Von Thomas Molke

Als am 26. Juni 1920 im Göttinger Theater Händels Oper Rodelinde aufgeführt wurde, hat sich wohl niemand vorstellen können, dass von dieser Aufführung eine regelrechte "Händel-Renaissance" ausging, die dazu führte, dass in diesem Jahr bereits die 95. Internationalen Händel-Festspiele stattfinden und man schon langsam dem 100-jährigen Jubiläum entgegenfiebert. Im Mittelpunkt der diesjährigen Festspiele stehen "Heldinnen!?", starke Frauen also, für die Händel in seinen Opern und Oratorien zahlreiche Partien geschaffen hat.

Deutsches Theater in Göttingen

Ob man die Titelfigur der diesjährigen Opernproduktion allerdings als Heldin bezeichnen kann, ist sicherlich fraglich. Auf dem Programm steht nämlich nach den eher unbekannteren Werken der letzten Jahre Agrippina, eine Oper, mit der Händel einen seiner ersten großen Erfolge als Komponist erzielte. Ohne Rücksicht auf Verluste ist nämlich der Mutter des späteren Kaisers Nero jedes Mittel recht, um ihren Sohn auf den römischen Thron zu bringen. Die Regie übernimmt Laurence Dale, der in den frühen 80er Jahren des letzten Jahrhunderts große Erfolge als Mozart-Tenor feierte und seit 2000 als Regisseur an zahlreichen renommierten Häusern gearbeitet hat. Für die Titelpartie konnte Ulrike Schneider verpflichtet werden. Als Nerone ist der junge Countertenor Jake Arditti zu erleben. Die Partien der Poppea und des Ottone sind mit der Sopranistin Ida Falk Winland und dem Countertenor Christopher Ainslie besetzt. Der Bass João Fernandes übernimmt die Partie des Claudius. Am Pult des FestspielOrchesters Göttingen steht natürlich wieder der künstlerische Leiter Laurence Cummings. (Premiere im Deutschen Theater Göttingen am 15. Mai 2015 um 18.00 Uhr, weitere Aufführungen: 17., 18. und 25. Mai 2015 jeweils um 15.00 Uhr, 22. Mai 2015 um 19.00 Uhr und 24. Mai 2015 um 16.00 Uhr)

Nach dem großen Erfolg in den vergangenen Jahren wird es am 24. Mai 2015 um 12.00 Uhr auch zu dieser Opernproduktion wieder eine Familienfassung in der Stadthalle geben, bei der Juri Tetzlaff, der bei Kindern und Jugendlichen als Moderator des "Tigerenten Clubs" bekannt sein dürfte, gemeinsam mit den Solisten und dem FestspielOrchester unter der Leitung von Laurence Cummings Auszüge aus der Oper kurzweilig und kindgerecht aufbereitet präsentiert. Auch ein Public Viewing wird es bei der Aufführung am 22. Mai 2015 geben. Der Ort wird noch bekannt gegeben.

Auch die Konzerte in der Stadthalle Göttingen widmen sich ganz dem diesjährigen Festspiel-Motto. Zu nennen sind hier:
- eine Aufführung des Oratoriums Theodora am 23. Mai 2015 um 18.00 Uhr mit Carolyn Sampson in der Titelpartie der christlichen Heldin, die in Zeiten der Christenverfolgung den Märtyrertod starb,
- ein Galakonzert am 21. Mai 2015 um 19.00 Uhr mit Sarah Connolly, die unter dem Titel Heroes & Heroines Werke von Händel, Jacquet de La Guerre, Charpentier und Graun präsentiert,
- Ann Hallenberg und Donna Leon, die am 24. Mai 2015 um 20.00 Uhr Werke von Händel, Perti, Orlandini, Sammartini, Legrenzi, Graun und anderen zu Agrippina vorstellen.

Bei den Konzerten in den Kirchen in und um Göttingen geht es natürlich auch um schillernde Frauenfiguren. Unter dem Titel Maria! präsentieren Ghislieri Choir & Consort gemeinsam mit der Sopranistin Maria Espada unter der Leitung von Giulio Prandi am 14. Mai 2015 um 19.30 Uhr in der St. Alexandri-Kirche Einbeck Francesco Durantes Magnificat B-Dur, zwei Kantaten von Georg Friedrich Händel und Stabat Mater von Emanuele d'Astorga. Am 16. Mai 2015 ist dann um 17.00 Uhr in der St. Johannis-Kirche in Göttingen Händels Oratorium Deborah mit Anna Dennis in der Titelpartie und dem Göttinger Barockorchester unter der Leitung von Bernd Eberhardt zu erleben.

Das Symposium am 15. Mai 2015 in der Aula der Universität Göttingen widmet sich unter dem Titel Empfindsam - heroisch - erhaben den Frauenfiguren in der Musik zur Zeit Händels. Den Festvortrag '"Zauberinnen, Märtyrerinnen, Verführerinnen: Barocke Heroinen und die Ästhetik des Erhabenen" hält PD Dr. Cord-Friedrich Berghahn aus Braunschweig.

Das komplette Programm ist unter Händelfestspiele abrufbar.