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Internationale
Händel-Festspiele Göttingen 14.05.2015 - 25.05.2015
Deborah
in englischer Sprache Aufführungsdauer: ca. 3 h 10' (eine Pause) Konzertante Aufführung in der St. Johannis-Kirche in Göttingen am 16. Mai 2015 |
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Heldinnen im Doppelpack Von Thomas Molke / Fotos von Daniel Fuchs Starke Frauen stehen im Mittelpunkt der diesjährigen Internationalen Händel-Festspiele, die unter dem Motto "Heldinnen!?" stehen. Und so ist auch für das Kirchenkonzert in der St. Johannis-Kirche in Göttingen ein Oratorium ausgewählt worden, in dem eine alttestamentarische Heroine im Zentrum steht: Deborah. Händel vertonte die Geschichte der israelitischen Richterin, die den Sieg ihres Volkes über die Kanaaniter prophezeite, bereits 1733 als zweites Oratorium für England, als er erkannte, dass er der rivalisierenden Opera of Nobility eine andere Gattung entgegensetzen musste, um in London weiter Erfolge feiern zu können. In der Tat erfreute sich das Werk aufgrund der prächtigen Chöre und einer aufwändigen Orchesterbesetzung beim Publikum und bei Händels Zeitgenossen großer Beliebtheit. Auch Felix Mendelssohn-Bartholdy bezeichnete dieses Oratorium als eines "von Händels schönsten und kräftigsten Werken". Dass Händel aus Zeitnot auch hier zum großen Teil frühere Kompositionen einbaute, sei nur am Rande erwähnt. Anna Dennis als Deborah (auf der rechten Seite sitzend: Gotthold Schwarz) Die Handlung folgt in groben Zügen der alttestamentarischen Erzählung im 4. und 5. Kapitel des Buches der Richter. Seit 20 Jahren leiden die Israeliten unter der Fremdherrschaft der Kanaaniter. Da prophezeit die Richterin Deborah dem jungen Barak, dass er die Kanaaniter im Kampf besiegen werde und der Anführer der Kanaaniter, Sisera, durch eine Frau den Tod finden werde. Sisera verspricht den Israeliten Gnade, wenn sie sich erneut seinem Volk unterwerfen, doch die von Deborah aufgeheizten Israeliten lehnen dieses Angebot ab. Unter der Leitung von Barak ziehen sie gegen die Kanaaniter in die Schlacht und siegen. Sisera flüchtet zu der Israelitin Jael ins Zelt. Diese bietet ihm zunächst Milch an, um seinen Durst zu stillen. Erschöpft vom Kampf schläft er in Jaels Zelt ein. Da greift die Frau zu Hammer und Nagel und tötet den Heerführer, so wie es Deborah im Vorfeld prophezeit hatte. Das Volk der Israeliten dankt seinem Gott für die Befreiung von den Kanaanitern. Leandro Marziotte als Barak mit Bernd Eberhardt (links) Betrachtet man die musikalische Struktur des Werkes, fragt man sich, wieso das Oratorium nicht nach zwei anderen Figuren benannt ist, die eigentlich wesentlich mehr im Zentrum der Handlung stehen. Zum einen ist das Barak, der die Israeliten zum Sieg gegen die Kanaaniter führt, zum anderen Jael, die Sisera in ihrem Zelt tötet. Mit insgesamt fünf Arien und zwei Duetten mit Deborah kann sich Barak musikalisch umfangreicher ausdrücken als die Titelfigur, der nur drei Arien zugeteilt werden. Sieht man von den beiden Duetten und zwei Accompagnato-Rezitativen ab, hat Jael genauso viele Arien wie Deborah. Hinzu kommen noch drei Arien einer israelitischen Frau, die schon bei der Uraufführung des Oratoriums von der Jael-Interpretin vorgetragen wurden und bei denen inhaltlich nicht immer deutlich wird, wieso diese Frau nicht mit Jael identisch sein soll. Ausschlaggebend für den Titel mag jedoch Deborahs Funktion als Richterin gewesen sein, da man die biblische Erzählung unter ihrem Namen kennt. Johanna Neß als Jael Für die drei Protagonisten und den Chor hat Händel eine außerordentliche Musik geschaffen, denen die Solisten der Aufführung in jeder Hinsicht gerecht werden. Da ist zunächst der junge Countertenor Leandro Marziotte, der den zum Anführer auserkorenen Barak mit samtigem Counter präsentiert. Mit weichen, beweglichen Koloraturen preist er im ersten Akt zunächst mit "How lovely is the blooming fair" den Mut der Frauen, nachdem ihm Deborah prophezeit hat, dass Sisera durch die Hand einer Frau fallen werde. Absolut kämpferisch hingegen zeigt er sich in seiner nächsten Arie "All danger disdaining", in der er todesmutig in die Schlacht gegen die Kanaaniter ziehen will. Musikalisch irritierend hingegen wirkt seine Arie "In the battle, fame pursuing" am Ende des zweiten Teils, in der sein kämpferischer Plan, mit dem er die Feinde "abschlachten" will, in starkem Kontrast zu den weichen pastoral anmutenden Klängen der Holzbläser steht. Johanna Neß begeistert als Jael und israelitische Frau mit glockenklarem Sopran. Schon in ihrer ersten Arie "To joy He brightens my despair", wenn Deborah Jael großen Ruhm vorhergesagt hat, macht Neß mit strahlenden Koloraturen deutlich, dass Deborah in diesem Oratorium nicht die einzige Heldin ist. Auch in ihrer letzten Arie "Tyrant, now no more we dread thee" gerät man in Versuchung, Neß' atemberaubenden Vortrag mit Zwischenapplaus zu belohnen. Schlussapplaus: von links: Anna Dennis (Deborah), Johanna Neß (Jael), Leandro Marziotte (Barak), Clemens Löschmann (Sisera), Gotthold Schwarz (Abinoam) und Bernd Eberhardt, dahinter: Göttinger Barockorchester und Göttinger Kammerchor Anna Dennis begeistert in der Titelpartie mit vollem Sopran, der der Vorrangstellung der Richterin in jeder Hinsicht gerecht wird. Unterstützt durch die wunderbare Akustik in der Kirche verleiht sie der Figur eine absolute Autorität, der die anderen bedenkenlos vertrauen. In den beiden Duetten mit Marziotte findet sie zu einer bewegenden Innigkeit. Musikalischer Höhepunkt dürfte ihre letzte Arie "The glorious sun shall cease to shed" sein, in der sie Jael verspricht, dass ihr Name und ihre Tat von der Nachwelt nie vergessen werde. Auch der Göttinger Kammerchor bewältigt die anspruchsvolle Aufgabe hervorragend. Zu nennen ist hier vor allem die Szene im zweiten Teil, in der sie vom Chor der Baalpriester zum Chor der Israeliten wechseln müssen. Während sie die Anhänger Baals mit schnellen, beweglichen Läufen präsentieren, setzen sie den Wechsel zum erhabenen, getragenen Ton der Israeliten gut nachvollziehbar um. Einen Höhepunkt stellt auch das Lamento der Baalpriester "Doleful tiding, how ye wound" im dritten Teil dar, wenn sie zum Stakkato des Orchesters ihre Niederlage beklagen. Musikalisch irritierend ist nur, dass am Ende des ersten Teils vor dem "Hallelujah" der Wunsch der Israeliten, die Kanaaniter zu vernichten, wie der Anfang eines Requiems klingt. Die Partie des Sisera, die bei der Uraufführung mit einer Mezzosopranistin besetzt worden war, wird von dem Tenor Clemens Löschmann überzeugend interpretiert. Gotthold Schwarz stattet den Abinoam und die beiden Hauptpriester mit kräftigem Bass aus, und das Göttinger Barockorchester bringt unter der Leitung von Bernd Eberhardt in der wunderbaren Akustik der St. Johannis-Kirche die musikalische Pracht des Werkes zum vollen Glanz. Einziges Manko ist die räumliche Enge auf der Bühne. Da die Solisten rechts auf der Seite platziert sind, entstehen bei den Übergängen immer leicht störende Pausen. Vielleicht hätte man dieses Konzert auch mit Blick auf den Publikumsandrang doch besser in der Stadthalle ansetzen sollen. FAZIT Deborah passt mit seinen beiden Heldinnen wunderbar zum Motto der diesjährigen Festspiele. Die hervorragende musikalische Umsetzung weckt den Wunsch, dieses Werk häufiger auf der Bühne zu erleben. Weitere Rezensionen zu den Internationalen Händel-Festspielen Göttingen 2015
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ProduktionsteamMusikalische Leitung
Göttinger Barockorchester
Solisten
Deborah Jael / Eine israelitische Frau Barak
Sisera / Herold
Abinoam / Hauptpriester der Israeliten /
Weitere |
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