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Händel-Festspiele 2015 in Halle (Saale)30.05.2015 - 14.06.2015 Alessandro
Oper in drei Akten (HWV 21) Aufführungsdauer: ca. 3 h 15' (eine Pause) Ein Projekt der Parnassus ARTS Productions in Kooperation mit Decca Classic, Camerata Athen und den Händel-Festspielen Halle Premiere im Goethe-Theater Bad Lauchstädt am 6. Juni 2015 |
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Zickenkrieg vor und hinter den Kulissen Von Thomas Molke / Fotos von Angelo Pappas und Martin Kaufhold (© Händel-Festspiele Halle) Eigentlich sollte Händels Alessandro in der Inszenierung von Lucinda Childs bereits vor zwei Jahren im Rahmen der Händel-Festspiele in Halle zur Aufführung gelangen. Doch dann mussten die Festspiele wegen der Flutkatastrophe kurzfristig abgesagt werden. Da der Wunsch nach dieser Produktion von Parnassus, die unter anderem auch mit Leonardo Vincis Artaserse und Catone in Utica mit herausragenden Besetzungen große Erfolge feiern (siehe auch unsere Rezensionen aus Köln und Wiesbaden), sehr groß war und die Händel-Festspiele nicht zuletzt auch als Kooperationspartner für diese Inszenierung fungierten, konnten die Aufführungen sehr zur Freude des Publikums in diesem Jahr nachgeholt werden, und die Tickets für diese beiden Inszenierungen waren vom Beginn des Vorverkaufs an auch heiß begehrt. Der Hype, der um diese Aufführung betrieben wurde, lässt sich schon fast mit der Beliebtheit des Werkes zu Händels Lebzeiten vergleichen, als die Oper zu den populärsten Stücken des Hallenser Komponisten zählte, die in der Zahl der Aufführungen nur von Rinaldo übertroffen wurde. Seit der Wiederentdeckung 1959 durch die Sächsische Staatsoper hat es allerdings nur wenige Versuche gegeben, dieses Werk wieder im Repertoire zu etablieren, und vielleicht ist es der Aufführung bei den Händel-Festspielen in Karlsruhe 2012 (siehe auch unsere Rezension) zu verdanken, dass die Oper allmählich in der Publikumsgunst steigt. Alessandro (Max Emanuel Cencic) erobert die indische Stadt Sidrach. (Foto von Antonio Pappas) Die Handlung der Oper spielt zur Zeit des Indien-Feldzuges von Alexander dem Großen (Alessandro), wobei sich die politischen Ereignisse um die Eroberung der Stadt Sidrach eher im Hintergrund abspielen. Im Mittelpunkt stehen die Liebeswirren um die persische Prinzessin Roxana (Rossane) und die skythische Prinzessin Lisaura, die beide um die Gunst Alessandros buhlen, obwohl Lisaura bereits dem König von Indien, Taxiles (Tassile), versprochen ist. Rossane wird außerdem auch noch von Alessandros Hauptmann Cleone begehrt, dessen einzige Hoffnung darin besteht, dass Alessandros Wahl auf Lisaura fällt. Doch dieser kann sich so recht nicht zwischen den beiden Prinzessinnen entscheiden, verzichtet allerdings schlussendlich zu Gunsten Tassiles auf Lisaura, um, wie es auch historisch belegt ist, Rossane zu heiraten. Die historisch belegte Auseinandersetzung mit Alessandros General Klytus (Clito), der sich weigert, Alessandro als Sohn Jupiters zu verehren, und die daraus resultierende Verschwörung mit Leonato, einem weiteren General, wird im ganzen Wirrwarr der Gefühle eher nebenbei niedergeschlagen. Alessandro begnadigt seine Widersacher, und alle stimmen in den Jubel über den glücklichen Ausgang ein. Alessandro (Max Emanuel Cencic, vorne) mit seinen beiden Hauptmännern Cleone (Vasily Khoroshev, hinten links) und Leonato (Juan Sancho, hinten rechts) (Foto von Martin Kaufhold) Dass die Oper zu Händels Lebzeiten trotz der fehlenden Dramatik des Librettos dennoch ein so großer Erfolg wurde, dürfte wohl vor allem der Sängerbesetzung zu verdanken gewesen sein, die neben dem Starkastraten Senesino auch noch mit der Sopranistin Francesca Cuzzoni und der Mezzosopranistin Faustina Bordoni zwei weltberühmte Diven präsentierte, die nicht nur mit ihrer virtuosen Gesangskunst die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zogen. Auch ihre Rivalität, die bei einer Aufführung sogar in Handgreiflichkeiten endete, war ein gefundenes Fressen für die damalige Presse. Die Starallüren der hochkarätigen Sängerinnen und Sänger der damaligen Zeit stellt die Inszenierung von Lucinda Childs in den Mittelpunkt der Aufführung, und so scheint die Oper in ein Studio verlegt worden zu sein, wo ein Film über den Indien-Feldzug Alessandros gedreht wird. So wird die Ouvertüre direkt mit einer Filmklappe eröffnet, und Alessandro und seine Hauptmänner treten in aufwändig verzierten Kostümen auf, die in ihrem Kitsch an legendäre Hollywood-Schinken erinnern. Doch neben dieser Filmebene gibt es eine weitere Ebene, die die Sängerinnen und Sänger als Schauspieler in ihren Garderoben zeigt und die Rivalitäten zwischen den einzelnen Figuren auf höchst amüsante Weise beleuchtet. Bereits beim ersten Auftritt von Rossane und Lisaura wartet der Zuschauer regelrecht darauf, dass diese beiden Diven sich an die Gurgel gehen. Alessandro (Max Emanuel Cencic) zwischen Rossane (Blandine Staskiewicz, links) und Lisaura (hier: Adriana Kucerova, rechts) (Foto von Martin Kaufhold) Doch diese Feindseligkeit wird nicht nur in der Garderobe eindrucksvoll ausgelebt. Wenn Lisaura und Rossane am Ende des ersten Aktes in prunkvollen Kleidern ihr großes Duett anstimmen und mit Alessandro in barocker Manier das Tanzbein schwingen, wird die Auseinandersetzung der beiden Diven auch bei der Filmaufnahme offen ausgetragen, so dass der Tanz abgebrochen werden muss. Doch auch Alessandro erweist sich auf der Bühne als durch und durch launischer Darsteller. Nach seiner Auseinandersetzung mit Clito, der ihn nicht als Sohn Jupiters anerkennen will, ist er dermaßen beleidigt, dass er es ablehnt, die Schlussarie des ersten Aktes zu singen, und Tassile kurzerhand seinen goldenen Löwenhelm aufsetzt und ihn damit zwingt, seinen Part zu übernehmen. Dieser will zwar fluchtartig die Bühne verlassen, wird aber mit dem Textbuch wieder zurückgedrängt und findet sich mehr schlecht als recht in die Choreographie ein, was beim Publikum für großes Amüsement sorgt. Auch im zweiten Akt wird deutlich, dass Alessandro in seinem divenhaften Gehabe den beiden Prinzessinnen in nichts nachsteht. Das Toupet, das ihm beide Frauen in der Auseinandersetzung vom Kopf reißen, spielt dabei eine nicht unbedeutende Rolle. Leider wird dieser durchaus komische Ansatz nicht bis zum Schluss durchgehalten, so dass beim lieto fine von den anfänglichen Rivalitäten nichts mehr zu erkennen ist. Hier hätte man sich für das Ende vielleicht doch noch einen richtigen Knaller gewünscht. Musikalisch liefert die Produktion einen Höhepunkt nach dem nächsten, was zum einen dem brillant aufspielenden Orchester Armonia Atenea unter der Leitung von George Petrou zu verdanken ist, das mit einer unglaublichen Frische einen barocken Klang aus dem Graben zaubert. Zum anderen begeistert auch die hervorragende Sängerbesetzung, die zum großen Teil auch auf der bei Decca Classics erschienenen CD zu erleben ist. Da ist zunächst Juan Sancho zu nennen, der den mazedonischen Hauptmann Leonato mit strahlendem Tenor ausstattet. Pavel Kudinov gefällt als starrsinniger Clito mit profundem Bass und großem Spielwitz. Vasily Khoroshev begeistert als Hauptmann Cleone mit virilem Countertenor vor allem in seiner Arie "Sarò qual vento", in der er hofft, dass Leonato und Clito für ihren Verrat von Alessandro bestraft werden und er im Gegenzug die Gunst des Königs erlangen wird. Xavier Sabata stattet den indischen König Tassile mit sehr weichem Countertenor aus, was dem milden Charakter der Figur entspricht. Mit großem Spielwitz meistert er auch Alessandros große Arie am Ende des ersten Aktes, "Da un breve riposo", und findet nach anfänglichem Widerwillen auch in die barocke Choreographie der Tänzerinnen und Tänzer. Für die drei "Diven" hat man eine absolut passende
Besetzung gefunden. Max Emanuel Cencic begeistert in der Titelpartie nicht
nur stimmlich mit seinem flexiblen Countertenor, der in den Koloraturen eine
atemberaubende Beweglichkeit besitzt, was vor allem in seiner großen Arie "Vano
amore" im zweiten Akt, in der er seinem Ärger über Lisaura und Rossane
freien Lauf lässt, zum Ausdruck kommt. Auch darstellerisch überzeugt er
durch großartige Komik. Sei es, dass er selbstverliebt über die Bühne
stolziert oder in angetrunkenem Zustand sowohl Rossane als auch Lisaura den
Hof macht. Sei es, dass er später mit einem gehörigen Kater die Koloraturen
der Frauen kaum ertragen kann. Auch wenn er gewaltsam von Tassile abgehalten
werden muss, sich mit Clito auf der Bühne zu prügeln, weckt er beim Publikum
eine lebendige Vorstellung, wie es wohl zwischen den Sängerdarstellern zu
Händels Zeit zugegangen sein mag. Die beiden Damen stehen Cencic in nichts
nach. Dilyara Idrisova begeistert als Lisaura mit glockenklarem Sopran. Zu
nennen ist hier ihre Gleichnisarie aus dem zweiten Akt, "La cervetta nei
lacci avvolta", in der sie ein Rehkitz besingt, das in einem Wald in eine
Falle gegangen ist, und hofft, dass Rossane Alessandro genauso meiden wird
wie das Rehkitz nach seiner Befreiung den Wald.
FAZIT Es ist wirklich ein großes Glück, dass diese Veranstaltung, die vor zwei Jahren der Flutkatastrophe zum Opfer gefallen ist, jetzt doch noch im Goethe-Theater zu erleben ist. Weitere Rezensionen zu den Händel-Festspielen 2015 in Halle
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ProduktionsteamMusikalische Leitung Nach einer Inszenierung von Bühnenbild / Kostüme Choreographie Barocktanz Licht
Solisten
Alessandro Magno
Rossane Lisaura
Tassile, König von Indien Clito, mazedonischer Hauptmann Leonato, mazedonischer Hauptmann Cleone, mazedonischer Hauptmann Tänzer
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