cosima Henseler
Stephanie Dasch
Gisela Pohl
Theresa Derksen-Bockermann
Jessica Leary
Gabriele Neugebauer
Christine Hallereau
Raquel Luis
Dörthe Rohlfing
Alice Rath
Ina Gasciarino


Lohengrin in der Regie von
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